Licht und Regen
Haag: Was für eine Achterbahn der Emotionen und Stimmungen, einmal rauf und runter
und wieder rauf, Licht und Schatten, Peinliches und Geniales, das
alles vereint an einem Platz, der wie das graue Grauen daher kam,
eingezwängt zwischen Autobahn, Tankstelle, Blech-Partybüchse & McDonalds.
Einen größeren Kontrast zu Eggenfelden hätte man sich nicht ausdenken können.
Leider hätten es mehr Fans sein können, fand ich und die
Stimmung kam am Anfang doch eher mühsam in die Gänge. Mag es am
grauen Platz gelegen haben, an den ausgeteilten Fahnen, die zum
Schwenken, aber nicht zum Klatschen verleiteten und außerdem die
Sicht versperrten (ansonsten netter Einfall), dem späten Anfang,
oder an Daniel selbst, der vor allem in der ersten Hälfte mindestens
einen Zollbreit zu tief in die Kiste der derben Sprüche gegriffen hatte.
Er hatte es wohl selbst gemerkt, dass er überzog. In der
zweiten Hälfte nahm er sich zurück, sein schnoddriger Tonfall blieb,
der die Augen ein ums andere Mal flehentlich in Richtung Himmel
blicken ließ. Der Himmel erbarmte sich und goss das erste Mal vor
der Pause bei Skating in the Wind, das Daniel dafür umso herzergreifend
schöner sang, wie um sich selbst zu widerlegen, Skating in the Sun
... und der Himmel weinte. Und ich mit ihm. Danach das überraschende
"Hotel California" ... immer noch im strömenden Regen dargeboten,
die Bühne und Daniel durch Schirme verstellt, die Fans in Regenjacken
gehüllt. Und Daniel sang mit wunderschöner, sehnsuchtsvoller Stimme
"Such a lovely place ..." Den Platz vor dem Partyhouse konnte er
zu diesem Zeitpunkt nicht gemeint haben.
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Nach über einer Stunde dann die Pause, Zeit zum Verschnaufen, zum Sammeln der unterschiedlichen
Eindrücke, und doch wieder viel zu lang für Rock’n’Roll. Ich wechsele
den Standort und bin mehr im Geschehen drin, näher an der Bühne.
Daniel kommt wieder und zündet ein stimmliches Feuerwerk abseits
der LN-Lieder, die schon fast wie ein Fremdkörper wirken in ihrer
harten NDW-Intonation, einzig Einsamkeit vermag mich mitzureißen.
Selten lag ein Journalist falscher als Matthias Halbig von der Neuen
Presse Hannover, obwohl er es nicht bös’ meinte, dass Daniel mit
den LN-Liedern seine Stimmlage gefunden hätte. Er weiß es nicht
besser. Wer Daniel in Haag gehört hat, der weiß, dass seine Stärken
ganz woanders liegen: im warmen, weichen, souligen Pop-Gesang. Ein
sängerischer Höhepunkt jagt den nächsten, ein geniales Hey, wieder
ganz anders als bei der Daniable-Tour, ein sommerlich-beswingtes
YDMC, und überraschenderweise auch ein sehr erfrischendes Heartbeat,
das mir nie schöner, harmonischer vorkam als in Haag. "Weust a Herz
host…" hätte ich so gerne von Daniel alleine gehört, aber er holt
Hans, den Chef der Racers auf die Bühne und sie singen es im Duett,
auch schön und eine schöne Geste allemal.
Mein ganz persönliches Highlight war aber Stand by me. Das war fast
ein magischer Moment, der ganz unvermittelt kam. Ein starker Regenguss,
der genau mit Stand by me einsetzte, die wogenden Fans im Kampf
gegen die sich ergießende Flut von oben, mit Blick nach vorne und
Daniel oben auf der Bühne, in sich und seine Töne versunken ...
und wir mit ihm seinen Improvisationen nachlauschend. Da war sie
für einen Moment zu spüren: die Einheit, das Band, das uns alle
verbindet. Vergessen all das Grau, dies war der Ort, an dem ich
sein wollte, "a lovely place", und den Augenblick für immer fest halten.
Daniel schaffte es mit seiner Kodderschnauze an diesem Abend
immer wieder, den Fluß zu unterbrechen, die Gefühle wieder runter
zu bringen auf den Nullpunkt, das machte das Konzert etwas stockend,
in sich nicht stimmig. Als hätte er Angst davor, die Fans zu nah
an sich heran zulassen, als bräuchte er diesen Schutzwall der Distanz
um sich. Als würde er sagen: hier habt ihr meine Lieder, aber verschont
mich mit euren Emotionen. Ich möchte ihm zurufen: "Wir bellen nur
und beißen nicht", dann könnte er vielleicht auch erwidern: "Ich
belle nur und beiße nicht."
Was bleibt?
Der Eindruck eines Konzerts der Stimmungs-schwankungen, der Auf und Abs, mit Licht und Regen,
der Eindruck eines Künstlers, der immer noch oder wieder auf der
Suche ist nach seinem Stil, seiner Stimme, seinem Ausdruck, der
seinem Licht manchmal selbst der größte Schatten ist, der wunderbar
einmalig wunderschön singen kann, wenn er will, der wunderbar sein
kann, wenn er will, und der in seinem jungen Leben schon so viel
hinter sich gelassen hat und nächstes Jahr vielleicht zu ganz neuen
Ufern aufbricht. Ich bin gespannt wohin.
Andrea Grothe · Foto: Hannelore Milsmann
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