zurück zur Startseite
Lustiges und Satire 2/3
Februar 2004
Fanfiction
Die Fanialisierung des Universums
Ein Leidensbericht

Ich bin ein Mann. Das hört sich doch gut an, oder?! Selbstbewusst und stark. So wie ich bin. Ähm… naja… um ehrlich zu sein… so wie ich war… vor einem Jahr noch. Um jetzt keine Missverständnisse aufkommen zu lassen – ich bin nicht krank... Jedenfalls wäre organisch nichts zu finden, meinten die Ärzte. Ob ich Probleme hätte? Probleme? Ich???? Niemals! Meine Arbeit macht mir Spaß, meine Kinder scheinen vernünftige Menschen zu werden, das Haus ist gemütlich, der Urlaub bezahlbar und… meine Frau... meine Frau… m e i n e Frau? Und schon sind sie wieder da, diese Halluzinationen, die mich in jeder Nacht plagen: Ich sehe, wie der Mond sein bleiches Licht in unser Schlafzimmer schickt und dann steht er vor mir: Jung und schlank, langes dunkles Haar, die braune Augen hinter dieser Brille… er zieht sie langsam auf die Nasenspitze, sieht mich an und kommt näher… Und ich sitze kerzengerade im Bett und schreie und schreie! Wenn der Anfall vorbei ist, tappe ich in die Küche, wohl wissend, dass an Schlaf diese Nacht nicht mehr zu denken ist. Während ich den Kühlschrank plündere, ziehen die vergangenen Monate an mir vorbei…

Da ist er, dieser Abend irgendwann im letzten Januar: Ich liege gemütlich auch der Couch und zappe mich durch´s Fernsehprogramm… aha, dieser Talent-Wettbewerb und jemand singt gerade… während ich noch überlege, ob das ein Mädel ist oder ein Junge, kommt meine Liebste angefegt: „Was ist das denn? Mach mal lauter!“ Noch heute könnte ich mich ohrfeigen dafür, dass ich damals nicht geistesgegenwärtiger war! Ich hätte schnell wegschalten sollen und sofort die Fernbedienung hinter´s Sofa schmeißen (huch, wie konnte das denn passieren? Holst du bitte mal was zum rausangeln, Schatz, oder lass es… gähn… komm lieber mit ins Bett … ich massiere dir noch ein bisschen den Rücken…) Stattdessen sitzen wir beide an diesem Abend bis weit nach Mitternacht vor der Glotze… und erst nachdem sie völlig sicher ist, dass dieser Typ im rosa Rüschenblüschen unter senfgelbem Anzug in die nächste Runde kommt, kann meine Liebste zur Ruhe gehen. Damals dachte ich übrigens noch, mein zuckendes Augenlid sei einfach eine Folge der Übermüdung…

Früher waren wir gesellige Leute: Kino, Kneipe, Freunde… na gut, manchmal haben wir auch einfach vor der Glotze abgehangen… stilles Glück, trautes Heim und so… Aber wir waren keine Langweiler! Naja, von diesem Image sind wir im Moment ohnehin Lichtjahre entfernt – immerhin ist meine Frau erstaunlich schnell mit ihrer Leidenschaft an die Öffentlichkeit gegangen. „Mein Coming out als Faniel“, nannte sie das. Aber es hieß nichts anderes, als überall voller Verzückung von diesem Sängerknaben zu schwärmen: Diese Stimme, die Bewegungen, dieses Lachen! Darüber kann sie ohne Probleme ein zwölfstündiges Referat halten. Ich frage mich seit einiger Zeit, ob unsere Nachbarn deswegen ausziehen?! Und wer gibt mir jetzt Asyl, wenn meine Frau auf Konzerttour geht? Wo kriege ich dann einen Kaffee her und ein paar nette Worte? Seit ich darüber nachdenke, habe ich immer dieses grauenvolle Leibdrücken…

Das Herzrasen allerdings begann erst, als mich eines Tages diese mehr oder weniger wildfremde Frau ansprach: „Ich habe gerade in der Zeitung gelesen, dass Sie ein Treffen mit Daniel Küblböck gewonnen haben. Können Sie mir vielleicht ein Autogramm mitbringen?“ Mein „Häääääääääh?!“ ließ sie dann besorgt murmeln: „Vielleicht sollte ich lieber… Ihre Frau…“ Sie war ziemlich bleich, als sie entschwand. Was ihr an Farbe fehlte, hatte ich zu viel, als ich nach Hause stürmte. Auf dem Küchentisch lag eine Zeitung aufgeschlagen. Ich wusste jetzt, dieser Typ gibt ein Konzert in unserer Stadt und ich hatte zwei Karten und tatsächlich ein Treffen gewonnen. „Kein Wunder, dass dein Herz da rast“, sprach meine Frau. „Fühl mal, meins auch.“ So nah war ich ihr lange nicht gekommen und es wurde wirklich sehr schön. Im allerinnigsten Moment jedoch schlug meine Frau die Augen auf: „Weißt du, was Daniel heute passiert ist?“

Die Erektionsstörungen sind also ziemlich leicht zu erklären. Aus diesem Grunde und auch, weil dieser Junge ja quasi sowieso schon bei uns lebte, schlug ich meiner Frau vor, ihn zu adoptieren. Das war eine Menge Papierkram und wir wurden besonders streng überprüft, aber meine Frau und ich haben das gemeinsam durchgestanden. Meine Ärzte und Psychologen waren auch nicht dagegen – Konfrontations-Therapie nannten sie es. Ja, und heute war es endlich soweit: Der Daniel ist bei uns eingezogen! Aber nein, leider ging es mir nicht gut. Besonders nachdem meine Frau mir von Daniels schwerer Kindheit erzählt hat und davon, wie viel Zuwendung und Nestwärme er jetzt braucht. Klar, ich weiß, er ist ein bisschen zu groß für die Besucherritze im Ehebett, ich bin also freiwillig ins Kinderzimmer gezogen…

Und hier liege ich nun und der Mond schickt sein bleiches Licht in das kleine Zimmer. Die Tür knarrt ein wenig und dann steht er vor mir: Jung und schlank, langes dunkles Haar, die braune Augen hinter dieser Brille… er zieht sie langsam auf die Nasenspitze, sieht mich an und kommt näher… Aber ich schreie nicht. Ich flüstere: „Hast du schlecht geträumt, mein Schatz? Komm leg dich zu mir. Soll ich dir ein bisschen den Rücken massieren?“
Anja Klammer
Fanfiction
"Danielwelt.de"

Feiner Regen durchnässt meine Jacke. Ich laufe etwas schneller und beschließe, das Gefühl der winzigen Wassertropfen auf meinem Gesicht zu genießen.

Wenn ich - wie heute - meinen Bus verpasst habe, entscheide ich mich meistens, nach Hause zu laufen. Dabei freue ich mich auf ein heißes Bad. Auf cremigen Schaum, Wärme und Ruhe. Auf Freizeitstimmung und Freiheitsgefühl.
Noch einen Kilometer zu gehen.. Ich starre zwischenzeitlich auf den Fußweg vor mir. Sehe graugrüne, nassglänzende Betonplatten. Ich laufe und laufe und hänge meinen Gedanken nach.

Eigentlich hebe ich nie etwas vom Straßenpflaster auf. Es hat auch noch nie ein 100-Euro-Schein dort gelegen. Nun ist es auch wieder keiner.
Aber ich nehme es auf, das nasse, orangefarben-dunkelblaue Papier. Vielleicht, weil ich „sein“ Gesicht erkannt habe? Es ist ein Aufkleber. Nur ein wenig zerknittert und kaum verschmutzt, aber sehr nass. "Danielwelt.de" steht darauf, eine Internetadresse.
Ich betrachte das Gesicht von Daniel darauf. Recht lange.
Ihm habe ich damals, als ich gelegentlich DsdS guckte, die Daumen für das Weiterkommen gedrückt. Weil er so herzerwärmend war, so fröhlich und schwungvoll. So offen und emotional.
Ich habe ihn seitdem einige Male im Fernsehen gesehen. Das Foto müsste vom Auftritt im ZDF-Fernsehgarten sein. Den Auftritt habe ich mir zufälligerweise angeschaut. Hat mir sehr gefallen.
Sommersehnsucht erfasst mich. Ich lächle dem Aufkleberdaniel zu und stecke das nasse Papier in die Tasche.

Allzu sehr habe ich mich mit Daniel nicht auseinandergesetzt. Aber ich habe mich einige Male über unfaire Presse geärgert, Pressetexte, die man liest und weiß, da wurde nicht journalistisch gearbeitet, sondern aus dem Kreuz geleiert. Wie es so oft passiert. Man erkennt diesen Schreibstil sofort.

Ja, Daniel, er war und ist mir sympathisch.

Am Abend setze ich mich an den PC und besuche Danielwelt.de. Drei Stunden später schließe ich lächelnd das Internet-Fenster.

In den nächsten Wochen bin ich häufig in der Danielwelt zu Gast, bald auch als registriertes Mitglied.
Ich freue mich mit den Leuten da, die mir von Tag zu Tag mehr ans Herz wachsen.
Ich lache, schwärme, diskutiere, streite, stäärbe, helfe, tröste und unterstütze gemeinsam mit ihnen. Ich eröffne eigene Threads, klicke Unmengen von smileys an, bastle an Signaturen, höre Soundfiles, lese „Hallo“-Threads und werde mit meinen regelmäßigen Beiträgen schnell zur Forum-„Diva“.

Dann kommt endlich der Tag, auf den ich mich, gemeinsam mit vielen anderen Mitfans, wochenlang gefreut habe, der Tag meines ersten Danielkonzerts.

Ich liebe jede Sekunde dieses Tages, die Vorbereitungen, das Suchen und Finden der Halle, das gemeinsame Anstehen.

Vor mir in der Schlange wartet ein junger Mann. Er heißt Simon. Ich habe ihn einfach nach seinem Namen gefragt.

Alles macht mir und meinen Begleiterinnen Spaß, das Teilen des Essens, das Getränke durchprobieren, das Daniel-T-Shirt Bewundern, das Diskutieren mit der Security, das Fotografieren, das skeptische Beobachten der anwesenden Pressevertreter.

Nach vielen Stunden ist es so weit. Die Tore des Gebäudes öffnen sich.

Das Konzert, ja, es ist wirklich ein Traum und Rausch. Ich bin völlig gefangengenommen.
Daniel ist ein Könner. Lass sie schreiben, was sie wollen, diese bestimmte Sorte journalistischer Kleckselbären. Recht haben sie nicht.

Ich bewundere Daniel sehr. Eigentlich bin ich dahingeschmolzen.

Auf der anschließenden Fanparty sehe ich Simon wieder. Das freut mich, so viel kann ich tatsächlich registrieren, trotz dieses umwerfenden Konzert – und Danieleindrucks.

Später am Abend denke ich über ihn nach. Ist er ein Fan?
Ich ertappe mich tatsächlich bei der Gedankenfrage: Liebt er Frauen? Liebt er die ganze Welt? Oder die andere Hälfte, zu der ich nicht gehöre?

Ich schüttle schließlich sehr heftig den Kopf über mich und trinke meine Apfelschorle aus. Nun einen Wein? Ein Glas auf ein wunderschönes Konzerterlebnis? Ja.

Ich erfahre es doch an diesem Abend.
Simon ist ein Mitgeschleppter. Fahrdienst und Begleitung für seine jüngere Schwester. Er scheint aber Daniel als Sänger und ... Frauen zu mögen.

Wir reden lange. Wir hören einfach nicht auf und ich komme mir bald reichlich albern vor. Weil ich ihn jetzt schon so sehr mag.
 
© 2004 danielwelt.de  - Online-Magazin Im Endeffekt · Email info@im-endeffekt.net · Impressum