Schwarze Pädagogik Teil 2
Fortsetzung von Seite 7
- Erwachsene dürfen wie Götter über Recht und Unrecht bestimmen
- Der Zorn der Erwachsenen stammt aus ihren eigenen Konflikten - jedoch machen sie ihre Kinder dafür verantwortlich
- dem Kind ist so früh wie möglich der eigene "Wille" zu nehmen, denn die lebendigen Gefühle des Kindes bedeuten für den "Herrscher" (also den Erwachsenen) eine Gefahr
- diese Erziehung muss so früh wie möglich geschehen, damit das Kind nichts merkt und den Erwachsenen nicht verraten kann
Bis ein Kind das Alter erreicht, in dem es ganz allein für sein körperliches und seelisches Wohlergehen sorgen kann, vergehen viele Jahre, die es naturgegeben in der Obhut seiner Eltern verbringt. Diese wichtigen Bezugspersonen haben es in der Hand, dem Kind zu vermitteln, wie es seine Grundbedürfnisse befriedigen kann.
In den ersten Lebensmonaten sind diese Grundbedürfnisse äußerst elementar: Ein Säugling möchte essen, wenn er Hunger hat, und schlafen, wenn er müde ist. Er möchte Zärtlichkeit und Nähe spüren, wenn er sich allein fühlt. Die Mittel, mit denen er auf diese Bedürfnisse aufmerksam machen möchte, sind beschränkt: Er kann schreien und weinen. Er kann zufrieden grunzen, wenn es ihm gut geht. Sein Körper kann mit Krankheit reagieren, wenn er sich vernachlässigt fühlt.
Schreit ein Kind anscheinend grundlos, so treibt es eine Mutter damit in die Raserei - jede Mutter (und jeder Vater) hat das sicherlich schon einmal erlebt. Erlebt sich das Elternteil jedoch nicht als "Diener" seines Kindes sondern als dessen "autoritäre Führungsperson", so wird es schnell Mittel und Wege finden, sich nicht zum "Sklaven" des schreienden Säuglings zu machen. Findet das Schreien zum Beispiel nicht zu den regulären Fütterungszeiten statt, so kann man es ignorieren. Erst recht, wenn man sich von der körperlichen Unversehrtheit des Babys vergewissert hat. "Dem Kind fehlt nichts - es will sich nur produzieren", kann die Rechtfertigung des innerlich hilflosen und äußerlich machtvollen Erwachsenen lauten. Ein solchermaßen ignoriertes Kind begreift schnell, dass das "Artikulieren" seines Bedürfnisses keinerlei Entscheidungsgewalt über dessen Erfüllung besitzt - und dass es dem Wohlwollen des Erwachsenen hilflos ausgesetzt ist.
Das Kind empfindet durch diese Unterdrückung eine gesunde Aggression. Doch es bemerkt sehr schnell, dass es - so es diese Aggression gegenüber dem Erwachsenen ausdrückt - nichts zu einer Verbesserung seiner Situation beiträgt, sondern dass dieses Empfinden beim Erwachsenen Elternteil noch mehr Ablehnung hervorruft.
|
Im späteren Verlauf seiner "Erziehung" wird ein solchermaßen vorgeprägtes Kind versuchen, andere Mittel zu finden, um den Erwachsenen gnädig zu stimmen, besonders wenn dieser in der Trotzphase des Kindes (etwa zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr, die Phase, in der das Kind sein "Ich" entwickeln könnte) alles daran tut, dem eigenen Willen des Kindes keine Chance für eine natürliche Entwicklung zu geben.
Noch einmal herausgestrichen: In der Frühphase seiner Entwicklung ist das Kind auf Gedeih und Verderb dem Erwachsenen ausgeliefert. Es ist ohne die Versorgung mit leiblicher und seelischer Nahrung nicht lebensfähig. Also wird es versuchen, dieser Nahrung auf irgendeine Weise habhaft zu werden. Funktioniert es nicht mit einer natürlichen Artikulation seiner Bedürfnisse UND seiner Aggressionen, so muss es diese zwangsläufig unterdrücken. Es "lernt" also, dass sich eine freie Willensäußerung nicht vorteilhaft auswirkt. Dass sie vom Erwachsenen unerwünscht ist. Dass sie FALSCH ist.
Sind die freien Willensäußerungen erst einmal unterdrückt (und die Aggressionen in einer Schachtel ganz hinten im Unterbewusstsein versteckt eingelagert), so wird das Kind später immer wieder, wenn es herausfinden will, was es selbst eigentlich möchte, von großen Schuldgefühlen geplagt werden, deren Ursache es nicht ergründen kann.
Ein wichtiger Begriff im Zusammenhang mit der Entwicklung eines noch nicht allein lebensfähigen, abhängigen Kindes ist der der "bedingungslosen Liebe". Diese Liebe erfährt ein sich gesund entwickeln dürfendes Kind von seinen Eltern, soweit diese in der Lage sind, sie zu geben. Die bedingungslose Liebe erlaubt es dem Kind, sich selbst als eigenständigen Menschen mit gesunden Bedürfnissen zu begreifen - denn es erhält in der Reflektion auf das Artikulieren seiner Bedürfnisse durch seine Eltern die Bestätigung, dass diese in Ordnung sind. Hierzu sei aber angemerkt, dass die Eltern damit nicht automatisch verpflichtet sind, allen Bedürfnissen ihres Kindes zu entsprechen. Aber auch, wenn sie diese verneinen, können sie dies in Liebe und Respekt für das Kind verpacken.
|