Der Beginn eines
Danielkonzerts ist ein Naturereignis! Daniel betritt
keine Bühne er ergreift von ihr Besitz. Die Filderstädter
Bühne bietet Daniel und seiner Mannschaft genügend Platz
und verfügt außerdem noch über eine breite Treppe
zum hinteren Teil hin. Die Ausleuchtung ist um Klassen besser als
in Hamburg, und auch die Akustik macht im Vergleich eine deutlich
bessere Klangfigur. Wie von selbst bilden sich wellenartig Schwingungen
zwischen Künstler und Publikum, die Massen werden eins
.
Daniel winkt und reißt die Arme hoch, und alle tun es ihm
nach.
Wie erschreckend ist solch ein Gruppenphänomen? Heute noch
eine homogene Masse, werden sich diese Menschen spätestens
übermorgen wieder etwas ausgedacht haben, worüber sie
geteilter Meinung sein werden, dieser Gedanke beruhigt mich wieder.
Gleichzeitig wundere ich mich darüber, dass wir zu besonderen
Anlässen zufrieden sind mit dem, was uns verbindet und
dass wir ansonsten so eifrig nach dem suchen, was uns trennt
geben wir unsere Egos bei den Konzerten eigentlich an der Garderobe
ab? Reicht uns das Individuum auf der Bühne, um unsere eigene
Einzigartigkeit für kurze Zeit zu vergessen? Oder können
wir Einzigartigen es tatsächlich zweieinhalb Stunden lang schaffen,
unser egoistisches Selbst im Hintergrund zu halten und alles, worüber
wir uns tagtäglich so gerne echauffieren, einfach mal stehen
zu lassen? Einen Menschen umarmen, dem wir aus irgendwelchen Gründen
grad nicht so grün sind, weil uns in diesem verzauberten Moment
die Unterschiede und Meinungsverschieden-heiten egal sind? Keine
Rolle spielen müssen?
Ich sehe Daniel unmittelbar vor mir, während er zu „You drive
me crazy“ lasziv die Hüften schwingt. Mir wird auf einmal bewusst,
dass da kein süßer, putziger Typ mehr steht, sondern ein ausgewachsenes,
männliches Wesen – ein männliches Wesen frisch aus den 80’ern,
in grünbuntem T-Shirt und Jeans, eine männliche Nena, nur kraftvoller,
energiegeladener…
Daniel probiert sich aus an diesem Tag. Jede Bewegung sitzt. Jeder
Blick ist authentisch bis ins Mark. Daniel spielt mit den Zuschauern,
und er spielt mit sich selbst. Er interagiert mit uns, und ich
fühle, wie er unsere Reaktionen tief in sich aufsaugt, um sie
kurz danach wieder umzusetzen in eine weitere Drehung, eine weitere
Bewegung, einen erneuten, kraftvollen Blick ins Publikum. Das
Publikum rast.
Das Programm nimmt seinen Lauf. Daniels Stimme ist kraftvoll,
sicher und bestimmt. Kein Vergleich zu Hamburg. In Filderstadt
klingen die Töne. Die begabten Vögel singen… und was er alles
mit dieser neu gewonnenen Sicherheit veranstaltet!!
Die Band kommt fast nicht mehr mit mit Daniels gewagten Improvisationen,
er singt hoch, wechselt überraschend zur Unterstimme, er trillert,
er verlässt die vertrauten Gefilde und gibt ein Solo nach dem anderen.
So habe ich ihn noch nie gehört.
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Werbepause. Klamottenwechsel.
Daniels Outfit für den nächsten Abschnitt entschädigt
für die Zwangspause
zu Born in Bavaria
erscheint er im Holzfällerhemd und dazugehöriger Jeans,
aus der der String blitzt und der Bauchnabel über der Leisten-gegend
und wieder gibt er sich nicht mit einer regulären Interpretation
des Liedes zufrieden
was ich am nächsten Tag in Mainz
vermissen werde, hier stimmt es noch: Die Chemie zwischen den
Musikern und dem Sänger
sie spielen sich die Bälle
einfach nur hin und her, Daniel fängt auf, was die Gitarristen
ihm hinwerfen, und die Gitarristen ihrerseits stellen sich ganz
in Daniels Dienste, wenn ihn mal wieder die Lust am Improvisieren
überkommt
.
Foto: Evi Broäter
Das Ganze wird so frisch und natürlich präsentiert,
dass man fast vergessen möchte, dass man einem durchstrukturierten
Programm beiwohnt
. Genauso gut hätte dies eine erfolgreich
improvisierte, völlig spontane Jam-Session sein können
.
Besonders fällt mir Daniels absolute Konzentration auf.
Zu Proud Mary holt er sich eine Zuschauerin auf die
Bühne, und die Auserwählte macht ihre Sache sehr gut,
es ist wirklich ein Vergnügen, ihr und Daniel zuzuschauen,
wie sie sich gegenseitig umgarnen und umtanzen
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