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Kunterbuntes 6/11
November 2005
Größenwahn reloaded
"Der einzige Grund, warum sich Oasis nie aufgelöst haben, ist, dass Liam und ich Brüder sind. Brüder können sich nicht trennen, das ist unmöglich." Noel Gallagher, 2005
Oasis sind wieder da: Die großspurigste Band der Neunziger, die Hype zu einer eigenen Kunstform gemacht hat, wagt sich, mehr als 10 Jahre nach ihrem Debütalbum, wieder mit einem neuen Album "Don´t Believe The Truth" ins Rampenlicht. Und nimmt den Mund so voll wie immer.
Leise Töne waren noch nie die Spezialität der Gallagher-Brüder. Als sie 1994 ihre ersten Songs veröffentlichen wollen, sind sie sich einig, dass sie auf keinen Fall Demos zu Plattenfirmen schicken werden. Sie sind so gut, die Plattenfirmen sollen zu ihnen kommen. Vermutlich zu ihrer eigenen Überraschung, geht der Plan auf: Alan McGee nimmt sie bei dem legendären Label "Creation" unter Vertrag. Schon das Debütalbum "Definitely Maybe" (1994) wird mit einem medialen Paukenschlag veröffentlicht und die Hitsingle "Wonderwall" erobert kometenhaft die Charts. Der kraftvolle, unbekümmerte Retro-Rock aus Manchester trifft in einer Zeit, in der sich die britische Musikszene in einem Dornröschenschlaf befindet, voll ins Schwarze. Damals wissen Oasis und ihr ewiges Yin, die Konkurrenten Blur, noch nicht, dass sie stilprägend für das gesamte Genre Britpop werden sollen.
Überhaupt ist es schwer, über Oasis zu schreiben, ohne Blur zu erwähnen. Der von den Medien inszenierte Konkurrenzkampf hält über Jahre hinweg die Musikpresse in Atem. Auf der einen Seite die intellektuellen, experimentellen Blur, die mit unterkühltem Sound und komplexen Arrangements punkten, auf der anderen Seite der krachende, nostalgische Gitarrensound von Oasis, die keinen Krawall scheuen, um sich in Rockstarposen zu sonnen und sich mit Drogen- und Alkoholexzessen auf die Titelseiten zu drängen. Niemals kann in dieser Zeit eine der Bands erwähnt werden, ohne verglichen zu werden. So sehr werden Oasis im Medienhype zwischen Blur und ihren eigenen Skandalen zerrieben, dass fast in Vergessenheit gerät, was "Definitely Maybe" ist – ein richtungsweisendes Album mit mitreißenden, hymnischen Songs von Noel Gallagher. Trotzdem schaffen sie es nur ein Jahr später, ein Album herauszubringen, das "Definitely Maybe" in nichts nachsteht. Mit "(What´s The Story) Morning Glory" gelingt Oasis auch der internationale  Durchbruch.  Doch  schon  bei  der  darauf
folgenden Tour zeichnet sich ab, dass die Sucht nach medialer Aufmerksamkeit und die Drogenexzesse der Gallagher-Brüder ihre Schatten auf die Band werfen. Zum ersten Mal zerstreiten sich Noel und Liam Gallagher und die Tour muss abgebrochen werden. Das soll nur eine von vielen, ermüdend in der Öffentlichkeit ausgetragenen Streitigkeiten werden. Das Muster wiederholt sich mit "Be Here Now"(1997) und "The Masterplan"(1998). Obwohl die Alben sich musikalisch  durchaus  nicht  vor ihren Vorgängern verstecken brauchen, brechen die Umsätze ein. Oasis hatten in den vergangenen Jahren sich vor allem darauf verlegt, der Öffentlichkeit auf die Nerven zu gehen. Die verdreht die Augen und wendet sich ab. Niemand will mehr von einer erneut abgebrochenen Tour lesen, niemand interessiert sich dafür, dass einer der Brüder einmal wieder über den anderen lästert, niemand interessiert sich mehr für den aktuellen Kokainskandal. Oasis sind 1998 an einem toten Punkt angekommen, wo sie ihrem eigenen Hype zum Opfer gefallen sind. Sie sind die bekannteste Band Großbritanniens, aber ihr Album liegt im Regal wie Blei. Noch zweimal soll sich das Muster wiederholen. Im Jahr 2000 veröffentlichen Oasis "Standing On The Shoulder Of Giants" und geraten wieder mit einer abgebrochenen Tour in die Schlagzeilen. "Where Did It All Go Wrong" singt Noel auf dem Album in seltener Selbstreflexion. Im Jahr 2002 erscheint "Heathen Chemistry", das erste Album, auf dem sich Liam Gallagher als Songwriter versucht. Anstatt mit dieser Nachricht bringt sich die Band lieber mit einer Schlägerei, in der Hotelbar des Bayerischen Hofs, in die Schlagzeilen. Doch anstatt als wilde Rockstars gehandelt zu werden, werden die Gallagher-Brüder damit zur Lachnummer, als sich Liam Gallagher, zweier Schneidezähne verlustig, vor einem Münchener Amtsgericht verantworten muss.
Fast drei Jahre später wagen sich Oasis mit „Don´t Believe The Truth“ wieder auf die Bühne. Der Titel wirkt beinahe wie ein ironischer Abgesang auf den Medien-hype und die unzähligen inszenierten und echten Skandale, die die Bandbiographie als harte Schlaglichter überschattet haben. Die alten Strukturen sind aufgelöst. Die früheren Konkurrenten Blur, haben sich mit ex-perimentellen Projekten vom klassischen Britpop fortent-wickelt. Längst haben Bands wie Mando Diao und Franz Ferdinand die vakanten musikalischen Nischen über-nommen, junge, wilde, unbekümmerte Bands, die im Zeit-alter der Postmoderne nichts Neues kreieren können, aber es schaffen, dass die Versatzstücke von gestern er-frischend und innovativ klingen.  Oasis sind nun 10  Jahre
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