Größenwahn reloaded
"Der einzige Grund, warum sich Oasis nie aufgelöst haben, ist, dass Liam und
ich Brüder sind. Brüder können sich nicht trennen, das ist unmöglich." Noel Gallagher, 2005
Oasis sind wieder da: Die großspurigste Band
der Neunziger, die Hype zu einer eigenen Kunstform gemacht hat,
wagt sich, mehr als 10 Jahre nach ihrem Debütalbum, wieder mit einem
neuen Album "Don´t Believe The Truth" ins Rampenlicht. Und nimmt
den Mund so voll wie immer.
Leise Töne waren noch nie die Spezialität
der Gallagher-Brüder. Als sie 1994 ihre ersten Songs veröffentlichen
wollen, sind sie sich einig, dass sie auf keinen Fall Demos zu Plattenfirmen
schicken werden. Sie sind so gut, die Plattenfirmen sollen zu ihnen
kommen. Vermutlich zu ihrer eigenen Überraschung, geht der Plan
auf: Alan McGee nimmt sie bei dem legendären Label "Creation" unter
Vertrag. Schon das Debütalbum "Definitely Maybe" (1994) wird mit
einem medialen Paukenschlag veröffentlicht und die Hitsingle "Wonderwall"
erobert kometenhaft die Charts. Der kraftvolle, unbekümmerte Retro-Rock
aus Manchester trifft in einer Zeit, in der sich die britische Musikszene
in einem Dornröschenschlaf befindet, voll ins Schwarze. Damals wissen
Oasis und ihr ewiges Yin, die Konkurrenten Blur, noch nicht, dass
sie stilprägend für das gesamte Genre Britpop werden sollen.
Überhaupt ist es schwer, über Oasis zu schreiben, ohne Blur zu erwähnen. Der
von den Medien inszenierte Konkurrenzkampf hält über Jahre hinweg
die Musikpresse in Atem. Auf der einen Seite die intellektuellen,
experimentellen Blur, die mit unterkühltem Sound und komplexen Arrangements
punkten, auf der anderen Seite der krachende, nostalgische Gitarrensound
von Oasis, die keinen Krawall scheuen, um sich in Rockstarposen
zu sonnen und sich mit Drogen- und Alkoholexzessen auf die Titelseiten
zu drängen. Niemals kann in dieser Zeit eine der Bands erwähnt werden,
ohne verglichen zu werden. So sehr werden Oasis im Medienhype zwischen
Blur und ihren eigenen Skandalen zerrieben, dass fast in Vergessenheit
gerät, was "Definitely Maybe" ist – ein richtungsweisendes Album
mit mitreißenden, hymnischen Songs von Noel Gallagher. Trotzdem
schaffen sie es nur ein Jahr später, ein Album herauszubringen,
das "Definitely Maybe" in nichts nachsteht. Mit "(What´s The Story)
Morning Glory" gelingt Oasis auch der internationale Durchbruch.
Doch schon bei der darauf
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folgenden Tour zeichnet sich ab, dass
die Sucht nach medialer Aufmerksamkeit und die Drogenexzesse der Gallagher-Brüder
ihre Schatten auf die Band werfen. Zum ersten Mal zerstreiten sich
Noel und Liam Gallagher und die Tour muss abgebrochen werden. Das
soll nur eine von vielen, ermüdend in der Öffentlichkeit ausgetragenen
Streitigkeiten werden. Das Muster wiederholt sich mit "Be Here Now"(1997)
und "The Masterplan"(1998). Obwohl die Alben sich musikalisch durchaus
nicht vor ihren Vorgängern verstecken brauchen, brechen
die Umsätze ein. Oasis hatten in den vergangenen Jahren sich vor allem
darauf verlegt, der Öffentlichkeit auf die Nerven zu gehen. Die verdreht
die Augen und wendet sich ab. Niemand will mehr von einer erneut abgebrochenen
Tour lesen, niemand interessiert sich dafür, dass einer der Brüder
einmal wieder über den anderen lästert, niemand interessiert sich
mehr für den aktuellen Kokainskandal. Oasis sind 1998 an einem toten
Punkt angekommen, wo sie ihrem eigenen Hype zum Opfer gefallen sind.
Sie sind die bekannteste Band Großbritanniens, aber ihr Album liegt
im Regal wie Blei. Noch zweimal soll sich das Muster wiederholen.
Im Jahr 2000 veröffentlichen Oasis "Standing On The Shoulder Of Giants"
und geraten wieder mit einer abgebrochenen Tour in die Schlagzeilen.
"Where Did It All Go Wrong" singt Noel auf dem Album in seltener Selbstreflexion.
Im Jahr 2002 erscheint "Heathen Chemistry", das erste Album, auf dem
sich Liam Gallagher als Songwriter versucht. Anstatt mit dieser Nachricht
bringt sich die Band lieber mit einer Schlägerei, in der Hotelbar
des Bayerischen Hofs, in die Schlagzeilen. Doch anstatt als wilde
Rockstars gehandelt zu werden, werden die Gallagher-Brüder damit zur
Lachnummer, als sich Liam Gallagher, zweier Schneidezähne verlustig,
vor einem Münchener Amtsgericht verantworten muss.
Fast drei Jahre später wagen sich Oasis
mit „Don´t Believe The Truth“ wieder auf die Bühne. Der Titel wirkt
beinahe wie ein ironischer Abgesang auf den Medien-hype und die
unzähligen inszenierten und echten Skandale, die die Bandbiographie
als harte Schlaglichter überschattet haben. Die alten Strukturen
sind aufgelöst. Die früheren Konkurrenten Blur, haben sich mit ex-perimentellen
Projekten vom klassischen Britpop fortent-wickelt. Längst haben
Bands wie Mando Diao und Franz Ferdinand die vakanten musikalischen
Nischen über-nommen, junge, wilde, unbekümmerte Bands, die im Zeit-alter
der Postmoderne nichts Neues kreieren können, aber es schaffen,
dass die Versatzstücke von gestern er-frischend und innovativ klingen.
Oasis sind nun 10 Jahre
Fortsetzung
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