Das kleine Gerücht
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„Ja und warum bisd dann drodzdem do?“ wunderte sich Daniel.„Weil du
der Küblböck bist und ich dich gern kennen lernen wollte, bevor ich
in die Medienwelt hinausgehe,“ sagte das kleine Gerücht. Es klingelte.
„Woad amoi, mia schmaz ma glä wäda!“ rief Daniel und rannte zur Tür.
Er öffnete am Tisch seinen Pizzakarton, stellte
die Küchenpapierrolle dazu und machte sich ein Bier auf: „Mogsd
a a Bia und a Pizza?“ fragte er das kleine Gerücht.
„Nein, danke,“ antwortete es, „ich leiste dir aber gern noch eine
Weile Gesellschaft.“
„Ja, du hosd ma a no mehr zum erklärn,“ nuschelte Daniel mit vollem
Mund. „Ja, weißt du, das ist so: wir Gerüchte hocken alle zusammen
in der Gerüchteküche und wir bekommen mit, wenn wir gebraucht werden,
also wenn ein Schreiber etwas schreiben möchte, aber eigentlich nichts
weiß, dann setzen wir uns still und heimlich in eine seiner Gehirnwindungen,
machen ein bisschen Zauber um seine Wahrnehmung – und schon kann er
etwas schreiben!“
„Aso,“ meinte Daniel und nahm einen ordentlichen Schluck Bier, „und do kimmd dann meisdns a rechd
a Bledsinn assa.“
„Nein, nicht immer,“ widersprach das kleine Gerücht. „Dieser Journalist
hat in der Vergangenheit so viele Unwahrheiten über dich geschrieben,
so dass wir in der Gerüchteküche beschlossen haben, dass diesmal ich
mich bei ihm festsetze, denn ich bin ein freundliches Gerücht.“
„Des mechd i amoi dalem, dass iba mi a freindlichs Grüchd gibd,“
brummelte Daniel, während er an einer Pizza-Ecke abbiss.
„Du wirst sehen,“ lächelte das kleine Gerücht. „Ich muss jetzt gehen,
denn ich muss wachsen und gedeihen, damit ich bald in der BLÖD zu
lesen bin.“ Und schon war es verschwunden.
Daniel beschloss, weder Freunde anzurufen noch TV zu gucken, denn
anscheinend war er so gestresst, dass Kühlschrank, Sofa und sogar
ein Gerücht mit ihm Unterhaltungen führten. Er empfand sich als Fall
für’s sofortige Schlafengehen... Am nächsten Morgen klingelte das
Telefon. „Hast du schon die BLÖD gelesen?“ rief eine vertraute Freundesstimme.
„Naa, i bin grod ersd afkemma und han seadsam dramd,“, murmelte Daniel.
Ruckartig setzte er sich auf: das kleine Gerücht! Es wollte doch wachsen
und gedeihen und in der BLÖD zu lesen sein. Er zog sich irgendwas
an, schnappte Geld und Schlüssel und rannte zum Kiosk.
Tatsächlich, zwar ganz unten links, aber auf der Titelseite: KÜBLBÖCK:
SEINE HAUSHALTSGERÄTE UND MÖBEL SPRECHEN MIT IHM! „Des werd doch
assa zum kreagn sa, wos fiara Idiot so an Scheiß schräbd,“ dachte
er.
Natürlich bekam Daniel es bald heraus. Er lud den Idioten gleich zum
Exklusiv-Interview ein, um ihn selbst, seinen Kühlschrank und sein
Sofa zu interviewen. Der Journalist kam zusammen mit einem Fotografen.
Sie wittern also eine große Story, dachte Daniel. Die Pizzeria hatte
zu, aber er sah Tonio, wie er im Hinterzimmer Fernsehen guckte. „Kim
a moi zu mir her,“ bat er ihn grinsend. Tonio fand Daniels Wunsch
ungewöhnlich, dass er bei einem Interview dabei
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sein sollte, aber bitte, für so
einen lieben Nachbarn wie Daniel ging er eben mit in Daniels Wohnung.
Die Show begann. Daniel öffnete den Kühlschrank und begrüßte ihn:
„Hallou! Wae geht’s daran?“ Außer dem üblichen Kühlschrank-Summen
tat sich nichts. „Amend probiasd as amoi!“ schlug Daniel dem Journalisten
vor. Der öffnete den Kühlschrank und der brummte sofort empört los:
„Iiih, was hast du denn für eine widerliche Visage, wenn ich Lebensmittel
enthalten würde, würde ich jetzt kotzen!“ Der Fotograf hielt fasziniert
drauf und schoss ein Foto nach dem anderen, der Journalist schloss
entsetzt den Kühlschrank. Er war kalkweiß im Gesicht.
„Was ist denn los?“ fragten Daniel und Tonio.
„Ja, habt ihr nichts gehört?“ Die Stimme des Journalisten bebte,
seine Lippen zitterten. Der Fotograf schaute grau und still aus.
Daniel und Tonio schüttelten die Köpfe.
„Hosd ebbs gherd?“ Tonio zuckte mit den Schultern.
„Nein, nix, hast du gehört?“ „Naa,“ lächelte Daniel.
„S` Kanapee soi a gschmazd hom, stehd do in da Zädung!“ rief er und warf sich
in voller Länge darauf. Das Sofa machte nur ein normales Geräusch,
das jedes Sofa macht, wenn sich ein Mensch darauf wirft.
„Eidz hand Sie dro!“ forderte Daniel grinsend den inzwischen am ganzen
Körper zitternden Journalisten auf. Der setzte sich zaghaft darauf,
das Sofa brüllte: „Du Fettsack! Nimm ab, bevor du mir zu nahe kommst!“
Der Fotograf schoss eine Serie und der Journalist brach weinend zusammen.
Tonio nahm dem Fotografen die Kamera ab, griff Daniels
Telefon und verkaufte die Geschichte: „Habe toll Story mit gute
Freund Daniel als Held, dumme deutsche Journalist kommt in Klapsmüll,
weil hört reden Kühlschrank und Sofa – und grande Pizza Daniel speziale
von Tonio wird weltberühmt!“
Daniel ging ein bisschen abseits, um
noch etwas Ruhe zu haben, bevor sie alle kommen würden mit ihrem
Blitzlichtgewitter und den immer gleichen dummen Fragen. Da sah
er einen großen Kater auf einer Gartenmauer sitzen, der ihn unverwandt
anstarrte. Er hatte fast so runde Augen wie das kleine Gerücht.
„Wenn wir Gerüchte wahr werden, dürfen wir weiterleben,“ sagte der
Kater. „Du hörst mich jetzt zum letzten Mal sprechen. Mach’ es gut,
Daniel.“ Er verschwand von der Gartenmauer und Daniel hörte ihn an
einer Terrassentür maunzen und er hörte eine Frau sagen: „Ach du armes
hungriges Kätzchen,“ und wusste, dass das kleine Gerücht ein gutes
Zuhause als lebendes Wesen gefunden hatte.
Am nächsten Tag las er in der Zeitung, dass alle Leute die grande
Pizza Daniel speziale essen wollen und dass Tonio big im Business
ist. „Dann moa a ma amend doch a boor Tiefkühl-Pizzn ins Gfrierfach
doa,“ dachte er, „, wa mit ‚bring ich dir in 10 minuti’ gehd beim
Tonio eidz woi nix mea.“
Nina Dorfmüller · Beatrix Lemberger
Foto: © Endemol
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