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Gesellschaft & Medien 1/2
November 2007
Manipulation in der Familie
Als unfertiges Wesen betreten wir die Welt. Wir sind auf Hilfe angewiesen, um überleben zu können, um uns weiterentwickeln zu können. Diese Hilfe geben uns Eltern, Erzieher andere Erwachsene. Aber sie kümmern sich nicht nur um unser körperliches Wohlergehen, sondern auch um unser seelisches und auch geistiges. Sie beeinflussen unsere Meinungen, Einstellungen, unser Sozialverhalten, unseren Umgang mit Menschen, bewusst und unbewusst. Wir übernehmen teilweise ihre Moralvor-stellungen und Verhaltensweisen und auch ihre Ziele. Sie prägen uns, damit wir uns in der Gesellschaft, in der wir leben, zurechtfinden und uns auch einbringen können.
Das heißt nicht, dass wir nur ein Gefäß sind, gefüllt mit den Vorstellungen unserer Eltern, dass wir keine eigene Persönlichkeit haben. Zum einen geschieht vieles unbewusst, zum anderen werden wir auch von der Gesellschaft, Freunden, Partnern geprägt, von Erfahrungen, Erfolgen und Fehlern. Wir filtern die für uns angenehmsten und passendsten Ziele, entwickeln eigene Ideen und lernen Fehler zu vermeiden, Probleme zu beseitigen und neue Erfolge zu schaffen, das heißt: Unser Leben selbständig zu gestalten. Auch von Geschwistern oder Großeltern werden wir geprägt, manipuliert. Ältere Geschwister haben einen großen Einfluss auf die jüngeren. Die jüngeren Geschwister orientieren sich an ihnen, sehen sie oft als Vorbilder, ahmen deren Verhaltensweisen nach, übernehmen auch oft deren Meinungen, Einstellungen; dieses ist auch abhängig davon, wie gut die Beziehung unter den Geschwistern ist oder wie viel Zeit man miteinander verbringt, beispielsweise, wenn beide Elternteile berufstätig sind.
Diese bisher beschriebene Beeinflussung ist tagtäglich und in den meisten Familien anzutreffen, sie ist wichtig für unser selbständiges Leben und hilft uns, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Leider sind jedoch nicht alle Familienbeeinflussungen so positiv. Viele Familien manipulieren ihre Kinder für eigene Interessen und Wünsche ohne darauf bedacht zu sein, welchen Schaden sie damit in der Persönlichkeit des Kindes anrichten. Sie versuchen es in einer Abhängigkeit zu lassen, unterdrücken es und lassen es nicht erwachsen werden, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen, z.B. weiterhin zu "bemuttern", um diese Aufgabe nicht zu verlieren. Obwohl es bereits erwachsen ist, wird es in eine Kindheitsrolle gedrängt, z.B. schenken sie der Person noch Spielsachen oder sie wird ständig belehrt oder man achtet nicht deren Privatsphähre. So erhält man sich die Aufgabe, da das Kind unfähig ist, selbstständig zu agieren und jede Unterstützung von den Eltern benötigt. Mir ist aufgefallen, dass viele Mütter besonders ihre Söhne in diese Unselbständigkeit drücken und diese für sich den einfacheren Weg nehmen und diese Abhängigkeit beibehalten. Dieses wird auch der Ödipuskomplex genannt.
Aber welche Methoden werden eingesetzt, um diese Ziele zu erreichen? Sehr oft bedient man sich der emotionalen
Erpressung. Es gibt die sanfte-dominante Art. Eine Autorität kann offen sein, dann weiß man, was einen erwartet. Eine andere Form ist die verdeckte Autorität. Eine Formulierung der Mutter/des Vaters: "Ich weiß nicht, ob das wirklich gut für dich ist, was du vorhast" kann vom Stimmfall und Ausdruck her zu großen emotionalen Schwierigkeiten führen. Das Kind weiß, was das Elternteil will. Wenn es dessen Willen nicht erfüllt, dann bedient sich die Mutter/ der Vater erpresserischen Gefühlen, wie Niedergeschlagenheit, Depressionen, Migräne, den Herzschmerz oder die Schweigsamkeit. Die Autorität wird verdeckt ausgeübt, so bleiben die Spielregeln verborgen. Das Kind lebt in Unsicherheit, die Folge ist, dass es sich anstrengt, die Wünsche der Eltern zu erraten und sich dem anzupassen. Doch nicht ewig kann ein Mensch seine eigenen Wünschen zurückstellen und nur die der anderen erfüllen, dann wird er sich schuldig fühlen, weil er den Wünschen der Eltern nicht gerecht wurde. Gefühle können erpresserisch und terroristisch sein.
Im Falle einer offenen Autorität sind Auseinander-setzungen eher möglich. Man kann sich gegen Ansprüche zur Wehr setzen. Persönlichkeitsentwicklung wird auch stattfinden, wenn jemand lernt sich durchzusetzen, nach seinen eigenen festgesetzten Zielen strebt. Die verdeckte autoritäre Einschüchterung verhindert die Entwicklung von Eigenständigkeit, weil es zwangsläufig zu unklaren Beziehungen, Ängsten und Schuldgefühlen kommt. "Ich will doch nur dein Bestes." Wem ist dieser Satz nicht bekannt? Er wird oft benutzt, wenn es darum geht, in das Leben eines erwachsenen Sohnes oder Tochter hineinzuregieren. Es wird Bevormundung gerechtfertigt und vermeintlich entschuldigt. Oft hat er aber eine andere Bedeutung, als wir zuerst annehmen: "Ich will mein Bestes". Es fehlt das Vertrauen in die Eigenständigkeit des erwachsenen Kindes. Dieses Vertrauen wurde nie entwickelt, "Abnabelung" und Loslassen war nie wirklich vorgesehen. Die Reifung und die Autonomie wird dadurch verhindert. Die Angst vor Fehlern wird geschürt und die Abhängigkeit gefördert. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Eltern gebraucht werden und man ohne diese hilflos ist.
Benutzt wird auch oft der Satz: "Was habe ich nicht alles für dich getan!", der ein Appell ist, endlich etwas zurückzugeben. Der Gedanke, dass Kinder, weil sie versorgt und erzogen wurde, gegenüber den Eltern ein gewisse Verpflichtung haben ist richtig, es gibt jedoch den Eltern nicht das Recht, Anpassung und Gehorsam zu fordern oder mit dem Erzeugen von Schuldgefühlen zu erpressen. Sie haben vor allem nicht das Recht, ihr Kind emotional auszubeuten, es für ihre egoistischen Ziele zu missbrauchen. Auch der Satz, dass man es sehr lieb hat, wird eingesetzt, um es gefügig zu machen. Wer kann denn soviel Liebe zurückweisen. Die Liebe rechtfertigt in den Augen der Eltern das besitzergreifende Verhalten. Die Persönlichkeitsgrenzen werden überschritten und missachtet. Es wird dem Kind auch oft vorgeworfen, immer ein Problemkind gewesen zu sein, das man sich immer noch um das Kind kümmern muss.
   
 
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