Barack Obama – Hoffnung für Amerika ?
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abgeschlossen hatte. Bevor Obama überhaupt ein Studium aufnahm, war er also bereits mehr in der Welt herum gekommen, als Georg W. Bush es war, als er Präsident wurde (Bush hatte Mexiko und Israel kurz besucht, das war alles). Weit vom Selbstverständnis des typischen Amerikaners entfernt, dass es außer „God's own Country“ Amerika keinerlei lohnenswerte Erfahrungen in der Welt zu machen gibt, hatte Obama bereits verschiedene Kulturen am eigenen Leib erfahren, und sich innerhalb diverser Religionen bewegt: Der christlichen seiner weißen Mutter und seiner weißen Großeltern, der Stammeskultur seines schwarzen kenianischen Vaters, und nicht zuletzt der muslimischen Kultur im Indonesien seines Stiefvaters, einem den USA nicht gerade wohlgesonnenen Land. Dazu kam, dass Obama nicht in der für Afroamerikaner typischen schwarzen Umgebung aufwuchs, sondern seine Jugendjahre in der durch den relativen Wohlstand seiner Familie definierten Sicherheit der weißen Mittelschicht auf Hawaii. „Schwarz“ zu sein bedeutete für Obama also zunächst keinen Nachteil, außer dem, dass man für seine Umwelt etwas Besonderes darstellte. Auf Hawaii wurde ihm dennoch zum ersten Mal bewusst, dass er „anders“ war.
Zwei Jahre Studium in Kalifornien folgten, die Obama zum ersten Mal mit dem „richtigen“ Amerika in Kontakt brachten. Im Anschluss wechselte er nach New York, um dort Politikwissenschaften zu studieren. Hier lernte er schließlich den Alltag junger Schwarzer im Amerika der 80er Jahre kennen: Bis heute erzählt er im Wahlkampf oft davon, wie die Taxis an ihm vorbeifuhren, nur um wenige Meter später bei einem weißen Mann seines Alters bereitwillig anzuhalten, oder wie allein seine Anwesenheit in einem Fahrstuhl weiße Frauen dazu brachte, sich an ihre Handtaschen zu klammern. Wie schon in Kalifornien wurden auch die Jahre in New York für Obama zu einer Zeit, in der er sich selbst, seine Hautfarbe und seine Identität laufend hinterfragte. Hatte er in Kalifornien noch Zuflucht zu illegalen Substanzen genommen, so wählte er in New York einen anderen Weg, um seiner Sinnsuche Ausdruck zu verleihen: Er legte den Spitznamen „Barry“ ab, der ihn bis hierher begleitet hatte, und nannte sich fortan bei seinem richtigen Namen „Barack“. Arabisch-moslemischen Ursprungs, geht dieser Name auf seinen wunderheilend-stammesältesten Großvater zurück, er bedeutet „Der Gesegnete“.
Bereits während seines Studiums in New York hatte Obama es geschafft, einen gut bezahlten Job in einer Unternehmensberatung zu erhalten. Als man ihm nach seinem Abschluss an der Columbia University aufgrund seiner außerordentlichen Leistungen eine noch besser bezahlte Position anbot, lehnte er zum Schrecken seiner Förderer ab, und begab sich stattdessen nach Chicago. Obama, der bereits während seines Studiums vergeblich - zahlreiche Bewerbungen an Wohltätigkeitsorgani- sationen und lokale Initiativen überall in den USA geschickt hatte, wurde „community organizer“ in Chicago. Streetworker. Sozialarbeiter. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade 24 Jahre alt. Drei Jahre verbringt Obama dort, wo
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er sich Antworten auf seine Fragen nach dem Sinn des Lebens erhofft: Auf der Straße. Seine Aufgabe besteht unter anderem darin, Schwarze aus sozialen Brennpunkten zu organisieren, um sie später mit weißen Gruppen in den besseren Vororten zusammenzubringen, damit man gemeinsam gegen Fabrikschließungen vorgehen und die soziale Verantwortung lokaler Arbeitgeber einfordern kann. Die Erfolge, die Obama nach drei Jahren vorweist, sind gering: Eine Problemschule der South Side von Chicago bekommt endlich einen Schulpsychologen. Die Asbestböden in einem Sozialwohnungsbau werden ausgewechselt. Eine freiwillige Straßenreinigung hat er organisiert, und einen Nachbarschaftsdienst in einem Viertel mit hoher Kriminalität. Die Welt verändern kann er jedoch nicht: Obama stößt an Grenzen. An den Scheidepunkt, wo idealistisch geprägte Motivation auf wirkliche Macht stößt, die nach eigenem Gutdünken ihre Entscheidungen trifft. Macht, die auf gewachsenen Verbindungen beruht, auf der sozialen Stellung, auf der „richtigen“ Hautfarbe. Um seinen Wunsch, die gefühlten Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen zu beseitigen, Rasse und Hautfarbe einfach aufzulösen, verwirklichen zu können, benötigt Obama mehr als nur seinen Enthusiasmus als Streetworker. Und so verlässt er Chicago, um im Alter von 27 Jahren ein Studium der Rechtswissenschaften aufzunehmen. Nicht irgendwo, sondern in Harvard, der Kaderschmiede der Vereinigten Staaten von Amerika.
Drei Jahre lang studiert Obama in Harvard, und wird dort als erster Schwarzer zum Präsidenten der renommierten Fachzeitschrift „Harvard Law Review“ gewählt, was ihn zum ersten Mal in die nationalen Medien bringt. Nun beginnt eine rasante Karriere: Abschluss Summa Cum Laude in Harvard, danach arbeitet er ab 1993 in Chicago in einer auf Bürgerrechte spezialisierten Anwaltssozietät, lehrt nebenher noch Verfassungsrecht an der Chicagoer Universität. Ab 1992 ist er in der Landespolitik aktiv, er organisiert eine Kampagne zur Wählerregistrierung in der afroamerikanischen Gemeinschaft mit überragendem Erfolg und mobilisiert 150.000 Menschen. 1996 wird er in den Senat von Chicago gewählt. Als überzeugter linksliberaler Sozialpolitiker setzt er sich für Minderheiten und die Ärmsten der Armen ein, er erarbeitet unter anderem eine Gesetzesinitiative zur Unterstützung armer Arbeiterfamilien sowie von Menschen ohne Krankenversicherung, setzt sich für die Rechte von Homosexuellen ein und setzt eine Erhöhung der Mittel zur Bekämpfung von AIDS durch. Nach seiner Wiederwahl 2002 spricht er sich zusammen mit dem Bürgerrechtler Jesse Jackson gegen den Irak-Krieg aus, in einer Zeit, in der die Mehrheit der US-Bürger diese Aktionen „gegen den Terror“ befürworten.
Obama, der 1992 noch mit dem Traum nach Chicago gekommen war, dieser Stadt einmal als Bürgermeister vorzustehen, greift jetzt nach den Sternen. 2004 führt er den erfolgreichsten Wahlkampf eines Nicht-Amtsinhabers für einen Sitz im US-Senat, und darf auf der Democratic National Convention, der Hauptversammlung der Demokraten, in der auch über den Präsidentschaftskandidaten der Partei entschieden wird, die „key note“ halten, die Einführungsrede.
Fortsetzung
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