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Lustiges & Satire 3/4
Februar 2011
Die sieben Zwerge - einmal anders
Edeltraud, die wird bald wissen, dass du hier bist!“ Die Edeltraud aber, nachdem sie Kübi ganz heiser vom Jägermeister glaubte, dachte nicht anders, als sie wäre wieder die Allerbeste, trat vor ihren Spiegel und sprach:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer singt am schönsten im ganzen Land?“

Da seufzte dieser:
„Edeltraud, so glaubt es mir,
der Kübi über den Bergen
bei den sieben Zwergen
singt noch tausendmal schöner als Ihr.“
Da erschrak sie, denn sie wusste nun, dass der Jägermeister seine Wirkung verfehlt hatte und der Kübi noch immer fröhlich sang. Der Neid ließ ihr keine Ruhe und so sann und sann sie aufs Neue, wie sie ihn fertig machen wollte.
Und als sie sich endlich etwas ausgedacht hatte, verkleidete sie sich wie eine Krämerin - top gestylt natürlich - und ging über die sieben Berge zu den sieben Zwergen, klopfte an die Türe und rief: „Gute Ware feil - Schnürsenkel in allen Farben“ und holte ein Paar hervor, das aus bester Seide war. ‚Der coolen Frau kann ich etwas abkaufen', dachte sich Kübi und nahm das hübsche Paar Schnürsenkel. „Komm“, sprach die Frau, „ich will sie dir einmal ordentlich schnüren.“ Kübi hatte kein Arg, stellte sich vor sie und ließ sich mit den neuen Schnürsenkeln die Schuhe binden. Aber die Frau schnürte geschwind und verknotete beide Senkel so fest miteinander, dass der arme Kübi beim nächsten Schritt lang auf die Nase fiel. Die Frau lachte gehässig und eilte hinaus. Wie sie aber fort war, sprach der Kübi: „Wenn du einmal am Boden liegst, dann steh wieder auf“, schnitt die Schnürsenkel entzwei und sang lustig weiter! Als er zur Abendzeit den sieben Zwergen davon erzählte, sprachen sie: „Die Krämerfrau war niemand anderes als die gottlose Edeltraud. Hüte dich vor ihr, wenn wir nicht bei dir sind!“ Das böse Weib aber, als es nach Haus gekommen war, ging vor den Spiegel und fragte:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer singt am schönsten im ganzen Land?“

Da stöhnte der Spiegel:
„Edeltraud, Euren Gesang erträgt man nur mit Bier,
doch der Kübi über den Bergen
bei den sieben Zwergen
singt noch tausendmal schöner als Ihr.“
Als sie den Spiegel so reden hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn. „Der Kübi muss weg“, rief sie, „und wenn es mein eigenes Leben kostet!“ Darauf ging sie in eine ganz verborgene, einsame Kammer, wo niemand hinkam und machte da einen giftigen Apfel. Äußerlich sah er schön aus, weiß mit roten Backen, aber wer ein Stückchen davon aß, dem würde er im Halse stecken bleiben.
Als der Apfel fertig war, verkleidete sie sich abermals - diesmal wie ein fescher Bauersbua - ging so über die sieben Berge zu den sieben Zwergen und klopfte an die Tür. Doch diesmal wollte der Kübi niemanden einlassen. „Mir auch recht“, antwortete der Bauersbua, „meine
Äpfel will ich schon loswerden. Da, einen will ich dir schenken.“ „Lass ma bleiben, is okay“ antwortete Kübi. „Fürchtest du dich vor Gift?“ sprach der Bua. „Siehst du, ich schneide den Apfel in zwei Teile; den roten Backen iss, den weißen will ich essen.“ Der Apfel war aber so gemacht, dass der rote Backen allein vergiftet war. Kübi lüsterte den schönen Bua ... ähm ... Apfel an und als er sah, dass dieser davon aß, konnte er nicht länger widerstehen, streckte die Hand hinaus und nahm die giftige Hälfte. Kaum aber hatte er einen Bissen davon im Mund, so fiel er reglos zur Erde nieder. Da betrachtete Edeltraud ihn mit grausigen Blicken und lachte überlaut und sprach: „Weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz! Nicht einmal die Zwerge können dich wieder erwecken.“ Und als sie daheim den Spiegel befragte:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer singt am schönsten im ganzen Land?“

so antwortete er diesmal:
„Spieglein.exe hat Fehler verursacht und wird geschlossen“
Die Zwerglein, wie sie abends nach Haus kamen, fanden ihren Kübi auf der Erde liegen und es ging kein Ton mehr aus seinem Mund. Sie hoben ihn auf und suchten, ob sie was Giftiges fänden, schnürten alles auf, wuschen ihn mit Wasser und Wein, aber es half alles nichts; der liebe Jüngling rührte sich nicht mehr. Da setzten sie sich um ihn herum und weinten sieben Tage lang. Doch konnten sie ihn nicht begraben, denn er sah noch so frisch aus wie ein lebender Mensch und hatte noch seine schönen, roten Ohren. So ließen sie also einen durchsichtigen Sarg aus Glas machen, dass man ihn von allen Seiten sehen konnte, legten ihn hinein und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf und dass er ein wundervoller, ganz besonderer Sänger wäre. Dann setzten sie den Sarg an die schönste Stelle ihres Schrebergartens und einer von ihnen blieb immer dabei und bewachte ihn. Die Nachricht aber sprach sich rum und bald kamen jeden Tag viele Leute aus dem ganzen Land, um den wunderbaren, ganz besonderen Sänger zu sehen und alle, die kamen, beweinten ihn.
Nun lag Kübi lange Zeit so da und sah doch aus, als wenn er nur schliefe, denn er war noch so weiß wie Schnee, die Ohren so rot wie Blut und das Haar (fast) so schwarz wie Ebenholz. Es geschah aber, dass der Chefredakteur einer großen, überregionalen Zeitung an die Story geriet und wie er den Sarg mit den schönen Kübi darin sah und las, was mit goldenen Buchstaben darauf geschrieben stand, sprach er zu den Zwergen: „Lasst mich Exclusivfotos machen von dem wunderbaren, besonderen Sänger im gläsernen Sarg - ich will die Story groß raus bringen und dafür sorgen, dass der schöne Jüngling unvergessen bleibt.“ Die Zwerglein waren einverstanden und hoben den Sarg, um ihn ins rechte Licht zu rücken. Doch geschah es, dass sie über einen Strauch stolperten und von dem Erschüttern fiel das giftige Apfelstück, das Kübi abgebissen hatte, aus dem Hals. Da öffnete Kübi die Augen, richtete sich auf und war wieder ganz lebendig!
 
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