Gedanken zum Tod von Julia Boenisch
Es gibt Menschen, die uns viel bedeuten und denen wir vorbehaltlos vertrauen – selbst wenn wir ihnen nie persönlich begegnet sind. Die, wenn sie nicht mehr da sind, eine schmerzliche Lücke hinterlassen. Die so schwer zu ersetzen sind, weil es von ihnen leider nicht allzu viele gibt.
Was macht diese Menschen zu so etwas Besonderem?
Ich denke, es ist ihr absoluter Wille zum Guten, der durch alles, was sie anpacken, hindurch scheint, und der immer stärker ist als ihre anderen, weniger selbstlosen Beweggründe.
Seit Montag, 10. Mai 2004, 7:43 Uhr, steht im Forum von www.danielwelt.de: Julia Boenisch ist tot.
Julia Boenisch ist tot??? DIE Julia Boenisch? Die Worte gefrieren in Seele und Verstand. „Das KANN doch nicht sein! Bitte, lass das nicht wahr sein!“, ist alles, was an Gedanken noch denkbar ist. Herz und Hirn sind klaffende Löcher, die sich rasch mit Fassungslosigkeit füllen. Schockzustand…
Julia Boenisch, die Journalistin, die gemeinsam mit Daniel Küblböck den so berührenden, aber nicht rührseligen Ton in dessen Autobiografie „Ich lebe meine Töne“ zu Papier brachte, lebt nicht mehr – der Mensch, dem Daniel vollkommen vertraute, mit dem er für das Buch seine Kindheit aufarbeitete und der ihm zur Seite stand, als er dabei durch ungeheuer schmerzliche Momente ging … Selbst wer sich nur annähernd vorstellen kann, welche Nähe die beiden miteinander verbunden haben muss, kann nachvollziehen, was es für Daniel bedeutet, dass diese Vertraute nun so plötzlich und tragisch sterben musste... an einer Streptokokkeninfektion bei einem Routinetermin im Krankenhaus. Mit nur 41 Jahren.
Ob als Chefreporterin für die Bild der Frau, als Kolumnistin bei der WELT AM SONNTAG oder als Buchautorin – Julia Boenisch schrieb nicht nur über die Menschen, sondern vor allem für sie: Als ihre Kollegen seinerzeit über Boris Becker lästerten, schrieb sie einfühlsam und differenziert über die Situation von Scheidungskindern, auch die der Beckers. Während die Medien keine Gelegenheit auslassen, etwas Negatives über Daniel Küblböck zu (er)finden, machte sie aus ihrer Wertschätzung für ihn nie einen Hehl. Sie stellte sich hinter ihn und versuchte mit ihren Artikeln unermüdlich, das gesellschaftliche Zerrbild von Daniel zurechtzurücken, indem sie seine reife, ernste, tiefgründige Seite schilderte, um ihm den verdienten Respekt zu verschaffen.
|
|
Ich habe diese geradlinige, charakterstarke, schöne, edle Frau auf der Frankfurter Buchmesse 2003 kennen lernen dürfen. Sie hatte eine wunderbare Ausstrahlung, ganz in sich ruhend, warmherzig, zentriert – wie ein Baum, an den man sich anlehnen möchte. Auch ich hätte ihr ohne Vorbehalte meine Lebensgeschichte anvertraut. Ja, sie war einer dieser besonderen Menschen, die den absoluten Willen zum Guten haben.
Und deshalb ist der Tod von Julia Boenisch auch auf einer höheren, nicht persönlichen Ebene ein großer Verlust für uns Menschen als Gemeinschaft, denn sie sprach sich offen für Toleranz, Mitgefühl, Respekt und überhaupt für Werte aus, auf die wir Menschen uns kollektiv wieder besinnen müssen, wenn es in 200 Jahren auf der Erde noch Menschen geben soll. Und sie ließ ihren Worten Taten folgen. Möge durch ihr Vorbild und ihre Wesensart so mancher Kollege beschämt zu Sinnen kommen und statt mit Zynismus und Ironie künftig lieber mit Herz und Verstand zur Tastatur greifen.
Julia Boenisch wird sehr fehlen – privat ihrer Familie und ihren Freunden, und öffentlich uns allen. |