IE: Herr Dr. Zierden, Sie sind Deutsch- und Geschichtslehrer und zudem Leiter des Literaturbüro Eifel sowie (Mit-)Veranstalter des Eifel-Literatur-Festivals, bei dem alljährlich hochkarätige Autoren zu Gast sind.
Am 5. 11.03 äußerten Sie sich in einem Interview gegenüber dem "Trierischen Volksfreund" auf die Frage: "Wissen Sie denn, wer Küblböck ist?" die zwar scherzhaft gemeinten, aber doch recht deutlichen Worte: "Klar. Küblböck. Ich sage immer Küblkotz, um die Schüler ein bisschen zu ärgern." Nachdem ein Aprilscherz auf Kosten Daniel Küblböcks, von dem es hieß, er werde im Rahmen des Eifel-Literatur-Festivals aus seiner Autobiografie lesen, zu einer wahren Flut an positiver Resonanz geführt hat, haben Sie sich aber relativ schnell und vorbehaltlos für eine Veranstaltung mit Daniel entschieden. In der Folge haben Sie selbst ansatzweise das kollektive Mobbing - insbesondere der Medien - gegen Daniel aus anderer Perspektive, aus der des Veranstalters, welcher sich nun für Daniel einsetzt, erfahren. Wie kam es zu diesem, zweifellos erfreulichen, Sinneswandel?
Dr. Zierden: Ich beziehe mich einmal auf diese Anfangsäußerung, das ist in der Tat mein mentaler Stand vom Herbst 2003, bei dem Gespräch ging es um einen Rückblick auf das gesamte Festival, mit allen Highlights, die wir hatten, und da hat die Frage nach Daniel Küblböck gepasst, wie die Faust aufs Auge. Das war eine Meinung, die vom damaligen Medienbild geprägt war. Ich habe immer mal mit halbem Auge "Deutschland sucht den Superstar" geguckt, das Ganze aber nur bruchstückhaft, war aber im Wesentlichen wirklich immer nur mit der Medienmeinung konfrontiert, dass da einer auftritt, der im Grunde nicht singen kann, oder was auch immer. Ich habe allerdings in der Fortführung dieses Zitates eine Brücke gebaut, dass ich mir vorstellen könnte [Daniel Küblböck zum Festival einzuladen], wenn meine Tochter das wollte - also, so eine Brücke hatte ich schon gebaut. Dieses Zitat habe ich sehr oft um die Ohren geschlagen gekriegt, aber von Leuten, die den Auftritt von Daniel eigentlich verhindern wollten und sagten: "Komischer Mensch, im Herbst hat er das gesagt, jetzt sagt er das."
Positiv gesehen habe ich, so wie die Fans einen äußeren weiten Weg hinter sich gebracht haben - einen sehr weiten bis zu diesem Termin - einen weiten inneren Weg hinter mir. Räumlich gesehen bin ich gerade um die Ecke gekommen an diesem Freitag, aber innerlich war es ein sehr, sehr weiter Weg, also eine dicke, lange Autobahnstrecke. Ich hatte mich bis dahin, nach der Zufälligkeit des Aprilscherzes, intensiver mit diesem Buch befasst, und dieses Buch ist für mich eigentlich der letzte Ausschlag gewesen für meine Entscheidung.
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Wenn dieses Buch meiner Prüfung nicht standgehalten hätte, dann hätte ich gesagt, das Interesse der Fans ist ja schön und gut, aber das kann irgendjemand anderes in Deutschland machen, das muss ich dann nicht machen.
Also, wenn das jetzt ein buntes Fanbilderbuch gewesen wäre, mit geistigem Fast Food, zwei, drei Kurzsätzen nur, dafür hätte ich mich nicht hergeben müssen. Wenn es so wäre, wie mir die Kölnische Rundschau unterstellt hatte, dass es mir nur um Publicity ging, dann hätte mir das schlichtweg egal sein müssen. So ist es aber nicht.
Worauf ich also meine Argumentation heute beziehe, ist zum Einen das Buch und natürlich der Inhalt. Über die Lektüre ist mir die schwierige Kindheit und Jugend von Daniel näher gekommen, und ich sehe, dieses Buch kann, a) Leuten Mut machen, erst recht in diesem Alter, über Schwierigkeiten hinweg immer noch Träume und Ziele zu verfolgen und b) kann es Leute hinführen zum Buch. Für mich waren mit die schönsten Momente zu sehen, wie zwei Kinder vorne vor der Bühne ganz aufmerksam im Buch blätterten und immer guckten, wo liest der Daniel jetzt gerade. Und wenn ich mir das überlege: Das sind Leute, die haben stundenlange Autofahrten hinter sich, die haben anschließend eine stundenlange Wartezeit hinter sich und überstehen, ohne dass irgendein Notendruck, irgendein Lehrer dahinter steht, aus innerer Begeisterung diese Veranstaltung. Das sind also für mich innerlich die schönsten Bilder aus dem Fanpublikum, die ich in Erinnerung habe: die jungen, lesenden Augen in diesem Saal. Das heißt also, es war nicht nur irgendwo rhetorisch begründet, dass wir Leute ans Buch heranführen können.
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