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Aktuelles/Kommentare 20/20
November 2005
Wer ist der König des Kommerz?
Menschlichkeit einsetzen, andere Menschen zu einem weltoffenen und humanistischen Denken überzeugen. Diesen Einsatz für linkes Denken und Handeln haben wir, blind und borniert wie linke Erben oft sind, nicht erkannt. Stattdessen haben wir (Gert und Peter Möbius) gemeinsam mit dem kapitalistischen Großverlag SONY Daniel Küblböck per gerichtlicher Verfügung untersagt, Rios Song „König von Deutschland“ für sein Anliegen textlich zu verändern. Schade aber auch.
Mir tut es auch leid, lieber Gert und lieber Peter Möbius! Denn auch ich habe Euch verkannt. Wähnte ich Euch doch in der direkten Nachfolge der edlen linken Kampfgenossen gegen Kapital und selbstherrliche Bereicherung! Auch ich hatte daran geglaubt, dass Lieder einzig zur Freude dienen sollten, und zwar derer, die sie singen genauso wie derer, die ihnen gebannt lauschen. Ich war der kindischen Überzeugung, dass ein Song ein Ausdruck der Lebenssituation des Sängers sein sollte, eine Momentaufnahme seiner Gefühle, die er seinen Zuhörern verständlich machen will. Und ich war auch der Meinung, dass die Bewahrung des Erbes eines verstorbenen Sängers insbesondere darin liegen sollte, seine Sichtweise der Dinge auch nachfolgenden Generationen zu ermöglichen.
Bei meinen Recherchen stieß ich nicht nur auf das Rio-Reiser-Haus, welches Ihr großmütig und natürlich völlig uneigennützig vermietet, natürlich gegen einen nicht unerheblichen Unkostenbeitrag. Ich stieß auch auf zwei so genannte „Familienalben“, in denen Ihr diverse deutsche Rock- und Popgrößen versammelt habt, die Rio-Reiser-Songs covern. Die erste Zusammenstellung, von der Kritik recht positiv bedacht, erschien 2003 und enthielt Sänger und Bands wie Fehlfarben, die Söhne Mannheims, Fettes Brot und Marianne Rosenberg. Sie enthielt ebenfalls die bereits erwähnte Coverversion von „König von Deutschland“ von Gutmensch und Regimekritiker Ferris MC.
Das Rio-Reiser-Familienalbum Nummer zwo – mit nicht gar so guten Kritiken bedacht - erschien vor knapp einem Monat am 15. Oktober 2005. Völlig uneigennützig, versteht sich. Oder verbrät hier doch jemand auch noch das Allerletzte, was aus dem Erbe von Rio Reiser noch zu reißen ist? Indem er den Spagat schafft zwischen Reinhard Mey und Annett Louisan auf EINEM Sampler? Auf den jemand wie Daniel nach Euren Gesichtspunkten einfach nicht passt?
Nun gut, wir verstehen jetzt, warum einem Daniel Küblböck das songrechtliche Leben – mal wieder – zur Hölle gemacht werden musste. Wer selbst gerade den letzten Rahm abschöpft, gönnt natürlich keinem anderen die Butter aufs Brot. Schon gar nicht, wenn dieser so gar keine edlen Ziele auf sein neues Konzept geschrieben hat. Wenn dieser zwar ein Faible für Edmund Stoiber hegt, weil der auch aus Bayern kommt, ihn Politik aber nicht wirklich interessiert, sondern eher neue Bands wie „Tokio Hotel“. Der Symbole benutzt, deren zeitgemäße Aussagen ihm wahrscheinlich so unbekannt sind wie das Urheberrechtsgesetz.   Der   mit   seiner   Musik   dennoch
unzählige Menschen erreicht, die ihn lieben für das, wofür er steht: Die Freude daran, sich selbst zu verwirklichen. Im Wandel seiner sich ständig entwickelnden Persönlichkeit, weil Entwicklung ein Fortschreiten ist und Stagnation ein Rückschritt. Und weil im Zuge dieser Entwicklung, der wir alle ausgesetzt sind, die Liebe zu sich selbst genauso wie der Hass ihre Existenzberechtigung haben.
Und dies nicht um jeden Preis.
Corinna Kahl
Recherche: Alex Heinrichs, Christian Wanderer
Lieber Rio,
mal ganz ehrlich: Findest du das Theater um Daniel Küblböcks Coverversion von deinem Song "König von Deutschland" nicht auch ziemlich lächerlich?
Was haben sie sich aufgeregt, deine Erben, deine Fans, RTL, Viva und der Rest der lieben Nation. Daniel Küblböck vergreift sich an Rio Reisers Kult-Song! Rio würde sich im Grabe umdrehen! Mal abgesehen davon, dass du hoffentlich dein Grab längst gegen ein Plätzchen in schöneren Gefilden eingetauscht hast: Die Geschichte mit dem Grab hat Daniel ja selbst aufgegriffen, ziemlich witzig und selbstironisch übrigens, in seinem Video. Aber das war deinen Fans und Erben und den anderen Kulturhütern ja auch nicht recht.
Jetzt muss der frischgebackene König von Deutschland also Robert Lemke und Paola rumschleppen, statt mit Seal und Stefan Raab zu flirten. Nur weil deine Erben verschnupft waren. Sex in the City fällt flach, Angela Merkel darf nicht zum Schönheitswettbewerb antreten und Königsbarde Alexander Klaws muss auch draußen bleiben. Und statt den Pochi muss Daniel nun den Ronnie in die Waden beißen. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass die noch genießbar sind.
Gut, gut. War nicht so wirklich korrekt, den Text umzustricken ohne Erlaubnis. Aber hätten die Spaßbremsen nicht mal ein Auge zudrücken können? Wenn ich mir auf www.riocover.de die Liste anschaue mit den über 60 Coverversionen von "König von Deutschland", von den "Assholes" über "DJ Edelweiss und die Tiroler Alpenhosen" und den "Knabenchor Omnibus" bis zu "Wickie und die starken Männer" (durften die eigentlich alle?), dann macht Daniels Version den Kohl doch wohl nicht mehr fett.
Ich könnte mir vorstellen, dass du mit Daniel als Nachfolger auf dem Königsthron gar nicht solche Probleme hättest. Der hat nämlich seinen eigenen Kopf. Schert sich nicht darum, was die Leute von ihm denken. Ich glaube, dir würde der gefallen. Okay, Daniel findet Merkel und Stoiber gut. Da wäret ihr vermutlich nicht einer Meinung. Ich habe allerdings den Verdacht, dass Daniels Schwäche für die beiden vor allem damit zu tun hat, dass er die Angie für einen Mann und den Edmund für ein bisschen schwul hält. So gesehen ist das doch eigentlich verzeihlich. Oder?
Übrigens, am 11. November bringt Daniel sein neues Album raus. "Liebe Nation". Hör mal rein, es lohnt sich bestimmt! Herzlichst,
Barbara Bumm
 
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