Wer ist der König des Kommerz?
Fortsetzung von Seite 18
Die bekanntesten stammen von Ferris MC, von der Blödel-Metallern JBO – und, man höre und staune, von Rio Reiser selbst. Und nur am Rande sei hier bemerkt, dass ALLE DREI dieser genannten Coverversionen den ursprünglichen Song textlich an ihre eigenen Zwecke angepasst hatten.
Ferris MC hätte zum Beispiel George Bush gern mal in den Hals geschissen (nun gut, wer würde dies nicht gern tun – und klingt dies nicht wahrhaft revolutionär? Gutes Benehmen und postmoderne Kritik am bestehenden System gingen noch nie völlig konform). Der gute Ferris geht in seiner Version aber noch weiter, indem er Jeanette Biedermann, eine nicht ganz talentfreie Sängerin, von der Brücke springen lässt und Oli P. gleich ganz das Singen verbietet. Gekauft – auch das kann man verstehen. Zumindest, solange man kein Jeanette-Fan oder Oli-P-Anhänger ist. Auch dies soll vorkommen.
JBO dagegen fuhren in ihrer Version gleich ganz andere Geschütze auf, und forderten Kristiane Backer (kennt die überhaupt noch jemand?) zum Duett, gleichzeitig färbten sie die deutsche Flagge in Schwarz-Rosa-Gold um. Löblich!
Mit solchen Kleinigkeiten gab sich der König selbst natürlich nicht ab, als er sich zwei Jahre vor seinem Tod (und die Gründe für diese Aktion seien – auch wenn durchaus offensichtlich – einmal gnädig dahingestellt) dazu entschloss, seinen eigenen Hit 1994 noch einmal neu aufzunehmen. Rio nahm diesmal die für ihn vielleicht nicht ganz schlüssigen Folgen des Zusammenbruchs der DDR gezielt aufs Korn, was sich im Text wie folgt niederschlägt:
Ich könnt mir alles erlauben, könnt mir alles leisten,
würd Birgit Broiler mal wie Waldi in die Treuhand beißen
(…)
Ich würd die Prinzen täglich wechseln, würde sie zweimal baden
(…)
Bei der Bundeswehr gäb es nur noch Hanfgranaten
Und die „Birne“, die hätte er gern einmal aus der Fassung gebracht. Kein Wunder, dass ihn die „Zeitung für linke Debatte und Praxis“ im April 2000 posthum folgendermaßen hochstilisierte:
In seinen Liedern steckt etwas Grenzen überschreiten-des, etwas, dass nach einem gesellschaftlichen Aufbruch, Umbruch - nach einer neuen Welt sucht. Eine neue Welt, die viele Linke im Westen in den 70er Jahren suchten und die in den 90er Jahren die Menschen in der DDR erträumten. Die Rede ist von Rio Reiser, der wie kaum ein anderer deutscher Musiker und Linker voller Leidenschaft über die Verzweiflung in der Gegenwart und die Hoffnung auf eine gerechte Welt in der Zukunft sang.
Herrlich! Ein hehres Ziel, wie es sicherlich auch Ferris MC, JBO und die anderen 18 Coversänger bei ihren Textversionen vor Augen hatten! Dass da ein Daniel Küblböck nicht in die Liga passt, wird natürlich auch dem Dümmsten sofort klar. Da musste man einschreiten. Und so gaben Gert und Peter Möbius (die legitimen Erben von
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Rio Reiser, die dessen edle Gesinnung um jeden Preis zu bewahren sich auf ihre Fahnen schrieben) denn auch nur leicht süffisant (und auch nur leicht fehlerhaft) auf ihrer Homepage www.rio-reiser.de bekannt:
26.09.2005 23.40 Uhr
Liebe Angelika, lieber Erich und all Ihr lieben Anderen, die Ihr den letzten Tagen auf dieser Pinwand geschrieben habt: 1. Küblböck darf nach einer einstweiligen Verfügung vom Landgericht Berlin nur die alte Version vom König v. D. singen, dieses Urteil wurde auch von seinem Anwalt mittlerweile angenommen (unter uns, Küblböck wusste wahrscheinlich nicht, dass Rio seinen Song 1994 aktualisiert hat, nun muss er die alte 1985-Version mit Robert Lembke , Felix und Paolo als Schweizergarde singen).
Bleibt zu mutmaßen, ob Daniel mit der 94er Version, die zum Zeitpunkt ihres Erscheinens politisch gesehen bereits veraltet war, im Jahr 2005 besser gefahren wäre…
Rein rechtlich gesehen sind Rios Erben natürlich auf der sicheren Seite: Nach § 3. des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) sind Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes,
die persönliche, geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind, (…) wie selbständige Werke geschützt. Wohl darf nach § 24 UrhG ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden, allerdings darf nach § 39. der Inhaber eines Nutzungsrechts das Werk, dessen Titel oder Urheberbezeichnung (§ 10 Abs. 1) nicht ändern, wenn nichts anderes vereinbart ist. Und um die rechtliche Seite abzurunden sei noch kurz § 28. erwähnt: Das Urheberrecht ist vererblich.
Übersetzt und an unsere Situation angepasst: Rios Song „König von Deutschland“ ist geschützt, darf aber ohne Einverständnis des Rechteinhabers (Rio – oder eben seine Erben) gecovert werden, solange nichts verändert wird (dazu braucht es die Einwilligung des Rechteinhabers, also Rio bzw. seiner Erben). Daniel HAT verändert, und dies OHNE die Einwilligung von Rios Erben. Die einstweilige Verfügung hat also ihre Daseinsberechtigung.
An diesem Punkt sei gestattet, kurz hinter die Kulissen der Rio-Reiser-Erben zu blicken, die so unnachahmlich-bemerkenswert und so selbstreflexiv-ironisch Folgendes in ihrem Gästebuch zum Besten gaben, um zu begründen, warum zwar JBO, Ferris MC und andere Coversänger textlich veränderte Versionen von „König von Deutschland“ zum Besten geben dürfen – Daniel Küblböck aber nicht:
19.09.2005 15.00 Uhr
Es tut uns leid !!!
Wir haben Daniel Küblböck verkannt!
Leider zu spät erkennen wir, dass es Daniel um eine Aussage im Wahlkampf ging. Er wollte sich wie Rio Reiser für eine gerechte Gesellschaft, gegen Ausbeutung und Unterdrückung, für ein selbst bestimmtes Leben einsetzen. Er wollte nicht seinen Ego in den Mittel-punkt stellen, sondern seine Popularität für mehr
Fortsetzung
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