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Erlebnisberichte 11/19
Februar 2006
Ganz normal anders
Lieblingslied! Er erzählt ein bisschen schüchtern, dass es ihm eingefallen ist, als er einen Obdachlosen gesehen hat. Seine Schüchternheit, sein Tiefstapeln rührt mich richtig und er singt das Lied voller Leidenschaft und mit viel Herz. Zum Schluss wird er immer trauriger und leiser: „Ist denn niemand bereit für mich?“ Und in diesem Moment möchte ich fast weinen. Das passiert, wenn man so verwoben ist. Viel zu verwoben, denke ich manchmal. Auf alle Fälle ist in diesem Moment das vertraute Daniel-Feeling da: Mein Herz geht auf und wird groß wie ein Luftballon, alle Menschen in diesem Saal passen hinein!
Daniel Küblböck (Berlin 27.12.2005) / Foto: Im Endeffekt
Jetzt stört mich der Rucksack schräg vor mir kaum noch, der sich immer wieder hart in meine Seite bohrt. Mein Mann allerdings hat schon aufgegeben und steht weiter hinten. „Seltsam verbissen manche Leute hier“, wird er mir später erzählen. Als ich jetzt zu ihm gucke, breitet er grinsend die Arme aus. Genau, wir düsen inzwischen mit den Aliens durchs Weltall. Ich sehe Anderle, die ganz verklärt aussieht und die Hand auf dem Herzen hat. Ich tausche einen Blick mit Bea und weiter vorn wippt das rote Kopftuch von Ghani, Lady schmeißt ihre Haare und Bettina nimmt grad Stefans Hand. Hinten auf dem Podest sehe ich kurz Judits strahlendes Gesicht. Ich freue mich so über unsere Gemeinschaft. Hinterher, weiß ich, werden wir über alles reden. Uns austauschen, unsere Gefühle und Empfindungen teilen. Und es wird, wie immer, ganz unterschiedlich sein, was jede erlebt hat.
Manchmal packt einen ein Konzert mehr und manchmal weniger. So wie man selbst eben gerade drauf ist. Heute gefällt es mir sehr, wie Daniel mit seiner Stimme spielt.Dieses Kiecksen bei „…so weit weg…“ finde ich süß, dieses stöhnende Langziehen „…von zu Haaauuuss….“ passt gut dazu. Der Einspieler „Supernova“ irritiert mich dann etwas, zieht die Stimmung ein bisschen runter. Prüfend äuge ich zu den Journalisten oben auf der Empore. Wie werden die das finden? Was wird morgen in den Zeitungen stehen? Aber ich will mir keine Sorgen machen… Herrlich rotzig und frech kommt dann auch gleich „König von Deutschland“ und alles fließt weiter. Sie ist wieder da diese besondere Energie! Ziemlich schade, dass dann schon bald Pause ist. Wieder
Ich hass mich ein Bruch. Aber gut, ich möchte auch gern wissen, wie meinem Mann das Konzert gefällt. Er hat uns Bier geholt und lästert ein bisschen über den Hall, der bei jedem Lied irgendwie dazu gemischt wird: „Seeehr experimentell“, witzelt mein Liebster. „Oder sind das die göttlichen Vibrationen?“ Auch das Stimme hochziehen und Kiecksen ist ihm zuviel: „Warum muss er das denn bei jedem Lied machen?“ Und sehr lustig findet er ein paar Fans: „Ob die mich massakrieren, wenn ich nachher ein bisschen weiter vor will? Ich glaub, ich versuch mal in die erste Reihe zu kommen.“
Und das versucht er wirklich. Ich bin durch sein Bemühen etwas abgelenkt vom Konzert. Er schafft es nur drei, vier Reihen weiter nach vorn, dann stehen die Fans wie eine dichte Mauer. Auch das ist ungewöhnlich. Bei anderen Konzerten gelingt es immer, wenigstens seitlich, bis nach vorn zu kommen. Ich muss jetzt lachen über meinen Mann, der ganz eingeklemmt da steht. Aber er starrt auf die Bühne. Dort veranstaltet Daniel ein faszinierendes Spiel zu „Neue Menschen“. Ganz präsent, ganz konzentriert steht er da und fragt: „Werden sie irgendwann so sein wie ich und du? Wie du und ich? Wie du“, er zeigt auf jemanden im Publikum und bleibt für eine Weile mit einem ganz tiefen Blick „…und ich?“ Das wiederholt er immer. Dreht sich von einem zum anderen. Immer wieder. Immer intensiver. Ich bekomme eine dicke Gänsehaut. Woouuw… das ist hypnotisch! Geil und überraschend. Das liebe ich an seinen Konzerten. Dann kommt „Flugzeuge im Bauch“ und ich muss so an Eggenfelden denken, wo mich dieses Lied, nur ein paar Töne von diesem Lied… beim Soundcheck völlig aus der Bahn geworfen haben. Jetzt ist es anders. Schön, klar, aber irgendwie viel normaler. Vielleicht einfach vertraut inzwischen.
Mein Mann wühlt sich grad wieder zu mir zurück. Bei „Warum“ blödeln wir ein bisschen, singen ganz laut mit, werden immer alberner. Daniel singt gerade dieses Lied sehr bewegend, ganz emotional, aber ich kann nicht so recht darauf einsteigen, sondern mag jetzt mal richtig albern sein. Das hab ich oft in Konzerten, wenn´s mir zu ernst wird und zu getragen. Bei einem Daniel-Konzert ist das allerdings ein völlig neues Gefühl für mich. Sollte es tatsächlich normal werden? Aber okay, irgendwann muss das wohl sein.
Gegen Ende dann die Befragung in der ersten Reihe, kurz danach sein stage diving. Ich glaubs nicht, aber beim dritten Anlauf springt er wirklich! Über diese Entfernung! Ich finde das sehr mutig. Und passend wäre jetzt ein langsames „Auf Händen getragen werden“ durch die Halle. Doch er taucht gleich ab und ziemlich schnell wieder auf der Bühne auf. „Ich werde dich finden“ zum Schluss ist wie ein Schwur. Voller Inbrunst. Und ich verbrenne mir ein paar Mal fast die Finger am Feuerzeug. Dann lass ich es und schwelge einfach in dem Lichtermeer um mich herum. Zauberhaft sieht das aus! All diese Lichter, diese kleinen Fackeln.
 
Online-Magazin Im Endeffekt Ausgabe 9 · © 2003 - 2006 danielwelt.de · Impressum · Printausgabe