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Erlebnisberichte 9/19
Februar 2006
Von Riesendönern, Kanonenkugeln ...
Die arme Person fühlt sich sichtlich nicht wohl, singt leicht gequält etwas mit und verschwindet dann schnell wieder in den Katakomben. Ist ja ne nette Geste, aber vielleicht lädt er die für ihn ja offenkundig wichtige Person im nächsten Jahr besser mal ins Theater oder in die Oper ein?
Das Konzert geht weiter, die Stimmung ist weiter da und auch ich finds richtig gut – fast... wenn doch nur irgendwann das Experimentieren mit dem Hall und so ein komisches, kurzes Stimme hochziehen an Ende von Textzeilen aufhören würde. Aber die Sache mit dem Hall zieht Daniel bis zum Ende durch. Nun ja, Geschmacks-sache...
Dann ist unvermittelt so nach 40 Minuten Pause! Was soll denn DAS??? Alle verschwinden von der Bühne und aus den Lautsprechern ertönt Musik aus der Konserve! Ich find das ätzend, und empfinde es als einen absoluten Stimmungstöter. Ist normalerweise auch so, aber nicht hier! Kaum ist er wieder da, tobt sein Publikum, als ob es keine Unterbrechung gegeben hat. Ich habe Mühe anzuknüpfen; Bettina und alle, mit denen ich hier bin, außer Detlef (Stadtführer), nicht. Bei „Ich gehöre nicht jedem“ ist Bettina dann flugs auf meinen Schultern. Das machen wir eigentlich bei jedem Konzert so. Ist ja auch nichts schlimmes, normalerweise... Hier aber wohl schon! Denn irgendwann spüre ich, wie Bettina sich heftigst hinten neigt! Da zieht ihr doch tatsächlich jemand an den Haaren und nimmt in Kauf, dass sie von meinen Schultern auf den Hallenboden knallt, anstatt einfach einen Meter nach rechts oder links zu treten; so voll war es da, wo wir standen, wirklich nicht! Und das war nach etwa einem halben Song und nicht nach einer halben Stunde oder so. Auch die Kinder weiter hinten auf dem Podest hätten angeblich nichts gesehen. Das ist in meinen Augen einfach lächerlich! Wenn ich schon mit meinem Kind auf ein Konzert ohne Absperrung für diese Altersgruppe gehe und hinten bleibe, dann kann ich nicht von anderen erwarten, dass sie permanent Rücksicht nehmen, sondern muss mir mein Kind eben schultern. Ist zwar anstrengend, hab ich mit Carlos in der Columbiahalle aber auch durchexerziert. Aber keine Sorge, der haareziehenden Frau ist nichts geschehen. Bettina konnte mich beruhigen und so gab es keine weiteren unschönen Szenen.
Überhaupt war der Platzanspruch bei diesem Konzert ein Phänomen. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich vermutet, dass hier auch die Stehplätze fest vergeben und nummeriert sind. Was bei allen anderen Konzerten, die ich je besucht habe, möglich war, nämlich mal ein Stück weiter vor und dann wieder zurück zu gehen, funktionierte hier schlichtweg nicht. Die Leute standen wie eine unnachgiebige unbewegliche undurchdringliche Mauer!
Na ja, wie dem auch sei, das Konzert geht weiter. Daniel performt weiter und seltsamerweise kommen nach dem Song „Ich gehöre nicht jedem“, diesem sehr persönlichen, meiner Meinung nach an die Fans gerichteten Song, „Auszieh’n, auszieh’n“-Rufe – schon seltsam, ausgerech-
Ich hass mich net da!?! Aber der Rebell zieht sich nicht aus, sondern singt als Antwort seine Hymne, eben „Rebell“! Kurz vor Ende des regulären Konzertes, nach „Einsamkeit“, folgt dann der Versuch eines nach meinem Empfinden vom Dauergekreische immer wieder unterbrochenen, leicht genervten Daniels, die Fans der ersten Reihe zu ein paar „Was ihr schon immer mal sagen wolltet“ – Statements zu bewegen. Viel kam dabei leider nicht heraus, außer „Ich weiß nicht...“ und „Du bist der Beste!“, was er aber in diesem Moment nicht hören will, und „Konzert ist mal was anderes...“, was den Kommentar provoziert: „Ist wohl zu langweilig zu Hause!“. Schon ein seltsames Völkchen da vorne...
Daniel rettet die Situation, mit einem von mir nicht so ganz abgenommenen „Ich freue mich, dass ihr alle hier seid!“ und dem Annehmen von Bussis, was einigen wohl Hochgefühle beschert haben dürfte.
Was dann allerdings folgt, ist nicht ganz ohne. Auf „Anforderung“ einiger Fans, vermutlich aus Reihe 2 und dahinter, doch auch zu ihnen zu kommen, springt Daniel nach dreimaligem Anlauf von der Bühne aus voll in die Zuschauer hinein. Also, liebe Leute, „Stage-Diving“ ist was anderes! Das war für mich eher eine Reaktion nach dem Motto: „Ihr wollt mich, dann kriegt ich mich! Und dann müsst ihr mich nehmen – und wenn ich als Kanonenkugel ankomme!“. Schwein gehabt, dass da keinem was passiert ist.
Mit „Ich werde Dich finden“ findet das Konzert danach seinen vorläufigen Abschluss, bevor Daniel und seine Band nach kurzer Zeit zu den drei Zugaben wieder erscheinen, um danach endgültig von der Bühne zu verschwinden. Mir hat das Konzert im Großen und Ganzen gut gefallen. Die Band war wirklich klasse, Daniel hat seine Songs gut rübergebracht und bis auf die schon angesprochenen Seltsamkeiten fühlte ich mich, wie eingangs bereits erwähnt, an diesem Abend gut unterhalten. Den Aufbruch oder Wechsel in seiner musikalischen Ausrichtung finde ich persönlich sehr Erfolg versprechend und ich habe auch den Eindruck, dass diese Art von Musik ihm sehr viel Freude macht.
Und trotzdem, irgendetwas bleibt für mich als Nicht-Fan befremdlich zurück. Im Moment würde ich noch keinen meiner Freunde oder Bekannten, mit denen ich seit über 25 Jahren regelmäßig Konzerte besuche, überreden können, doch mal mitzukommen, abgesehen davon, dass mir bei dem Kartenpreis sowieso jeder einen Vogel zeigen würde.
So ganz überzeugt hat es mich noch nicht. Aber, mal sehen... am 1. April bin ich wieder dabei und vielleicht sieht es danach ja wieder anders aus.
Die Erhöhung des Spaßfaktors von meinem ersten zum zweiten Daniel-Konzert ist jedenfalls beachtlich.
Stefan Lietz
Foto: lennah
 
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