Von Riesendönern, Kanonenkugeln ...
Fortsetzung von Seite 8
Die arme Person fühlt sich sichtlich nicht wohl, singt leicht gequält
etwas mit und verschwindet dann schnell wieder in den Katakomben.
Ist ja ne nette Geste, aber vielleicht lädt er die für ihn ja offenkundig
wichtige Person im nächsten Jahr besser mal ins Theater oder in
die Oper ein?
Das Konzert geht weiter, die Stimmung ist weiter da
und auch ich finds richtig gut – fast... wenn doch nur irgendwann
das Experimentieren mit dem Hall und so ein komisches, kurzes Stimme
hochziehen an Ende von Textzeilen aufhören würde. Aber die Sache
mit dem Hall zieht Daniel bis zum Ende durch. Nun ja, Geschmacks-sache...
Dann ist unvermittelt so nach 40 Minuten Pause! Was soll denn DAS???
Alle verschwinden von der Bühne und aus den Lautsprechern ertönt
Musik aus der Konserve! Ich find das ätzend, und empfinde es als
einen absoluten Stimmungstöter. Ist normalerweise auch so, aber
nicht hier! Kaum ist er wieder da, tobt sein Publikum, als ob es
keine Unterbrechung gegeben hat. Ich habe Mühe anzuknüpfen; Bettina
und alle, mit denen ich hier bin, außer Detlef (Stadtführer), nicht.
Bei „Ich gehöre nicht jedem“ ist Bettina dann flugs auf meinen Schultern.
Das machen wir eigentlich bei jedem Konzert so. Ist ja auch nichts
schlimmes, normalerweise... Hier aber wohl schon! Denn irgendwann
spüre ich, wie Bettina sich heftigst hinten neigt! Da zieht ihr
doch tatsächlich jemand an den Haaren und nimmt in Kauf, dass sie
von meinen Schultern auf den Hallenboden knallt, anstatt einfach
einen Meter nach rechts oder links zu treten; so voll war es da,
wo wir standen, wirklich nicht! Und das war nach etwa einem halben
Song und nicht nach einer halben Stunde oder so. Auch die Kinder
weiter hinten auf dem Podest hätten angeblich nichts gesehen. Das
ist in meinen Augen einfach lächerlich! Wenn ich schon mit meinem
Kind auf ein Konzert ohne Absperrung für diese Altersgruppe gehe
und hinten bleibe, dann kann ich nicht von anderen erwarten, dass
sie permanent Rücksicht nehmen, sondern muss mir mein Kind eben
schultern. Ist zwar anstrengend, hab ich mit Carlos in der Columbiahalle
aber auch durchexerziert. Aber keine Sorge, der haareziehenden Frau
ist nichts geschehen. Bettina konnte mich beruhigen und so gab es
keine weiteren unschönen Szenen.
Überhaupt war der Platzanspruch bei diesem Konzert ein Phänomen. Wenn ich es nicht besser gewusst
hätte, hätte ich vermutet, dass hier auch die Stehplätze fest vergeben
und nummeriert sind. Was bei allen anderen Konzerten, die ich je
besucht habe, möglich war, nämlich mal ein Stück weiter vor und
dann wieder zurück zu gehen, funktionierte hier schlichtweg nicht.
Die Leute standen wie eine unnachgiebige unbewegliche undurchdringliche Mauer!
Na ja, wie dem auch sei, das Konzert geht weiter. Daniel performt
weiter und seltsamerweise kommen nach dem Song „Ich gehöre nicht
jedem“, diesem sehr persönlichen, meiner Meinung nach an die Fans
gerichteten Song, „Auszieh’n, auszieh’n“-Rufe – schon seltsam, ausgerech-
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net da!?! Aber der Rebell zieht sich nicht aus, sondern singt als Antwort
seine Hymne, eben „Rebell“! Kurz vor Ende des regulären Konzertes,
nach „Einsamkeit“, folgt dann der Versuch eines nach meinem Empfinden
vom Dauergekreische immer wieder unterbrochenen, leicht genervten
Daniels, die Fans der ersten Reihe zu ein paar „Was ihr schon immer
mal sagen wolltet“ – Statements zu bewegen. Viel kam dabei leider
nicht heraus, außer „Ich weiß nicht...“ und „Du bist der Beste!“,
was er aber in diesem Moment nicht hören will, und „Konzert ist
mal was anderes...“, was den Kommentar provoziert: „Ist wohl zu
langweilig zu Hause!“. Schon ein seltsames Völkchen da vorne...
Daniel rettet die Situation, mit einem von mir nicht so ganz abgenommenen
„Ich freue mich, dass ihr alle hier seid!“ und dem Annehmen von
Bussis, was einigen wohl Hochgefühle beschert haben dürfte.
Was dann allerdings folgt, ist nicht ganz ohne. Auf „Anforderung“ einiger
Fans, vermutlich aus Reihe 2 und dahinter, doch auch zu ihnen zu
kommen, springt Daniel nach dreimaligem Anlauf von der Bühne aus
voll in die Zuschauer hinein. Also, liebe Leute, „Stage-Diving“
ist was anderes! Das war für mich eher eine Reaktion nach dem Motto:
„Ihr wollt mich, dann kriegt ich mich! Und dann müsst ihr mich nehmen
– und wenn ich als Kanonenkugel ankomme!“. Schwein gehabt, dass
da keinem was passiert ist.
Mit „Ich werde Dich finden“ findet das
Konzert danach seinen vorläufigen Abschluss, bevor Daniel und seine
Band nach kurzer Zeit zu den drei Zugaben wieder erscheinen, um
danach endgültig von der Bühne zu verschwinden. Mir hat das Konzert
im Großen und Ganzen gut gefallen. Die Band war wirklich klasse,
Daniel hat seine Songs gut rübergebracht und bis auf die schon angesprochenen
Seltsamkeiten fühlte ich mich, wie eingangs bereits erwähnt, an
diesem Abend gut unterhalten. Den Aufbruch oder Wechsel in seiner
musikalischen Ausrichtung finde ich persönlich sehr Erfolg versprechend
und ich habe auch den Eindruck, dass diese Art von Musik ihm sehr
viel Freude macht.
Und trotzdem, irgendetwas bleibt für mich als
Nicht-Fan befremdlich zurück. Im Moment würde ich noch keinen meiner
Freunde oder Bekannten, mit denen ich seit über 25 Jahren regelmäßig
Konzerte besuche, überreden können, doch mal mitzukommen, abgesehen
davon, dass mir bei dem Kartenpreis sowieso jeder einen Vogel zeigen würde.
So ganz überzeugt hat es mich noch nicht. Aber, mal sehen...
am 1. April bin ich wieder dabei und vielleicht sieht es danach
ja wieder anders aus.
Die Erhöhung des Spaßfaktors von meinem ersten
zum zweiten Daniel-Konzert ist jedenfalls beachtlich.
Stefan Lietz
Foto: lennah
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