Wer hört schon auf den Hahn?
Ein Kritiker ist jemand, der gackert, wenn andere ein Ei legen.“
– Wer diesen Spruch kreiert hat, hatte wohl keine allzu gute Meinung
von der Kritikerzunft. Doch seien wir mal ehrlich: Ohne die aufopferungsvolle
Tätigkeit etwa der Literaturkritiker wären so herausragende Autoren
wie Wislawa Szymborska, Kenzaburo Oe, Derek Walcott oder José Saramago
nie ausreichend gewürdigt worden.
Wie jetzt? Ihr kennt diese Autoren gar nicht? Habt nichts von ihnen
gelesen??? Asche auf euer Haupt! Handelt es sich bei den Genannten
doch um Literatur-Nobelpreisträger!
Dumm nur, dass ihre Werke zwar die Kritikerzunft jubeln lassen,
dem Rest der Bevölkerung aber ziemlich schnurzegal sind. Der ergötzt
sich lieber an Tolkiens "Herr der Ringe" oder Joanne K. Rowlings
„Harry Potter“, dessen neueste Abenteuergeschichten mit der deutschen
und der englischen Ausgabe mal wieder die beiden ersten Plätze der
Bestsellerliste belegen.
Doch nicht nur in der Literatur klafft eine weite Kluft zwischen dem,
was die Wächter der wahren Kunst für gut und richtig erachten –
auch in allen möglichen anderen Bereichen verhallt ihr verzweifelter
Ruf, endlich Gehör für ihre Meinung zu finden.
Hochgelobte „Kunstfilme“ verschwinden mangels Zuschauerinteresse
meist nach kurzer Zeit aus den Kinos, um dann irgendwann im Nachtprogramm
der TV-Sender die wenigen Zuschauer in den Schlaf zu wiegen. Oder
sie erscheinen nur auf DVD und liegen wie Blei in den Regalen der
Videotheken. Während Arnold Schwarzeneggers „Terminator“ genauso
die Massen anzieht wie Bully Herbigs „Der Schuh des Manitu“.
Wie sehr die Meinung darüber, was beachtenswerte Kunst oder einfach
nur Trash ist, zwischen Kunstkritikern und „Normalsterblichen“ auseinandergeht,
dafür bietet eine kleine Episode, die im Jahr 2005 für Schlagzeilen
sorgte, ein gutes Beispiel. Damals hatte Peter Postleb, Leiter der
Stabstelle „Sauberes Frankfurt“, kurzerhand mehrere große, gelbe
Plastikteile aus einer Grünanlage als Müll entsorgen lassen – und
sah sich anschließend dem Spott der Medien ausgesetzt, weil es sich
bei den Plastikteilen um eine Skulptur von Michael Beutler handelte.
Aber Postleb steht nicht alleine – in einer Londoner Galerie hatte
ein Reinigungsmitarbeiter einen vermeintlichen Haufen Müll weggekehrt,
bei dem es sich jedoch um eine Installation von Englands berühmtesten
Künstler Damien Hirst handelte. Auch eine Plastiktüte, gefüllt mit
Zeitungen und Pappe, die unter einem Gemälde auf dem Boden lag,
fiel der Gründlichkeit einer Londoner Putzfrau zum Opfer. Es handelte
sich um ein Werk des „Dekonstruktions-Künstlers“ Gustav Metzger.
Bereits 1988 sorgte ein ähnlicher Vorfall für Schlagzeilen. Damals
entfernte eine Reinigungskraft die von Professor Joseph Beuys gestaltete
„Fettecke“ in der Düsseldorfer
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Kunstakademie. Das Land Nordrhein-Westfalen musste 400.000 DM
Schadensersatz an den Künstler zahlen.
Ist es angesichts solcher „Missverständnisse“ verwunderlich, dass auch im Bereich Musik die
Meinungen zwischen dem, was Musikkritikern gefällt und dem, was
„angesagt“ ist, weit auseinander klaffen? Das gilt insbesondere
für den Bereich der sog. U-Musik, also für Rock, Pop & Co.
Während Kunstkritiker gerne auf den Satz „Kunst kommt von Können“ hinweisen,
ist die Ansicht des weitaus größten Teils der Bevölkerung eher,
dass „Kunst ist, was gefällt“. Dabei schließt das Eine das Andere
durchaus nicht aus. Im Gegenteil - auch im Bereich der modernen
Unterhaltungsmusik wird sich langfristig nur durchsetzen können,
wer über Talent und Disziplin verfügt. Über den Willen, beständig
an sich zu arbeiten und sich weiter zu entwickeln.
Doch darüber hinaus ist Musik – wie jede andere Kunstform auch – vor allem eins:
Geschmacksache! Und da Geschmäcker bekanntlich verschieden sind,
stellt sich letztlich die Frage, wie maßgeblich eigentlich die Meinung
von Kritikern ist. Kann sie tatsächlich ein Gradmesser dafür sein,
ob ein Künstler gefällt oder nicht?
Als die Beatles und Rolling Stones ihren Siegeszug um die Welt antraten, hagelte es seitens
der Musikkritiker Verrisse. Von "unerträglichem Lärm" war die Rede,
welcher angeblich die Jugend verderben würde. Heute zählen die Beatles
zu den größten Musikern des 20. Jahrhunderts und wurden sogar von
der Queen geadelt. Die Rolling Stones füllen auch nach vierzig Jahren
noch die Stadien, während sich an die Namen der damaligen Kritiker
niemand mehr erinnert. Auch Robbie Williams, Madonna oder Nina Hagen
wurde der baldige Untergang bescheinigt - und sie sind nur Vertreter
einer langen Liste von Musikern, welchen den Unkenrufen der Kritiker
zum Trotz eine langjährige Karriere beschieden war.
Dass auch Rezensenten nicht immer einer
Meinung sind und ihre Einschätzung dessen, was gut oder nicht gut
ist, oftmals sehr unterschiedlich ist und somit letztlich auch nur
vom persönlichen Geschmack bestimmt wird, zeigt die Reaktion auf
Daniels "Ich hass mich"-Konzert am 27.12.05
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