STILLE und RÜCKZUG
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Ja, natürlich, das ist alles wichtig und hat seine volle Berechtigung und gehört ohne Frage mitten ins Leben. Der Rückzug in die Stille hat weniger Chancen und wird als eher nicht machbar zum „Außenseiter“.
Wenn da nicht noch die andere Seite wäre, die sich heftig bemerkbar machen kann und deutlich zeigt, dass wir ein „duales Bewusstsein“ haben und beide Seiten danach drängen gelebt zu werden.
So ist es mir ergangen. Ich kam an den Punkt, an dem ich nichts mehr „hören und sehen“ wollte und das Bedürfnis nach Ruhe und Stille mein einziger Wunsch war. Ich spürte, dass die Türen nach außen immer mehr zugingen, gleichzeitig öffneten sich Türen in eine bisher unbekannte Welt. Was ich in diesem Eintauchen erlebt habe, möchte ich jetzt ein wenig beschreiben:
Zugegeben, zuerst fühlt es sich einsam an, so allein in der Stille mit mir, streckenweise sogar unheimlich. Es kann auch passieren, dass mich das „Kofferpacksyndrom“ erwischt, was soviel heißt wie: “Nix wie weg hier!“
Aber genau das ist der Tunnel, der direkt zum eigenen Lebensbereich führt, Reichtum zeigt, Talente aufgedeckt und in Kreativität umwandelt. Ich unabhängig sein kann und satt werde. Auf den Punkt gebracht: „Da bricht das „Eigene“ durch.
Ein deutliches Symptom auf dieser Reise zu mir ist:
„Wenn es draußen leise wird, wird es innen lauter“.
Dann fange ich an, die Stimmen in mir zu hören. Meine eigenen, aber auch die Fremdbestimmenden, die sich eingenistet haben und mich ablenken wollen, meiner eigenen Stimme zu folgen. Jetzt kommt die Phase, in der ich mich mit all diesen „Tönen“ und „Gesprächen“ beschäftigen muss, weil sie nicht mehr zu überhören sind. Lerne sortieren und differenzieren, welche meine Gedanken sind und welche nicht, auch zu unterscheiden, welche Stimmen von außen für mich stimmig sind, mit denen ich „gemeinsam“ wachsen kann oder mich einfach nur wohlfühle.
So komme ich an den wirklichen Kern meiner Vorstellungen, um zu erkennen, was ich will und kann die äußeren Einflüsse auf respektvolle Distanz halten oder auch das über Bord werfen, was mich hindert.
In der Stille komme ich den Gedanken besser auf die Spur, habe Zeit und Raum sie genau zu „betrachten“ und blicke nach und nach durch, auf welche Weise sie auf mich einwirken und mich beeinflussen:
Woher kommen sie?
Von wem stammen sie?
Sind es Gedanken, die ich schon ewig mit mir rumschleppe?
Schaden sie mir?
Was kann ich ändern oder korrigieren?
Oder ich merke meine eigenen Bedürfnisse stärker, nehme meinen Rhythmus wahr und mein persönliches Tempo. Ich staune, wie viel Leben in mir wohnt, wie lebendig ich mich fühle und dass ich unendlich viele Antworten in mir finde.
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Es ist spannend und abenteuerlich sich selbst zu spüren, langsam zu erleben wie Regungen und Winkel in mir vertraut und heimisch werden. So hab ich den Rückzug immer wieder als Bereicherung erfahren, der hilft anzuhalten, nicht abzudriften in unkontrollierte Aktivitäten oder Konsum, sondern meinem Körper und Geist verhilft ruhig zu werden, um dann aus der Ruhe zu agieren. Äußere Einflüsse und Eindrücke bekommen weniger Macht auszuufern. Die Chance Balance in der Mitte zu halten wird kraftvoller.
Mir gelingt es immer wieder mich auf den Moment einzulassen und niederzulassen und mir fällt dabei auf, dass Handgriffe und Situationen wesentlich bewusster spürbar sind. Ich werde empfangsbereit für den puren Augenblick. Das ist Zeit, die ganz ausgenutzt wird und gleichzeitig „Platz“ kostet für alle anderen Aktivitäten. Das hat zur Folge, weniger Action, dafür intensiveres Erleben im Hier und Jetzt und abends brauch ich nicht mehr zu überlegen: „Wo war ich eigentlich heute überall?“ Mir kommt in den Sinn: Es geht wohl immer mehr in die Tiefe, statt in die Breite.
Ich lerne an mir selbst, auch meine vorhandene Zeit besser einzuschätzen. Der Geschwindigkeitsrausch wird unterbrochen, indem ich in eine andere „Zeitzone „ gleite. Es geht nicht mehr in erster Linie darum was mein Kopf diktiert, sondern zu was ich in vollem Bewusstsein fähig bin. Bewusstes Erleben „kostet viel Zeit“. Daraus ergibt sich von selbst ein ausgleichendes Tempo, das mich nicht überfordert.
Ein Produkt der Stille ist für mich auch, authentischer zu werden. Alles aus mir selbst rauswachsen zu lassen. Sich ausprobieren mit allen Fehltritten oder auf die Nase fallen und wieder aufstehen.
Das Autodidaktische, was sich daraus ergeben kann, hat mich sofort an Daniel fasziniert, damals schon bei DSDS. Thomas Bug kommentierte Daniel sehr treffend mit: „Du setzt alle Gesetze dieser Sendung außer Kraft“ Ja, die eigene Präsenz bringt eine große Kraft mit und dieses ganz spezielle Glückgefühl:
Es ist alles auf meinem eigenen Mist gewachsen. Selbst, wenn es nur ein winziger Lebensradius wäre, es ist mein eigener und aus eigener Energie entstanden, auf dem ich aufbauen und wachsen kann. Ich lasse Theorien beiseite und alles Lernen entsteht in mir durch Hingabe an mich selbst.
Eine tröstliche Erkenntnis, die auch aus der Stille gewachsen ist:
Ich habe alle Zeit der Welt und brauche nicht jedes Ziel in diesem Leben zu erreichen. Ich kann mich in meinem eigenen Tempo langsam und bewusst entwickeln, ohne Druck und ohne reinredende Stimmen und vielschichtige Verführungsversuche von außen. Aus meiner eigenen Kraft darf ich schöpfen und meine Visionen verwirklichen, wann und wie auch immer. Es beruhigt mich zu wissen, dass diese Erkenntnisse auch durch den Buddhismus manifestiert sind.
Fortsetzung
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