Danielmusik und Brasilien
Fortsetzung von Seite 17
auch in schlechten Tagen und ohne Luxus das Leben fließen
lassen. Gottvertrauen steht an erster Stelle und ganz viel Nestwärme.
Nur den Glauben an die Fußballweltmeister darf man ihnen nicht rauben,
dann bricht der Himmel ein und die Realität ist schwer zu verkraften.
Das bedeutungsvolle Sprichwort "Minha casa é sua casa" "Mein Haus ist dein
Haus" ist lebendig unter ihnen. Sie meinen es wirklich in ihrer
erfrischend selbstverständlichen Gastfreundschaft und es kann
passieren, dass sie ihren Gästen tatsächlich die einzig warme
Mahlzeit auftischen, die sie sich in dieser Woche leisten können.
Es kann auch echt das Lebensgefühl beflügelnd stimulieren, wenn
bis zu 15 cm große, bunte Schmetterlinge im berauschenden Tanz
alles um sich herum bezirzen und die bildschöne blaue Morpha ihren
verzaubernden Charme versprüht. Oder kleine, weiße Eulen morgens
ins Schlaffzimmerfenster lugen und so ihren Service als Muntermacher
für den neuen Tag schenken.
"Wir sind eine Welt – und ist das nicht das Wichtigste!", schreibt Daniel in seiner Kolumne. Ja,
und Brasilien steuert mit seiner faszinierenden Palette an artverschiedenen
Menschengruppen einen imposanten Beitrag zur multikultigen Verbundenheit
bei. Die größte Gemeinschaft bilden die Nachkommen der Kolonialisten
aus Portugal. Durch sie wurde auch die bis heute geltende Landessprache
geprägt und Brasilien zum einzig portugiesisch sprechenden Land
Amerikas auf den Weg gebracht. Es leben heute mindestens 11 Millionen
Farbige, sogenannte Afrobrasilianer, in Brasilien. Ihre Vorfahren
waren Afrikaner, die aus den ehemaligen portugiesischen Kolonien,
wie z.B. Angola und Mosambik, bzw. den britischen Kolonien, wie
Nigeria und der Goldküste, dem heutigen Ghana, nach Brasilien
verschleppt und als Sklaven für harte Zwangsarbeit missbraucht
wurden. Gott sei Dank wurde Mitte des 19. Jahrhunderts ein Gesetz
zur Abschaffung der Sklaverei erlassen und um die Jahrhundertwende konnten Afrikaner
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das Land als "freie Menschen" betreten. Inzwischen
haben viele Afrobrasilianer Partner aus europäischer Abstammung
gefunden und sich vereint, was wie ein "blühendes Kaleidoskop"
seine Kreise zieht und sich entfaltet.
Die brasilianischen Ureinwohner sind Indios. Was allen eingeborenen Völkern
durch Kolonialisten widerfahren ist, wissen wir aus bekannter und
tragischer Chronik, die weltweit Symbol für Ausbeutung ist und eine
unvergesslich eindringliche Bedeutung hat. Sie haben überlebt, die
Indios. Von ursprünglich ca. 6 Millionen Eingeborenen sind heute
schätzungsweise 400 Tausend verblieben – und zum Glück wieder mit
steigender Tendenz. Stark macht die Indios ihr eigenes Lebensprojekt.
Es ist anders als von Zuwanderern jemals erwartet oder gefordert
wurde, doch immer kulturell strukturiert und auf ihr eigenes Lebensgefühl
abgestimmt. Es lässt auf jeden Fall für die Zukunft Perspektiven
offen und erhoffen, die Brasilien immer mehr zu einer unbegrenzten
Herberge aller Kulturen erweitern kann. Ein helles Fenster dazu
könnte auch sein: "Ein Ja zur Brüderlichkeit und vielleicht ein
Beginn um Verzeihung zu bitten".
Ein Mosaik an Vielfalt ist seit
Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls durch Immigranten entstanden,
die sich hauptsächlich aus Europa, Asien und dem Nahen Osten angesiedelt
haben. Deutschbrasilianer, Einwohner mit deutschen Wurzeln, werden
auf 12 Millionen geschätzt. Ein Teil davon sprechen Deutsch als
Muttersprache und portugiesisch als Alltagssprache. Sogar dialekte
Töne wie aus dem Schwabenland oder der Waterkant sind zu hören.
Nicht unerwähnt sei die weltbekannte brasilianische Schönheit Gisèle
Bündchen, deren Eltern auch aus Deutschland stammen.
Jetzt hab ich nur einen winzigen "Funken" Brasilien eingefangen. Die Variationsbreite
unterschiedlichster Lebensbedingungen und Möglichkeiten ist unendlich.
Doch Entscheidendes ist mir beim Eintauchen bewusst geworden: dass
Leben allumfassend ist und jede noch so außergewöhnliche Existenzform
und Eigenart mitten reingehört in unser Dasein. Vielleicht sind
wir hier auf der Erde ja alle Gast bei Freunden, die sich gegenseitig
zum Lebensfest einladen und dazu berufen, uns weltweit als Freunde
zu begegnen, immer wieder und immer öfter. Das große Welttreffen
in Deutschland hat mich ganz tief berührt und in lebendiger Weise
dazu beigetragen, den Weg im neu gefundenen WIR weiter zu gehen.
Alle brasilianischen Eindrücke hab ich durch meine Kinder gewonnen. Selbst
konnte ich das Land noch nicht besuchen. Eine höllische Flugangst
hat mich noch im Griff. Zèlia sagt oft: "Komm mit uns, du wirst
es lieben." Dann lacht sie verschmitzt und meint: "Ich glaube,
damit du dich wirklich traust, werden wir Daniel am besten auch
einladen." Da Daniel schon sehr viel bei mir bewirkt hat, kann
ich jetzt nur noch ehrlich gestehen: "Da ist was dran."
Text und Fotos: Uscha Wolter
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