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Erlebnisberichte 18/18
August 2006
Danielmusik und Brasilien
auch in schlechten Tagen und ohne Luxus das Leben fließen lassen. Gottvertrauen steht an erster Stelle und ganz viel Nestwärme. Nur den Glauben an die Fußballweltmeister darf man ihnen nicht rauben, dann bricht der Himmel ein und die Realität ist schwer zu verkraften. Foto: Uscha Wolter
Das bedeutungsvolle Sprichwort "Minha casa é sua casa" "Mein Haus ist dein Haus" ist lebendig unter ihnen. Sie meinen es wirklich in ihrer erfrischend selbstverständlichen Gastfreundschaft und es kann passieren, dass sie ihren Gästen tatsächlich die einzig warme Mahlzeit auftischen, die sie sich in dieser Woche leisten können. Es kann auch echt das Lebensgefühl beflügelnd stimulieren, wenn bis zu 15 cm große, bunte Schmetterlinge im berauschenden Tanz alles um sich herum bezirzen und die bildschöne blaue Morpha ihren verzaubernden Charme versprüht. Oder kleine, weiße Eulen morgens ins Schlaffzimmerfenster lugen und so ihren Service als Muntermacher für den neuen Tag schenken.
"Wir sind eine Welt – und ist das nicht das Wichtigste!", schreibt Daniel in seiner Kolumne. Ja, und Brasilien steuert mit seiner faszinierenden Palette an artverschiedenen Menschengruppen einen imposanten Beitrag zur multikultigen Verbundenheit bei. Die größte Gemeinschaft bilden die Nachkommen der Kolonialisten aus Portugal. Durch sie wurde auch die bis heute geltende Landessprache geprägt und Brasilien zum einzig portugiesisch sprechenden Land Amerikas auf den Weg gebracht. Es leben heute mindestens 11 Millionen Farbige, sogenannte Afrobrasilianer, in Brasilien. Ihre Vorfahren waren Afrikaner, die aus den ehemaligen portugiesischen Kolonien, wie z.B. Angola und Mosambik, bzw. den britischen Kolonien, wie Nigeria und der Goldküste, dem heutigen Ghana, nach Brasilien verschleppt und als Sklaven für harte Zwangsarbeit missbraucht wurden. Gott sei Dank wurde Mitte des 19. Jahrhunderts ein Gesetz zur Abschaffung der Sklaverei erlassen und um die Jahrhundertwende konnten Afrikaner
das Land als "freie Menschen" betreten. Inzwischen haben viele Afrobrasilianer Partner aus europäischer Abstammung gefunden und sich vereint, was wie ein "blühendes Kaleidoskop" seine Kreise zieht und sich entfaltet.
Die brasilianischen Ureinwohner sind Indios. Was allen eingeborenen Völkern durch Kolonialisten widerfahren ist, wissen wir aus bekannter und tragischer Chronik, die weltweit Symbol für Ausbeutung ist und eine unvergesslich eindringliche Bedeutung hat. Sie haben überlebt, die Indios. Von ursprünglich ca. 6 Millionen Eingeborenen sind heute schätzungsweise 400 Tausend verblieben – und zum Glück wieder mit steigender Tendenz. Stark macht die Indios ihr eigenes Lebensprojekt. Es ist anders als von Zuwanderern jemals erwartet oder gefordert wurde, doch immer kulturell strukturiert und auf ihr eigenes Lebensgefühl abgestimmt. Es lässt auf jeden Fall für die Zukunft Perspektiven offen und erhoffen, die Brasilien immer mehr zu einer unbegrenzten Herberge aller Kulturen erweitern kann. Ein helles Fenster dazu könnte auch sein: "Ein Ja zur Brüderlichkeit und vielleicht ein Beginn um Verzeihung zu bitten".
Ein Mosaik an Vielfalt ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls durch Immigranten entstanden, die sich hauptsächlich aus Europa, Asien und dem Nahen Osten angesiedelt haben. Deutschbrasilianer, Einwohner mit deutschen Wurzeln, werden auf 12 Millionen geschätzt. Ein Teil davon sprechen Deutsch als Muttersprache und portugiesisch als Alltagssprache. Sogar dialekte Töne wie aus dem Schwabenland oder der Waterkant sind zu hören. Nicht unerwähnt sei die weltbekannte brasilianische Schönheit Gisèle Bündchen, deren Eltern auch aus Deutschland stammen.
Jetzt hab ich nur einen winzigen "Funken" Brasilien eingefangen. Die Variationsbreite unterschiedlichster Lebensbedingungen und Möglichkeiten ist unendlich. Doch Entscheidendes ist mir beim Eintauchen bewusst geworden: dass Leben allumfassend ist und jede noch so außergewöhnliche Existenzform und Eigenart mitten reingehört in unser Dasein. Vielleicht sind wir hier auf der Erde ja alle Gast bei Freunden, die sich gegenseitig zum Lebensfest einladen und dazu berufen, uns weltweit als Freunde zu begegnen, immer wieder und immer öfter. Das große Welttreffen in Deutschland hat mich ganz tief berührt und in lebendiger Weise dazu beigetragen, den Weg im neu gefundenen WIR weiter zu gehen.
Alle brasilianischen Eindrücke hab ich durch meine Kinder gewonnen. Selbst konnte ich das Land noch nicht besuchen. Eine höllische Flugangst hat mich noch im Griff. Zèlia sagt oft: "Komm mit uns, du wirst es lieben." Dann lacht sie verschmitzt und meint: "Ich glaube, damit du dich wirklich traust, werden wir Daniel am besten auch einladen." Da Daniel schon sehr viel bei mir bewirkt hat, kann ich jetzt nur noch ehrlich gestehen: "Da ist was dran."
Text und Fotos: Uscha Wolter
 
Online-Magazin Im Endeffekt Ausgabe 11 · © 2003 - 2006 danielwelt.de · Impressum · Printausgabe