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Erlebnisberichte 13/20
Januar 2007
As time goes by
Einst von Daniels Freundin Gracia bei der BigBand- Mottoshow gesungen, am Ende kindlich überwältigt vom Trennungsschmerz, als sie gehen musste, tönt Daniel dieses Lied inzwischen souverän, kraftvoll, erwachsen und mit sehr männlicher Ausstrahlung in die Stuttgarter Liederhalle. Ich seh ihn noch damals verzweifelt kindlich weinen, ein bisschen wie ein unsicherer Konfirmant. Jetzt hat er eine völlig andere Ausstrahlung: sicher, großartig, aus dem Vollen schöpfend oder vielleicht auch Unsicherheiten inzwischen geübt überspielend. Ich kann mich zurücklehnen und bin nicht mehr angespannt, dass er irgendwie "daneben" haut und sich möglicherweise in ein Fettnäpfchen setzt. Ja, die Zeit vergeht und das Leben ist stete Wandlung. Daniel bedankt sich bei seinen Fans, dass sie in "dieser schwierigen" Zeit zwischen all den Weihnachtseinkäufen Zeit gefunden haben, hierher zu kommen und gibt zu, auch selbst im Stress zu sein.
Nach einem wunderschönen "All of me" plaudert er weiter über Weihnachten und empfindet teilweise "Trauerstimmung", wenn seine Haushälterin ihn fragt, ob er dies hat, ob er das hat.
Daniel imitiert seine Haushälterin mit schriller Stimme und sehnt sich nach Urlaub von all dem, nach einer guten Zeit … einer Good time. Er katapultiert mich mit dem Song wieder in die Danielgeschichte zurück.
Ich denke an damals, als er das Lied zum ersten Mal in Mühldorf gesungen hat und was haben wir seine Lieder damals euphorisch gefeiert, "Hey" noch dazu und "Born in bavaria". Ich liebe "Good time". Let's be happy and wild and free … zu gerne hätte ich das Lied als Single-Auskopplung gesehen. Jetzt sitzt Daniel auf seiner Bühne, auf dem Hocker, schaut aufs Notenblatt vor sich, seine Stimme ist wunderbar kraftvoll, tief und volltönend. Happy and wild and free … und die Zeit vergeht. Diesmal schwenkt er keine Arme, hopst nicht happy, wild and free euphorisch über die Bühne. Bei den Jazz-Liedern wirkt das auf mich angemessen, ernsthaft und stilvoll. Bei dem geliebten Küblböck-Klassiker vermisse ich aber die alte ansteckende Wildheit etwas. Ich vermisse auch meine engen Faniel-Freundinnen. Keine der alten Clique ist heute dabei. As time goes by ...
Nach euphorischem Applaus kündigt Daniel sanfter werdend, selbst berührt, einen Song an, "da gehts um Liebe, um Sehnsucht, um Vertrauen". Wie er "Vertrauen" sagt, das rührt die alten Wogen in mir. Ich spüre seine Tiefe, seine Verletzlichkeit. Ich habe keine Ahnung, was passiert sein mag, wem dieses Lied gewidmet ist, aber ich spüre Schmerz. Der Schmerz, vertraut zu haben und enttäuscht worden zu sein, schmeckt so bitter. Ich kenne diesen Schmerz aus Fassungslosigkeit, Empörung, Wut, Verletztheit, Bedürftigkeit und Sehnen ….Aua.
Grad will sich eine Träne des Mitfühlens lösen, da hör ich Daniel sagen: "Gell, gut seh ich aus?!", er schäkert, er lacht und tut ganz eingebildet, fährt sich durchs Haar und erzählt weiter von einer Oma, die zu ihm kürzlich sagte,
UP&JAZZ dass sie ihn nie gut aussehend empfunden hat früher mit den langen Haaren und der Brille. Aber jetzt … nun ja…doch … jetzt wäre er was für ihre Enkelin. Und doch heilt letztendlich das Lob über das vorteilhaft veränderte Äußere den alten Kummer nicht, denn "Warum" singt er so verbunden mit der alten Wunde, so aus dem Schmerz schöpfend, dass ich eine Gänsehaut bekomme. Er hält sich am Flügel fest, er senkt dramatisch den Kopf, jeder Ton, den er singt, und auch sein Gesicht drückt den Schmerz aus. Hast gehört, was andere sagen? Tut es Dir jetzt leid? Aua. Tut es Dir jetzt leid? hallt in der Liederhalle, hallt in meinem Kopf, Herz, Körper. Was tut mir leid? Was bedaure ich? Wieder einmal wirft er mich auf mich selbst zurück, nur durch seine Eindringlichkeit beim Singen. Beim durrrch rollt er das rrrrr so unverkennbar bayrisch. Ich muss schmunzeln. Ich liebe diesen Rest unperfektes Hochdeutsch und hoffe, er wird sich das nie abgewöhnen.
Bei "I´ve got you under my skin" setzt er sich wieder auf seinen Hocker, vor den Text, singt konzentriert und ich verarbeite die tiefen Gefühle von "Warum". Dieses letzte Konzert, so sagt er anschließend, soll etwas besonderes sein. Und das nun folgende Lied haben sich die Fans oft am meisten gewünscht: "Unchained melody".
Ach ja … was für Erinnerungen fliegen wieder mit den Tönen durch den Raum, Bilder über Bilder, beginnend beim Dackelblick der Mottoshow-Lovesongs über das Wildpferd in Hannover, was I neeeeeed your love in einer Inbrunst sang, dass mir war, als ob der Boden zu schwanken beginnt bis zu dem heutigen Bild des coolen Frank Sinatra da vorne in schwarz.
Ich schaue hinunter und sehe erst nur zwei kleine Lichter brennen, so wie der junge Daniel damals mir vorkam, ein kleines, aber unheimlich helles Licht im trüben Casting-Einerlei. Nach und nach werden da unten immer mehr Lichter angezündet. Schön sieht das aus. Warm wird mir ums Herz. Standing ovations gibt es, als Daniel geendet hat. Das Lied ist heute noch genauso wundervoll wie damals, auch wenn die Zeit vergeht.
"As time goes by" singt er nun und meine Zeitreise hält an. Ich sehe mich in München den Koffer durch das Schneechaos ziehen, sehe mich in Hannover mit Daniel im Arm Ahmimbowehhhh singen, ich sehe mich mit meinen Lieben Bäume umarmen und Steinkreise legen, sehe uns mit Nikolausmützen, zusammen weinen und lachen……und Daniel singt vom fight for love and glory … ja, dieser Kampf, lieber Daniel, den kämpfst Du tatsächlich schon lange und wir können nur ahnen, wie das wirklich ist. It´s the same old story, the fight for love and glory. Die Bläser stehen so ernst und feierlich an seiner linken Seite, aufrecht, gerade. Ich spüre diesen Kampf, diese Anstrengung, das menschliche Sehnen nach Anerkennung und Liebe und wieder einmal fliegt ihm ohne zu zögern mein Herz zu.
 
Online-Magazin Im Endeffekt Ausgabe 12 · © 2003 - 2007 danielwelt.de · Impressum · Printausgabe