As time goes by
Fortsetzung von Seite 13
Daniels alte Freundin Astrid sitzt vor der
Bühne neben Marianne und Daniel bittet uns, sie zu begrüßen, sichtlich
stolz und froh, dass sie da ist. Es wird geklatscht und auch gekreischt,
was Daniel erstaunlich schroff zu den Äußerung veranlasst: "Astrid
ist auch nur ein normaler Mensch!" Ich spüre ein Unwohlsein bei
ihm, wenn so übertrieben wird und auch bei allem Glanz und Glory
die Sehnsucht nach Normalität. Astrid sei noch jung und unverbraucht,
scherzt er schnell und … ja … gefährlich. Sie selbst lacht darüber.
Bei "You drive me crazy" hält es niemanden mehr auf den akkuraten,
vornehmen Stühlen des Mozartsaals, das wäre auch wirklich zuviel
verlangt. Verändert sich doch so manches, aber "You drive me crazy"
in stiller Andacht zu nehmen, das geht einfach nicht und so sehe
ich von oben den ganzen Saal heiter und gelöst swingen.
Danach hat Daniel einige Mühe, alles wieder unter Kontrolle zu bringen und
bittet alle, sich wieder zu setzen. Er philosophiert über Weihnachten
und die neuesten High-Tech–Geräte, den Wahn, alles Neueste, Schnellste,
Dollste besitzen zu müssen und führt dabei sein neuestes eigenes
High-Tech - Gerät vor: ein Nachtsichtgerät. In seiner unnachahmlichen
Art probiert er damit rum, lässt es dunkler werden und findet seine
Fans "so grün" und "wie Aliens" wieder. "Ach, da seh ich aber eine Falte"
grinst er, um sich schnell in gespielter Scham zu verbessern:
"Nein, doch nicht, das war nur der Pullover." Die Welt dreht sich
so schnell und selbst er als 21jähriger hätte Mühe, mit dem Lauf
der Zeit mitzukommen. Wie soll es da erst einer Oma gehen. Als er
noch in der Kita war, war alles anders an Weihnachten und er plädiere
dafür, Weihnachten nur alle 2 Jahre zu feiern, damit man sich wieder
richtig freuen kann. Wir sollen mit der Liebsten/dem Liebsten feiern,
sagt er leiser werdend und das ist wieder ein Moment, der mich berührt
und in dem ich Daniels Sehnsucht nach Liebe, Besinnung, Innehalten
und Einfachheit spüren kann. Er spielt mit dem neuen High-Tech-Gerät,
während er sich danach sehnt, Liebe zu teilen. Ich finde es schlüssig so.
Vor vier Jahren war er in Verbindung mit dem Paradies, auf kindliche, fast
naive Art noch in dieser Urverbindung und zog ganz offen für alles
in die Welt wie Hans im Glück. Er ist erwachsen geworden auf seinem
Weg und bei seinem fight nach love and glory. Und als Erwachsener
beginnt die Suche, wie bei uns allen ... die Suche nach dem verlorenen
Glück, nach dem verlorenen Paradies. Wahrscheinlich hat Daniel
jetzt schon viel mehr gesagt, als er überhaupt wollte und beendet
seine Weihnachts-Philosophie mit einem spontanen: "Was ich eigentlich
sagen wollte: Lange Rede, kurzer Sinn: ich wollte euch nur Frohe
Weihnachten wünschen!"
Ich bleibe in der Pause oben und schaue
zu, wie die Faniels ihre Plätze verlassen, winke mal hier mal
dahin. Friedlich wirkt alles, überall hält eine an , um eine andere
zu umarmen, zu begrüßen, ein paar Worte auszutauschen.
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Viel hat diese Gemeinschaft schon ausgehalten, oft ist das Gewebe eingerissen,
sind Fetzen geflogen, musste gekittet werden, geknotet, neu gewebt.
As time goes by.
Nach der Pause geht es unbeschwert weiter mit
"Sunny". Daniel kommt mir leichter vor, lockerer, als wäre ihm
in der Pause ein Stein vom Herzen geplumpst. Er flirtet mit der
Backround-Sängerin Christina, er tanzt mit ihr und auch alleine rum.
Ich muss schmunzeln, wie er die Lieder ansagt, sich bemüht,
alles richtig auszusprechen, dann aber doch stolpert, bei "Fitz
Gerr..gerald" zum Beispiel und dann automatisch vom Hochdeutsch
ins Bayrische rutscht. Sehr liebenswert finde ich das, wenn ein
wenig schief geht, was er eigentlich vorhatte. "Ihnen wird auch
gleich warm. Ich werde den nächsten Song ins Mikrofon hauchen,
dass sie ganz wuschig werden." Auch das "wuschig" sollte wohl
eigentlich nicht ausgesprochen werden, aber nun ists raus. "The
girl from Ipanema" soll uns also wuschig machen. Ich werde nicht
wuschig, aber gebannt. Ich lausche gerne und mit großem Genuss
seiner wunderbaren, ausdrucksstarken, vollen Stimme. Ich lasse
mich von seiner gewachsenen Sicherheit durch den Abend tragen,
nicht gestääärbt-wirr-willenlos wie früher, irreal identifiziert
mit ihm, sondern nun warm an- und ausgefüllt. Ich bleibe ich.
Das fühlt sich gar nicht schlecht an.
Fortsetzung
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