Wenn Gesetze Salto schlagen
Es zeigt sich immer wieder: Das Leben selbst schreibt die spannendsten und
ungewöhnlichsten Geschichten. Und - wenn man es gewähren lässt,
kann auch gut und gerne ein Happy End mit im Spiel sein.
Wenn da nur nicht manchmal die Bürokratie wäre. Die Instanzen können sich
mit ihren Gesetzen von Recht und Ordnung ziemlich umständlich und
verwinkelt zeigen, auch teilweise veraltet. In puncto fortschreitender
Globalisierung inzwischen überholungsbedürftig. Immer noch kann
es passieren, dass ein natürlicher Lebensablauf sich fast in einer
Sackgasse wiederfindet, wie bei der "bürokratischen Reise" von Stephen und Susanne.
Stephens Mutter kommt von Barbados, der Vater ist Deutscher.
Da die beiden verheiratet waren, hatte Stephen die deutsche Staatsangehörigkeit.
Die Mutter behielt ihren Pass von Barbados. Bisher nichts Ungewöhnliches,
Multikulti-Familien gehören ja zum Glück mit in unser nationales
bzw. internationales Weltgeschehen. Es stellte sich jedoch bald
heraus, dass die Ehe der Eltern kein festes Fundament hatte und
sie sich scheiden ließen.
Stephen ist inzwischen 25 Jahre alt und
Student. Als seine Mutter vor einiger Zeit das Bedürfnis hatte,
ihre alte Heimat Barbados wieder zu besuchen, nahm sie Stephen mit,
um auch ihm das Land seiner Vorfahren mit allen Wurzeln zu zeigen.
Dort in einer Bar mit Live-Musik und Raggea vom Feinsten, fiel Stephen
ein Gitarrist und Sänger auf. Er war gebannt von seinem Gesicht
und hatte das Gefühl, in sein Spiegelbild zu sehen. Es dauerte nicht
lange und seine Mutter und Carlton, so hieß der Musiker, erkannten
sich. Beide waren als Teenager ein Paar und konnten sich gut an
ihre gemeinsame Zeit erinnern. Dass Stephen und Carlton ähnlich
aussahen, war nicht zu verbergen und zaghaft forschten sie, ob er
nicht doch der leibliche Vater von Stephen sein könnte. Sie rechneten
nach und es war nicht auszuschließen. Sie beschlossen, einen Vaterschaftstest
zu machen, der positiv ausfiel. Eine neue Familie war geboren, fantastisch!
Alle drei waren begeistert und Stephen wusste endlich, woher sein
musikalisches Talent stammte.
Von jetzt an nahm die "bürokratische Reise" ihren Lauf. Carlton folgte seiner wiedergefundenen Liebe
und seinem "frischgebackenen" Sohn nach Deutschland. Hier, bei den
deutschen Behörden bekannte er neben der Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung
auch freudestrahlend die Vaterschaft von Stephen. Die Bürokratie
schlief nicht und stellte blitzschnell fest: in dieser Konstellation
stimmt etwas nicht. Denn das deutsche Staatsbürgerrecht richtet
sich nach dem Abstammungsprinzip, was soviel heißt, dass deutscher
Staatsbürger ist, wer deutsche Eltern bzw. eine deutsche Mutter
oder einen deutschen Vater hat. Diese Voraussetzung war nicht mehr
gegeben. Durch einen Brief der Behörde wurde dem ahnungslosen Stephen
klargemacht, dass er unter falschen Bedingungen die
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deutsche Staatsbürgerschaft nach seiner Geburt erhalten hatte und jetzt seinen
deutschen Pass abgeben muss. Hinzu kam noch, dass auf Barbados andere Rechte gelten
und nur derjenige, der im Land geboren ist, auch die Staatsbürgerschaft erhält.
Es ist unglaublich: Stephen, der über 20 Jahre in Deutschland lebt, war plötzlich
aus allen Staaten gefallen und heimatlos geworden. Ein sehr unheimliches
Gefühl und eine große Enttäuschung. Theoretische Gesetzgebung
stellt sich hier eindeutig über das praktische Leben. Ob Gesetzgeber
auch daran gedacht haben, wie sich Betroffene dabei fühlen?
Als "erste Bürgerpflicht" musste Stephen seinen deutschen Pass abgeben.
Wehren war zwecklos, er hätte sich strafbar gemacht. Jetzt muss
er einen Einbürgerungsantrag auf deutsche Staatsbürgerschaft stellen
und bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Ein polizeiliches Führungszeugnis
muss erbracht werden und eine Bescheinigung aus Barbados, dass
er keine dortige Staatsbürgerschaft besitzt, was diverse Behördengänge
erfordert und ziemlich zeitaufwendig ist. Bedingung ist auch,
dass er ein dem Staat ausreichendes Einkommen vorweisen muss,
was natürlich während des Studiums nicht gegeben ist und die ganze
Situation noch komplizierter macht.
Inzwischen wurde ein Rechtsanwalt eingeschaltet, der versucht,
eine Sonderregelung zu bewirken, um die
Kosten und die Dauer der Einbürgerung in verkraftbaren
Grenzen zu halten. Als Übergangslösung wurde ihm ein befristeter
Reisepass ausgestellt.
Fortsetzung
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