Best of Berlin - die Küblböck-Kiste
Gerade eineinhalb Jahre sind es her, als Daniel zum letzten Mal im Kesselhaus
am Prenzlauer Berg ein Konzert gegeben hat, und doch hätten die
beiden Konzerte nicht unterschiedlicher sein können. War es damals
ein Stehkonzert am Anfang der Ich-hass-mich-Tour, das mir persönlich
von allen IHM-Konzerten, die ich besucht habe, von der Atmosphäre
am besten gefallen hat, stand dieses Mal ein Best-Of auf dem Programm.
Leider waren nicht so viele Fans da wie noch im Dezember 2005, die
Sitzplätze im Kesselhaus waren aber gut gefüllt. Das Konzert begann
mit einer Verspätung von einer halben Stunde und zwei Überraschungen:
An Daniels Seite stand die Starmix-Urbesetzung um Walter Fischer
und Rainer Amasreiter auf der Bühne, während Roland Riedlbauer,
der bei den letzten zwei Konzerten gespielt hatte, nicht dabei war.
Daniel mit Mütze und Schal über dem lässigen T-Shirt war ein inzwischen
ungewohnter Anblick, aber das Outfit passte mit seinem großstädtischen
Understatement sehr gut zu Berlin... und stand ihm nebenbei ausgezeichnet.
Dann ging es los und Daniel startete den Rückblick in seine bisherige
Sangeskarriere mit "Superman", das ein bisschen wie aus einer anderen
Zeit wirkte. Zu Beginn des Konzertes schien Daniel mir auch nicht
ganz "drin" zu sein, was vielleicht auch an der unseligen Droh-Geschichte
und den Verspätungen im Vorfeld lag. Er suchte mehr den Augenkontakt
mit dem Notenständer als mit dem Publikum. Wie sehr ihn das Noten-
und Textblatt in seinen Entertainer-Fähigkeiten einschränkte, zeigte
sich, als er bei "Born to be wild" zum ersten Mal frei performte,
den Hocker verließ und die Stimmung in der Halle damit gleich zum
Kochen brachte. Am liebsten hätte ich den Notenständer in der ersten
Hälfte des Konzertes irgendwo in die Ecke verbannt und Daniel zugerufen:
Du kannst es doch besser. Das hat mich gerade am Anfang gehindert,
mich besser in das Konzert hinein zu finden. Ein Höhepunkt vor der
Pause waren sicher die Variationen bei "Stand by me" am Schluss. Und Daniel
selbst, der bei allem unperfekten Bühnengeschehen sehr
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gut bei Stimme war, und einfach sympathisch rüberkam. Spätestens
bei "Man in the moon" kurz vor der Pause war ich bereit, ihm alles
zu verzeihen, den Notenständer samt Lippenstift-Werbung und seine
manchmal etwas unentschieden wirkende Bühnenpersönlichkeit. Weil
er für mich immer noch der liebenswerteste aller unperfekten Bühnenkünstler
ist... und gerade das auch seine Authentizität ausmacht.
Wie ein Griff in die Küblböck-Kiste mit all den wunderbaren, den schönen
und berührenden und manchmal vielleicht auch seltsam anmutenden
Besonderheiten wirkte auch der zweite Teil des Konzertes, in dem
sich Daniel mehr der Jetzt-Zeit annäherte, was die Intensität der
Lieder steigerte. Ein wunderbar leises "Fliegen" war für mich dabei
ein Höhepunkt, und ja, Daniel, es ist schön, wenn’s aus dem "Herzen
kommt", wie er danach meinte. Gleich darauf folgte mit "Fly me to
the moon" ein weiteres Highlight, welches DAS Bild dieses Konzertes
für mich einfing: Daniel mit angewinkelten Beinen am Bühnenrand
sitzend, in sich versunken und seinen Tönen nachlauschend. Bei "Proud
Mary" wurde es dann so richtig rockig, mit mitreißender Bühnenperformance
und brodelnder Stimmung in der Halle. Je länger das Konzert dauerte,
um so mehr eroberte sich Daniel die Bühne und blieb auch nach "My
Way", der zweiten Zugabe stehen, als alle Musiker die Bühne schon
verlassen hatten. Mit einem "Left a good job in the city" – der
Textzeile aus "Proud Mary" - verabschiedete er sich fast zärtlich
von den Zuschauern im Kesselhaus.
Für mich war dies eine Art "Übergangskonzert" – wohin Daniels Weg bei seinen kommenden
Konzerten ihn führen mag, das vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht
weiß er das selbst noch nicht. Eine Art Rückschau war’s, manches
wirkte nicht mehr ganz passend, anderes dagegen überraschend neu.
Im Herbst wird alles anders, das wage ich jetzt schon zu sagen und
Daniel wird sich wohl wieder einmal neu erfinden.
Text: Andrea Grothe · Fotos: Sandra Janke/Im Endeffekt
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