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Lustiges & Satire 4/5
August 2008
Daniel und die gute Fee
Ein unangenehmer Lärm drang von außen in die noch menschenleere Halle. "Alle zurücktreten! Weg vom Eingang!", dröhnte es in die Masse. Einen Moment lang sah Daniel zu der massiven, doppelseitigen Tür hinüber - noch war sie fest verschlossen. Dann wanderte sein Blick wieder auf das Bildnis rechts an der Wand, auf das zierliche Geschöpf, mit nichts als einem dünnen, weißen Tuch bedeckt. Das wallende Haar fiel wie ein dunkler Rahmen um ihr schmales Gesicht; die zarten und doch so kraftvollen Flügel ausgebreitet, die Augen fest auf die Blüten der Natur gerichtet, tänzelte sie leichtfüßig über die Halme.
Fee / Foto: public domain
Eigentlich freute sich Daniel stets auf seine Konzerte - nur heute fühlte er sich irgendwie total missmutig und launisch. War die Halle nicht viel zu klein für das, was er geben wollte? Müsste sie nicht mindestens vier Mal so groß sein und sich füllen bis in den allerletzten Winkel? Könnte ihm nicht einfach eine gute Fee begegnen - ja, genau so eine, wie auf dem Bildnis - und ihm seinen Herzenswunsch erfüllen, einfach so? "Klar könnte ich
das", kicherte eine helle Stimme hinter ihm. Erschrocken drehte sich Daniel um - war hier noch jemand auf der Bühne? Hatte er womöglich laut gedacht? "Hier oben", tönte es wirklich hörbar belustigt. Daniel sah hoch und prompt kitzelte ihn eine weiße Lilie an der Nase. "Hey, was soll das? Komm gefälligst runter!", moserte er und nun sah er sie endlich: jenes anmutige, zarte Geschöpf mit den Wallehaaren.
Schmollend klappte es die Flügelchen ein und setzte sich vor ihn mitten auf den Boden. Ungläubig starrte Daniel hinunter auf das kleine Wesen, zog es dann aber vor, sich einfach daneben zu setzen und ihr nun doch lieber ein freundliches Lächeln zu schenken - unglaublich oder nicht: einer Fee begegnet man schließlich nicht alle Tage.
"Und wer bist du?", erkundigte er sich sicherheitshalber dann doch erst mal. "Ich heiße Lily Fairy", grinste sie nun wieder und drückte ihm die weiße Lilie in die Hand. "Und ... ähm ... was willst du?" "Du hast mich doch gerufen", konterte sie und Daniel lachte: "Ich wusste gar nicht, dass ich sowas kann." "Das kann jeder", entgegnete sie schnippisch und erhob sich nun: "Du willst also einen Wunsch erfüllt haben - einfach so. Ich mein's gut mit dir, ich geb dir drei Wünsche. Also leg los!" - "Jetzt sofort? Und die erfüllst du mir dann??" "Voll und ganz!", versicherte Lily und vor lauter Eifer bemerkte Daniel nicht das schelmische Aufblitzen in ihren Augen. "Okay ... dann wünsche ich mir ... ich wünsche mir, dass tausende Menschen vor mir stehen und erstaunt zu mir aufschauen."
Kaum hatte Daniel die Worte zu Ende gesprochen, befand er sich auch schon inmitten eines Wirbelwindes und kurz darauf vor tausenden von Menschen, die erstaunt und mit offenstehenden Mündern zu ihm aufblickten - was auch kein Wunder war, denn er stand mitten auf der Quadriga des Brandenburger Tores - splitterfasernackt!! Daniel bekam einen riesigen Schrecken und obgleich er blitzschnell das Allerheiligste mit beiden Händen bedeckte, war ihm diese missliche Lage doch mehr als unangenehm. Lily konnte sich ein Kichern nicht verkneifen und hätte Daniel auch nur eine Hand frei gehabt, dann hätte er dem frechen Fabelwesen am liebsten kräftig eins hinten drauf gegeben. "Willst du jetzt deinen zweiten Wunsch?" gluckste Lily. "Ja!!!" Daniel war schon ziemlich sauer und ob der peinlichen Situation kaum imstande, noch lange zu überlegen: "Die Menschen sollten begeistert sein, ich will Musik machen, ich ..." Weiter kam nicht, denn prompt geriet er wieder in jenen Wirbelwind.
Vorsichtig sah sich Daniel um: Mitten auf dem Podest eines antiken Marktplatzes stand er und in seinen Händen hielt er eine sogenannte Kithara, solch ein Saiteninstrument der griechischen Antike. Die Menschen um ihn waren ebenfalls altertümlich bekleidet und schauten ihn an, als hätten sie ein Gespenst gesehen - bis der erste plötzlich schrie: "Apollo! Das ist Apollo - vom Olymp zu uns hinab gestiegen!" Die Menschen fielen auf die Knie vor Daniel, sie jubelten, beteten und verneigten sich immer wieder, wie es Daniel noch nie erlebt hatte. "Na, zufrieden? Gott der Poesie, Beschützer der Künste
 
Online-Magazin Im Endeffekt Ausgabe 16 · © 2003 - 2008 danielwelt.de · Impressum · Printausgabe