AIDS betrifft nicht den Einzelnen...
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Behausung kann dabei ein Ausdruck unserer zuneh-menden Vereinsamung und Isolierung sein oder werden.
Diese eindeutige Entwicklung versucht der moderne Mensch besonders mit zwei Hilfsmitteln zu kompensieren oder auch entgegenzuwirken:
Kommunikation und Sexualität. Immer mehr überschlägt sich die Reizüberflutung durch Zeitung, Radio, TV, Telefon, Computer etc.
Sexuelle Freiheit ist eine weitere Möglichkeit. Man darf, will und kann mit jedem in Kontakt und Berührung kommen, wobei die Seele nicht immer berührt wird.
Bezogen auf das Thema heißt es in den Denkanstößen des Buches: Sexualität muss durch Liebe ausbalanciert werden, sonst gleiten wir in die Einseitigkeit. Einseitigkeit macht krank.
Liebe bedeutet eine echte Begegnung mit einem anderen Menschen. Die Begegnung mit "dem anderen" ist aber auch immer ein angstauslösender Prozess, denn sie führt auch in die Konfrontation der eigenen Tiefe. Sie kann z.B. restlose Hingabe spürbar machen, die sich als haltloses Fallen ins Ungewisse ziemlich gefährlich anfühlt und lieber nicht lebbar werden will. Weil dem so ist, ist Partnerschaft oft nicht einfach und eher schwer.
Wird Liebe im Sinne der seelischen Begegnung und Auseinandersetzung mit einem anderen Menschen nicht mehr im Bewusstsein erlebt, so fällt die Liebe in den "Schatten" und zuletzt in den Körper. Liebe ist das Aufgeben von Grenzen und das "Sich öffnen" für das von außen kommende, um mit ihm eins zu werden.
Der Zusammenbruch der Abwehrkräfte bei AIDS entspricht genau diesem Prinzip. Die natürlichen Abwehrkräfte werden "entschwächt". Die körpereigene Abwehr, die in der Regel die notwendige Grenze von alleine verteidigt und für eine korporale Existenz wichtig ist, wird kraftlos. Die Abwehr kippt ins Gegenteil.
Die These ist: Der AIDS-Patient lebt auf der Körperebene die Liebe, die Offenheit und die damit verbundene Berührbarkeit und Verletzbarkeit, nach der er sich auf der seelischen Ebene sehnt.
Die Essenz des Buches beinhaltet nicht die Aufgabe, Sexualität zu verteufeln oder zu verdrängen, eher leitet sie zu der Aufgabe, körperlich verstandene Sexualität ins Gleichgewicht zu bringen mit einer "seelischen Begegnungsfähigkeit", die kurz "Liebe" genannt wird.
Mich haben die oben beschriebenen Perspektiven sehr berührt und nachdenklich gestimmt. Was an den Thesen wirklich der Wahrheit entspricht, kann ich nicht sagen. Da halte ich mich gerne an die Definition von Paulo Coelho:
"Wahrheit ist nicht, was uns Gewissheit verleiht.
Sie ist nicht, was uns Tiefe gibt.
Sie ist nicht, was uns besser als die anderen macht.
Sie ist nicht, was uns im Gefängnis unserer Vorurteile gefangen hält.
Die Wahrheit ist das, was uns frei macht.
Dabei zitiert er Jesus: "Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen."
Auch eine eigene Überzeugung kann ich schon in mir tragen:
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Der Körper ist der Spiegel unserer Seele und er lockt mich immer wieder näher hinzusehen und… jedes Zeichen der Liebe hat seine eigene Schönheit und Heilkraft.
Uscha Wolter · Foto: Bettina Lietz
Buchtipp
"Krankheit als Weg"
von Thorwald Dethlefsen und Ruediger Dahlke
ISBN-10 38094 23 777
€ 9,95
bei Amazon bestellen
Das Buch handelt von der Deutung und Be-Deutung der Krankheitsbilder, wobei eine wichtige Aussage der Autoren ist:
"Unsere Absicht ist nicht, Krankheit zu bekämpfen, sondern sie zu benützen", was soviel heißen kann, dass alle physischen und psychischen Symptome uns letztendlich wertvolle Botschaften aus unserem Seelenleben übermitteln.
Der Psychologe Thorwald Dethlefsen und der Mediziner Ruediger Dahlke versuchen zu helfen, damit wir die Bedeutung von Krankheiten begreifen. Sie zeigen gut verständlich auf, was Infektionen, Kopfschmerzen, Unfälle, Herz- und Magenschmerzen, aber auch was große, noch immer tabuisierte Leiden wie Krebs und Aids uns sagen wollen.
Wer die eigenen Krankheitsbilder versteht, kann einen neuen, besseren Weg zu sich selbst finden.
Im Vorwort schreibt der Verfasser, dass dieses Buch "unbequem" ist, denn es entzieht dem Menschen die Krankheit als Alibi für seine ungelösten Probleme.
Ich habe es als ein sehr aufrüttelndes, bereicherndes und aufklärendes Buch erlebt und kann es weiter empfehlen an alle, die Hintergründe über persönliches Empfinden interessant und wissenswert finden.
Uscha Wolter · Buchcover: Amazon.de
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