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Juni 2009
Interview mit H. Müller
IE: Wie stärken Sie die soziale Kompetenz der Kinder?
Holger Müller: Da ist zum einen die Sprachförderung, dass die Kinder miteinander kommunizieren können und müssen, um eine Basis zu schaffen. Das machen Lehrer von der Hauptschule nebenan, da kommt ein Lehrer täglich und bietet das an. Spezielle Einzelförderung machen wir auch, also je nachdem, je nach Situation, welches Kind wo steht und was wir für dieses Kind tun können und das in enger Zusammenarbeit. Das Kind bestimmt das Tempo. Wir machen auch viel über Musik in unserer Einrichtung, viel über Theater, über Spiele, da kann man wirklich jedes Kind da abholen, wo es gerade steht.
H. Müller · © Hannelore Milsmann
IE: Die Lehrer machen das freiwillig, nach ihrem normalen Schulunterricht?
Holger Müller: Das ist Teil eines Projektes. Unsere Einrichtung wird ja aus verschiedenen Projekten gefördert, von der Stadt, vom Bund, vom Landschaftsverband Rheinland.
IE: Und das wird gut angenommen von den Schülern?
Holger Müller: Absolut, ja. Das ist halt ne ganz andere Situation als Schule. Stadtbetrieb Schulen in Wuppertal ist wirklich absolut begeistert von dieser engen Zusammenarbeit. Wir haben da verschiedenste Gruppierungen, das ist dann auch national bedingt einfach, aber trotzdem, wenn dann gekickert wird – wir
haben so 'nen großen 8-Mann-Kicker – dann ist das egal, dann spielen da auch acht Nationen miteinander, das ist natürlich auch ganz schön, dass wir da auch Vorurteile ausräumen können.
Sonntags kochen wir immer mit den Kindern zusammen. Der Sonntag ist so ein ganz entspannter Tag, unabhängig von Hausaufgaben und jeglichem Schuldruck und da ist es faszinierend, dass trotzdem jeden Sonntag 30 Kinder da sind, obwohl dann ja eigentlich Eltern zuhause sein müssten und trotzdem kommen die, weil sie einfach gerne da sind.
IE: Und wenn es Probleme mit Lehrern oder in der Schule gibt, dann sind Sie auch dafür da?
Holger Müller: Ja, selbstverständlich. Es gibt natürlich auch Kinder, die über den Bezirks-Sozialdienst betreut werden. Wenn Gespräche stattfinden, da sind wir ganz oft dabei und bei Lehrerkonferenzen.
Wir versuchen da immer – je nachdem, wann es gerechtfertigt ist – so’n bisschen der Anwalt des Kindes zu sein. Schule ist immer noch was anderes als zu gucken, wie verhält sich so’n Kind im Freizeitbereich.
Wir haben wirklich Kinder, die haben in der Schule eine Klassenkonferenz nach der anderen und dann bin ich immer ganz erschrocken und sage, Mensch hier ist der das liebste Kind und hilfsbereit und alles… und da versuchen wir dann zu sehen, woran liegt das, was können wir da bieten? Da konnten wir schon manchen Schulverweis tatsächlich irgendwie retten, indem man wirklich auch ganz engen Kontakt mit Eltern hat. So klassische Jugend-Sozialarbeit, die man da betreibt.
IE: Was sollte der Staat, was die Kirche, was jeder einzelne tun, um die Situation der Schlüsselkinder zu verbessern?
Holger Müller: Ich finde es ist zunächst mal für die Stadt Wuppertal – und anderen Gemeinden geht es ja genauso – ein absolutes Armutszeugnis, dass es solche Mittagstische und Tafeln überhaupt geben muss. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt und es gibt so viele Tafeln, in Wuppertal wurde jetzt die zweite Kindertafel aufgemacht, wir haben den kostenlosen Mittagstisch, die Kollegen vom CVJM hier in Wuppertal machen da ähnliche Arbeit wie wir. Ne Tiertafel gibt es jetzt hier in Wuppertal, wenn die Oma nicht mehr das Essen für den Rauhaardackel zusammen kriegen kann, das ist ein Armutszeugnis sondergleichen.
Klar, in Wuppertal gibt's leere Stadtkassen, aber wenn ich mir dann überlege, für ein paar Millionen wird das Opernhaus da saniert, weil die Bestuhlung nicht mehr so schön ist, da könnte ich auf deutsch gesagt kotzen, das kann nicht sein. Wir gucken, dass wir da jedes Jahr irgendwie unser Geld zusammen kriegen für den Mittagstisch und das ist nicht einfach. Wobei wir uns auch nie – und das werde ich auch nie machen, solange ich der Einrichtungsleiter bin – an einen großen Sponsor hängen, der dann damit wirbt, dass er den armen Kindern in Wuppertal hilft und damit dann irgendwie hausieren geht. Und da haben wir gesagt, da müssen wir andere Wege finden. Der Mittagstisch ist finanziert nur durch Spenden von Privatpersonen und durch Kollekten der Kirchengemeinde.
 
Online-Magazin Im Endeffekt Ausgabe 18 · © 2003 - 2009 danielwelt.de · Impressum · Printausgabe