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Gesellschaft & Medien 1/4
Februar 2004
Mehr Gesellschaft & Medien
"Demokratie lebt vom Mit-Mach-(t)en."
Das Springer-Blatt "Bild" titelt: "14.000 buhten und pfiffen ihn aus! Haben ihn die Fans verstoßen? Daniels schlimmste Nacht"1
Unter anderem nach dieser Medienmeldung zog ein Großteil der Printmedien nach und starteten eine Pressekampagne, in der Daniel die Menschenwürde grundsätzlich abgesprochen und er zum Freiwild für schreibwütige JournalistInnen erklärt wurde. Ähnlich wie in einer Hetzkampagne ist jede diffamierende Formulierung erlaubt, ist kein Gerücht zu dumm, jede Un- oder Halbwahrheit wird zur eigenen Profilierung genutzt und gleichzeitig das Ansehen von Daniel Küblböck rapide heruntergesetzt. So wird Daniel oft nur bei seinem Nachnamen genannt, welcher gleichzeitig ein Synonym für "Schlechtes" oder "Sinnloses" geworden ist oder wird. Natürlich rufen die Medien nicht selber zum Ausbuhen oder ähnlichem auf; doch durch das Bild, welches sie von Daniel zeichnen, setzen sie die Hemmschwelle des Publikums herunter und sagen im Endeffekt, dass solche "Unmutsbekundungen" bei Daniel (aber auch bei anderen Menschen) nicht so schlimm bzw. gerechtfertigt sind.

Einen damaligen Höhepunkt bildete dann die Akte 03- Sendung (Sat1) vom 02. Sept. 2003. In ihr wurde die Prognose des baldigen Karriereendes (und des danach höchstwahrscheinlich folgenden psychischen Absturzes) von Daniel Küblböck als Headliner aufgemacht.
Für die Lesenden und Zuschauenden, die sonst keine weiteren Hintergrundinformationen erlangen können, erscheinen diese Meldungen als Wahrheit und formen somit auch (unbewusst) das Denken.

Beziehen wir diese Kraft der Medien nicht nur auf das Showbizz, sondern auch auf andere Bereiche der Gesellschaft und Politik, wird deutlich, wie viel Macht den Medien zugeschrieben werden muss.
Jürgen Habermas2 spricht in diesem Zusammenhang von manipulierten (Massen-) Medien, die wirtschaftlich abhängig sind. Es wird also nicht berichtet, was wahr ist, sondern was die Menschen hören wollen und wofür sie bereit sind zu bezahlen. Schauen viele Leute ein Programm, kann sich auch der Sender die Werbung teuer bezahlen lassen.Somit sind die Medien abhängig von der Meinung der Zuschauenden, die sie aber wiederum mit beeinflussen.

Habermas weitere Ausführungen können vereinfacht zusammengefasst werden: Die gegenwärtigen Massenmedien verkaufen ihre Inhalte und Darstellungen als Wahrheit an ein ansonsten uninformiertes Publikum. Dabei sind diese Inhalte andererseits nicht losgelöst von gesellschaftlichen Vorgaben, da sie sich sonst nicht finanziell verwerten lassen.

Genau an dieser Wechselwirkung, Medien - gesellschaftliche Meinung - ökonomisches Interesse, kann die Macht derjenigen ansetzen, die mit der Berichterstattung (und mit den gesellschaftlichen Prozessen im Allgemeinen) nicht einverstanden sind.

Im konkreten Fall der Berichterstattung der Bildzeitung und von Sat1 sah die Eingriffsmöglichkeit dann folgendermaßen aus: Die Masse an Protestmails und -briefen haben die Bildzeitung dazu gezwungen, LeserInnenbriefe zu veröffentlichen, in denen die Vorgänge auf der "Comet-Verleihung" richtig gestellt und gleichzeitig die Rolle der Medien beleuchtet wurden.Gleichsam wurde die Akte 03-Redaktion (Sat1) nach eigenen Angaben von einer noch nie dagewesenen Protestwelle (Fax, Mails, Briefe und Telefonate) überrollt, so dass diese sich dann entschloss, Daniel Küblböck in eine darauffolgenden Ausgabe des Magazins einzuladen und ihm damit die Gelegenheit zu geben, sich selber darzustellen.
Ebenso führte diese gewaltige Aktion der Fans und des interessierten Zuschauers die Behauptungen des Akte 03-Berichtes ad absurdum, denn enttäuschte und sich abwendende Fans würden eine solche Flut an Protestbekundungen nicht zustande bekommen. Dies ist eben nur einer wahren Fanmacht (O-Ton Daniel Küblböck) zuzuschreiben.

Was aber ist Macht?
Keine Theoretikerin hat das Verhältnis zwischen Macht und politischem Handeln, zwischen Politik, Staat und Gesellschaft, so genau analysiert wie Hannah Arendt3 . Demnach entspricht Macht "der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln. Über Macht verfügt niemals ein Einzelner, sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur solange existent, als die Gruppe zusammenhält." Des weiteren beschreibt die Philosophin das politische Handeln als eine Zusammenkunft von Gleichen, die agieren und die öffentliche Meinung gestalten.

Somit müssen neben den offensichtlichen, da demokratisch legitimierten, politischen Machtstrukturen noch weitere Möglichkeiten des Ausdruckes und besonders der Durchsetzung von eigenen Standpunkten erkannt werden. Überall, wo sich Menschen zusammenfinden, um gemeinsam zu agieren und zu handeln, kann Macht entstehen, die Macht als Möglichkeit, etwas zu machen und zu verändern. Am Eindeutigsten lässt sich dies an sozialen Bewegungen wie zum Beispiel der Frauenbewegung oder von Gewerkschaften aufzeigen, aber auch in der neusten Geschichte lässt sich an Hand der Massendemonstrationen in der ehemaligen DDR beweisen, dass gemeinsames Handeln Machtstrukturen, die als unüberwindbar angesehen wurden, zusammenbrechen lassen können. Somit sind diese politischen Strömungen, die auf den ersten Blick erst mal gar nicht machtvoll aussehen, als notwendig für demokratische Prozesse anzusehen, denn nur so können Veränderungen erreicht werden.
Bei näherer Betrachtung muss also den selbstorganisierten Gruppierungen durchaus Macht zugesprochen werden, nämlich die Macht des gemeinsamen Handelns, welche den Mächtigen (zum Beispiel die Medien) dazu zwingen können, die eigenen Forderungen zu erfüllen.
Vor allem in der Abhängigkeit der Zustimmung der Bevölkerung, also der Abhängigkeit von der öffentlichen Meinung, steckt ein Machtfaktor. Allerdings können wir diese Macht nur dann einsetzen, wenn wir uns dieser Macht auch bewusst sind.

Hinsichtlich der Medien zeigt sich, dass durch gemeinsame Anstrengungen sehr wohl Gegeninformationen, dass heißt in diesem Fall dann unsere Sichtweise, in die Öffentlichkeit gebracht werden können. Somit ist es also nicht nur unser demokratisches Recht, sondern sogar unsere Pflicht, unsere Meinung in die Presse und somit in die Öffentlichkeit zu bringen. Dazu ist es ebenso so wichtig und notwendig, darauf hinzuweisen, dass ein tolerantes Verhalten aller das Leben lebenswerter macht.

Nicht nur für Daniel, sondern für uns alle kann so etwas bewegt werden - die Macht dazu haben allein wir.

1 Bildschlagzeile (16. Aug. 2003) zu den Publikumsreaktionen beim Auftritt auf der Cometen-Verleihung (2003) von Daniel Küblböck. zurück
2 Jürgen Habermas ist Soziologe und Politikwissenschaftler, der sich vor allem mit den Auswirkungen von Medien und sogenannten Massengesellschaften beschäftigt. zurück
3 Siehe Hannah Arendt in ihrem Buch "Vita aktiva". zurück

Beate Gonitzki
 
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