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Kunterbuntes 6/6
März 2010
          Von Mensch zu Mensch
Augenhöhe · © Uscha Wolter
Der Therapeut Fred und der Obdachlose Pit lernen sich auf Augenhöhe kennen, von Mensch zu Mensch. Es sind die zwischenmenschlichen Momente, die Uscha Wolters Roman zu etwas so Großartigen haben werden lassen. Die Hauptfigur Fred lernt auf sehr harte Art und Weise, wie sich wohl viele seiner Patienten fühlen müssen.
Im Laufe der Geschichte wird er vom Behandelnden dieser Patienten mit einem Schlag zu einem von ihnen. Er leidet mit einem Mal genauso wie sie und beginnt zu begreifen, was sie Tag für Tag durchmachen. Es ist eine Sache, Psychologie studiert zu haben und über die Theorie Bescheid zu wissen, doch eine andere Sache ist es, das alles auch genauso durchleben zu müssen, ohne dass man je daran gedacht hat.
Den Titel "Augenhöhe" hat sich Uscha Wolter also sehr passend ausgedacht. Ihr Buch legt einiges offen, unter anderem die Wahrheit, dass alle Menschen gleich sind.
Niemand ist mehr oder weniger wert als der andere. Fred und Pit hätten bestimmt niemals herausgefunden, wie ähnlich sie sich sind und wie nahe sie sich stehen, wenn Fred seelisch nicht abgestürzt wäre. Wenn Freds Leben nämlich weiterhin so glatt wie bisher verlaufen wäre, dann wäre er nie in die Situation gekommen, welche die Voraussetzung dafür war, Pit überhaupt erst begegnet zu sein.
Laut eigener Aussage hat Uscha Wolter bei der Entstehung ihres zweiten Romans "Augenhöhe" nahen Kontakt zu Menschen gesucht, die auf der Straße leben und ein ähnliches Schicksal hatten wie ihre Hauptpersonen im Buch. Das merkt man in jeder Zeile des Romans. Selbst die Autorin hat sich demzufolge "in Augenhöhe" begeben mit den Menschen, die am Rande der Gesellschaft angesiedelt sind und für die kaum jemand Verständnis aufzubringen scheint. Uscha Wolters Buch ist ein Ja zum Leben und eine Geschichte über eine starke, feste Freundschaft, die alle Hindernisse niederreißt und auf einer tiefen und sehr verbundenen Ebene stattfindet. Meiner Meinung nach ist "Augenhöhe" ein Roman, der aus dem Rahmen fällt und sich sehr vom Einheitsbrei des Massenmarkts abhebt. Ich selbst habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht und endet. Viele Beschreibungen und Stellen riefen Erinnerungen an meine Zeit wach, in der ich ein Soziales Jahr auf einer Psychiatrie-Station abgeleistet habe, auf der sich unter anderem viele Menschen mit Alkoholproblemen aufhielten. Ich habe genau diese Erfahrung gemacht, die Uschas Roman beschreibt. "Auf Augenhöhe" bin ich damals jedem dieser Patienten begegnet und für sie war ich in den Augenblicken des Zuhörens einer von ihnen. Sie merkten, ich habe ein offenes Ohr für sie und konnten mich dankbar annehmen.
Es gehört schon eine gehörige Portion Mut dazu ein Buch zu schreiben, das sich einem solch ungemütlichen Thema widmet. Auch läuft man bei so einem Vorhaben Gefahr, zu sehr ins Moralische abzudriften. Aber Uscha Wolter beherrscht ihr Handwerk. Keine Passage des Romans wirkt übertrieben oder aufgesetzt. Es ist deutlich zu spüren, wie intensiv sich die Autorin selbst mit dem Thema befasst hat. Als ich mit diesem Buch fertig war, fühlte ich mich innerlich ausgeglichen und eins mit der Welt um mich herum. Es war wirklich ein schönes Gefühl. Ich möchte jedem, der gerne Bücher mit Tiefgang liest und Bücher, die anders sind als der Rest, Uschas Roman "Augenhöhe" ans Herz legen. Sie werden es nicht bereuen! Versprochen!
Franz Grulich
Foto: Uscha Wolter
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