Hauptsache, man bewegt!

Pia Yvonne Woods, Daniel Küblböck und Ulli Lommel bei der Filmpremiere in München. Im Hintergrund Rudolf W. Brem |
Für die Filmkritiker der „seriösen“ Blätter wie FAZ , FR oder SZ war es ein Quell ewiger Freude, sich über die so un-konventionellen Werke des Regis-seurs zu ereifern. Was müssen sie ihn vermissen, den Fassbinder! Nicht anders ist es zu erklären, wenn Hans Schifferle in der Süddeutschen vom 13. August diesen Jahres ein flammendes Plädoyer auf „Daniel, der Zauberer“ hält, nicht ohne freundliche Erwähnung von Sirk, Warhol oder Fassbinder selbst.
Am Tag zuvor durfte sich bereits Kollege Martin Thurau im Feuilleton der Süddeutschen austoben, der mit seinen ironischen Satzverschlingungen nicht nur die Gemüter der Faniels zur Verzweiflung trieb, vielmehr in seinem Rundumschlag erst Küblböck, Lommel und Schamoni kunstvoll einordnete – und dann, quasi in einem Aufwasch, den großen RWF gleich mit. Bravoziös! Respekt!
Kollege Thurau! Sie folgern: „Kino ist Leben, heißt es zu Recht.“ Das ist so nicht ganz richtig: „Film is bigger than Life“, so sprach einst Douglas Sirk. „Film, das ist Blut, das sind Tränen, Gewalt, Hass, der Tod und die Liebe“, erweiterte der damals 26-jährige Fassbinder das Zitat seines Idols. Von einem „Tanz zwischen Phantasie und Realität“ schwärmt heute Regisseur Ulli Lommel.
Daniel Küblböck in "Daniel, der Zauberer"
Kunst liegt im Auge des Betrachters. Manchmal, wenn der Kunstschaffende Glück hat, auch in seinem Herzen. Und nicht im Geldbeutel des sie sinnlos Konsumierenden. Zum Glück. Hauptsache, sie bewegt.
Corinna Kahl Fotos: Nina Dorfmüller, Filmverleih, Corinna Kahl, lennah, www.daniel-der-zauberer.de
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"What you get is what you see..."
Was man wahr nimmt, liegt im Auge des Betrachters. Jeder sieht nur, was er sehen will – oder kann. Folglich gibt es auch über Ulli Lommels Film mit Daniel eine breite Palette kontroverser Ansichten.
Ich sehe „Daniel, der Zauberer“ als einen herrlich freien Film, dessen Macher sich keinen Deut darum scheren, ob sie auch ja den Geschmack des Mainstream versessenen Kinopublikums bedienen, sondern genau das tun, was sie interessiert: sich gemeinsam und auf wunderbar spielerisch-kreative Weise einem Menschen zu nähern, der sie fasziniert, auf den sie neugierig sind wie ein unverbildetes Kind, dem die Welt noch ein Paradies voller Wunder und Geheimnisse ist. Daniel Küblböck. Sie hören und sehen ihm wirklich zu, wollen mit ihm spielen, weil er einer von ihnen ist, ein Authentischer, ein Künstler und weil es solchen Spaß macht, zusammen in einem kreativen Rausch abzufahren, sich gegenseitig zu immer neuen Blüten der Phantasie zu inspirieren. Der Schalk blitzt den Schauspielern, den Profis wie den Laien, aus den knallwachen Augen, selbst während sie gewichtige Worte vortragen. Schnell ein genialer Schnitt! Die Kamera gluckst vor Vergnügen, als sie Farbenfrohem hinterher hüpft, in Bildern von ungeheurer poetischer Dichte kurz Atem holt und gleich wieder weitersaust, um frischen Schnee zu riechen. An diesem Film ist irgendwie alles so wie Daniel: offen, verspielt, frei, mutig, ehrlich, echt – und richtig gut! In Daniel – in ‚the skin he is in’ – paart sich feingeistige Leichtigkeit mit einer auf die harte Tour erworbenen Seinstiefe und Herzensweite, die ihresgleichen in den Reihen bundesdeutscher Muffelklone niemals finden wird – eher schon im Dunstkreis des jungen Dalai Lama. Die Kombination einer wunderbaren Seele mit außergewöhnlichen Entertainerqualitäten und einem sehr gesunden Selbstbewusstsein, das auf der exakten Einschätzung der eigenen Möglichkeiten basiert, macht Daniel zu einem wirklichen Ausnahmetalent, welches kongeniale Künstlerkollegen, Fans und selbst einige fähige Kritiker zu würdigen wissen, das sich dem sehbehinderten Auge Otto Normalverbrauchers aber nicht erschließt. Denn Daniel ist auf so subtile Weise genial, dass nur der es 100% mitbekommt, der sich 100% selbst vergisst und ganz und gar einlässt. Wer es tut, wird reich belohnt, der Zauber des Magiers prallt nicht an ihm ab, sondern trifft mitten ins Herz und verwandelt die eben noch so bleierne Öde einer homöostatischen Welt in ein fulminantes Festival der Liebe und puren Lebensfreude.
Besondere Highlights:
Alle Konzertmitschnitte, die zeigen, welch charismatische Kraft dieses zierliche Wesen ausstrahlt – wie es mit einem Augenaufschlag oder einer kleinen Handbewegung, einem langgezogenen Ton oder einem Moment absoluter Stille eine Ansammlung von hunderten Individuen so meisterlich dirigiert, bis alle, vom Flow ergriffen, zu einem einzigen Energyhappening verschmelzen.
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