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Gesellschaft & Medien 5/9
August 2004
Trash und Erhabens
Doch das Original bleibt dasselbe; die mediale Aufmerksamkeit verändert nicht sein Wesen, nur den Blick. Auch Medien suchen eine unverwechselbare Identität, die ihnen nur menschliche Wesen verleihen können: "Stars geben den Formaten ein Gesicht", konstatiert Peter Studhalter von RTL. 3 Sender kreieren aus Menschen Figuren, um Zuschauer zu binden und binden im Gegenzug den Menschen an eine Figur. Doch wer sich nicht von den Medien diktieren lassen will, muss sie ironisieren. Daniel ignoriert die Maulkörbe. Während die Medien uns Daniel vorspielen, spielt Daniel sich selbst auf der großen Leinwand und nimmt die Medien aufs Korn. Die Popkultur der 80er Jahre "veränderte subversiv das Wertebewusstsein, indem sie das Peinliche zum Kult, den Industrieschrott zur Trash-Kultur und das Zeitgeistmagazin 'Tempo' zur Bibel der Ironiker machte". 4

Was Daniels Kritiker übersehen, ist seine Selbstironie. Der Artikel von Klaudia Brunst bedient sich der gleichen Sprache wie die Medien, die er kritisiert. Er deckt mediale Mechanismen auf, reflektiert differenziert über Stars, die seit Jahren im Geschäft sind, aber das Image von Daniel reproduziert er, ohne sich die Mühe des Dahinterschauens zu machen. Schade. Die klugen Analysen scheinen die eine oberflächliche in ihrem Kielwasser mitzuverifizieren, das bekannte Image zu zementieren. Lediglich ein weiteres Abbild des Umgangs mit Daniel in den Medien und in der Gesellschaft.

Was ist mit 'Trash' eigentlich gemeint? Der Abfall des Perfektionierten, das, was übrig bleibt? Oder das Perfektionierte selbst, das übrig bleibt und als Ideal reproduziert wird?

Trash und Erhabenes sind nicht klar voneinander abzugrenzen - vielleicht theoretisch, aber im täglichen Leben (auch dem der Stars) nicht. Selbst wenn ein 18jähriger die Weisheit besäße, beides zu trennen, er könnte es nicht umsetzen - ebenso wenig wie wir.
Die Dschungelshow war Trash in ihrer Aufmachung, stellte Daniel aber AUCH vor essentielle Situationen (warum haben wir mit ihm gelitten?) Er hat sich dadurch kennen gelernt, wie er es nur dort konnte.
Wird Erhabenes erst durch ein breites Publikum zum Trash? Und ist in der Zeit nach Andy Warhol ein trashfreies Leben noch denkbar? Warum kaufen sich Faniels Motzpuppen & Wackeldaniels?

Kann das Paradies, das Daniel in sich trägt, vom Trash berührt werden? Und es verändern? Oder spielt er nicht gerade auch bewusst mit dem Trash? Ist es nicht auch eine Antwort auf den Trash, dem er permanent begegnet? Hätte er ohne Trash-RTL dieses Sprungbrett bekommen? Ist es schwerer, unbekannt zu beginnen und vielleicht auch zu bleiben, oder mit einem Trash-Image, das sich schwer revidieren lässt?

Wie sehr belastet es Daniel? Seine Generation wuchs mit dieser Kultur auf. Sind es nicht die unter uns, die ab ca. 10 Jahre älter als Daniel sind, die eine Problematik sehen, die Daniel nicht so vorrangig sieht, die aber trotzdem da ist? Nehmen wir das ernster als er selbst und wünschen, er würde unsere Idealvorstellungen leben? Wissen wir doch, dass Ideale ideal bleiben und nur teilweise real werden können. Soll er das für uns tun, einer, der es schwerer hat als die meisten jungen Künstler? Wir kennen doch nur, was wir von ihm sehen und hören. Wie er seine Entscheidungen abwägt und mit welchen Gründen, das schließen wir oft nur aus dem, was dann umgesetzt wurde.

Kann es sich jemand am Anfang seiner Karriere, dem der Trash eine hohe Erfolgserwartung aufgebürdet hat, leisten, nur noch das Erhabene zu verfolgen? Die meisten u.U. sehr erfolgreichen Hollywood-Filme sind Trash, weil sie so einfach gestrickt sind, wie Trash funktioniert. Von den namenhaften Stars in diesen Filmen haben relativ wenige den Mut, einen weniger beschrittenen Weg zu gehen und sie sind schon Jahrzehnte dabei.

Wird Daniels Film als erhaben oder trashig bewertet werden? Die Elemente von beidem sind vorhanden. Wirklich erhaben wäre es, nicht in eine der beiden Richtungen zu polarisieren und beides anzuerkennen. Denn auch das Erhabenste bekommt durch Wiederholung den Charakter von Trash. Die Möglichkeit unbegrenzter Vervielfältigung ist vielleicht das Hauptkriterium von Trash, 'To trash' heißt 'wegwerfen'. Wir erlauben uns das Wegwerfen, weil scheinbar alles reproduzierbar ist. Wir leben mitten in der Trashgesellschaft, allesamt. Da ist es verständlich, sich aus ihr herauszusehen, einzigartig sein und Einzigartiges besitzen zu wollen.

Vervielfältigung ist auch unser Austausch über Daniels Aktionen. Was er in ein paar Stunden oder Tagen geplant und unternommen hat, diskutieren wir über Monate und mit vielen anderen Faniels. Dadurch erscheinen Daniels Aktionen erst erhaben, weil mehr interpretiert wird, als tatsächlich sein kann (einer vs. tausend) und dann trashig, weil wir mit einer Web- und Medienkultur leben, in der quasi alles festgehalten und vervielfältigt werden kann und deshalb immer präsent ist. Daniels Leben ist aber live und sukzessiv - viel weniger trashig, als es scheint.

Sandra Krug

1 Klaudia Brunst: Der Daniel ist durch. Das Fernsehen und sein Starsystem. In: Jahrbuch Fernsehen 2004, herausgegeben vom Adolf Grimme Institut (ISBN-Nr. 3-9807 428-3-0), S. 50.
2 Sandra Maischberger, ebd., S. 47.
3 ebd., S. 56.
4 ebd., S. 50.
 
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