Daniel, Harry und die Macht der Medien
"Er polarisiert" – kaum ein Gespräch über Daniel Küblböck, in dem diese Feststellung nicht fällt. Doch „Polarisierung“ ist eine viel zu harmlose Umschreibung dessen, was sich tatsächlich abspielt.
Der Zuneigung der Daniel-Fans für ihren Star einerseits steht eine Ablehnung der Daniel-Gegner andererseits gegenüber, die nicht selten die Grenzen zum Hass überschreitet. Es ist müßig darüber zu diskutieren, worauf sich diese extreme Form der Ablehnung begründet, deren Ursache wohl kaum darin zu sehen ist, dass eine Stimme nicht gefällt oder Töne angeblich nicht getroffen werden. Schließlich wird niemand gezwungen, Daniels Platten zu kaufen oder seine Konzerte zu besuchen – und auch der Fernseher besitzt einen Ausschaltknopf.
Zeichnung: Susanne Schulz-Bouchir
Wie vollkommen irrational dieser Hass ist, zeigte sich nicht zuletzt bei der Pro7-Wahl des nervigsten Popsongs. Wahlkriterium war, Lieder auszuwählen, die so häufig in den Medien gespielt werden, dass man sie nicht mehr hören mag – sog. Evergreens. Von Beginn an jedoch wurden Daniels Songs von fast allen maßgeblichen Radiosendern boykottiert, es bestand so gut wie überhaupt keine Möglichkeit, sie im Radio zu hören. Und dennoch landete ein Daniel-Song auf Platz Zwei der nervigsten Popsongs.
Mit Tunte geschrieben
Wesentlich bedenklicher als diese Wahl waren und sind jedoch verbale Entgleisungen, die im Zusammenhang mit Daniel immer wieder zu lesen oder zu hören sind. Sie spiegeln in erschreckender Weise wider, wie sehr die Wahrung der Menschenwürde – das höchste Gut einer kultivierten Gesellschaft – von den durch Hass Verblendeten mit Füßen getreten wird.
Da ist vom „tuntigen, quäkenden teenage Brillenträger“ die Rede
1, vom „sexuell irrlichternden Nervenbündel“ 2 oder dem „kleinen Polysexuellen“ 3, dem „Wanderer zwischen den (Geschlechter-)Welten“, der von der „Eggenfeldener Kaulquappe“ zum „bisexuellen Frosch“ wird 4.
Diese Beschreibungen lassen auch schon ohne psychologisches Wissen erahnen, wo der Hase im Pfeffer liegt – aller sexuellen Aufklärung und gesellschaftlich geforderten Toleranz zum Trotz.
Aber es geht noch schlimmer:
Gabi Decker versteigt sich in der ZDF-Sendung Blond am Freitag (26.09.2003) zu der Aussage, Daniel sei eine „Darmschwangerschaft“ gewesen, sein Buch Ich lebe meine Töne wäre „wie Küblböck selber, man möchte es immer nur zusammenschlagen... Es ist die reinste Bückware. Mit Tunte geschrieben.... Da weiß man, woher die PO-esie kommt.“
Und bei den Freitag Nacht News (12.09.2003) heißt es über Daniel: „Was? Der hat eine Mutter? Ich dachte immer, der sei das Resultat eines Gendefekts bei einem Experiment in Kasachstan.“
Fortsetzung
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Wir wohnen IKEA, wir essen McDonalds, wir tragen H&M, wir hören die Charts - wo auch immer auf der Welt. Es ist ein Teil von uns. Wir lieben ihn. Wir müssen ihn einfach lieben. Wir vervielfältigen, was wir lieben. Unsere Liebesbotschaften ein-geschlossen – mit einem Tastendruck, wenn wir wollen. Raum und Zeit lassen wir hinter uns. Die Authentizität der Dinge und Erlebnisse auch? Ist der Zauber verloren? "Daniel der Zauberer" hat wieder Authentizität ins Kino gebracht. "Er war die Marke bei DSDS", schreibt Klaudia Brunst im Jahrbuch Fernsehen 2004.
1 Die Suche nach dem Original scheint sich selbst ad absurdum zu führen. Man glaubt, es gefunden zu haben, richtet Aufmerk-samkeit darauf, die sich durch Kameras und Presse - und nicht zuletzt den Jahrbuch-Artikel selbst - endlos multipliziert und reproduziert, bis das Original Stück für Stück zum Trash deklariert wird: "Erst katapultieren sie dich in den Himmel, dann schießen sie dich ab"
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Fortsetzung
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