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Lustiges & Satire 3/8
Dezember 2004
Das Faniel, das unbekannte Wesen

Das Fernsehen zeigte Bilder von fröhlichen, singenden und tanzenden Wesen, welche ihre positive Grundeinstellung über liebevoll gestaltete Schilder in die Welt hinaustrugen. Von der Presse wurden diese misstrauisch beäugt und schnell als pickelige Zahnspangenträger und in der Folge als Hausmütterchen mit Welpenschutzinstinkt kategorisiert. Es war jedoch schnell klar, dass es sich hierbei um eine neue nur schwer in Schubladen einzuordnende Spezies handelt. Die Öffentlichkeit packte diese sonderbaren Wesen aus lauter Angst vor so viel positiver Energie schnell zu dem schrillen Finalisten in eine Schublade, und brauchte sich in der Folge mit diesen offensichtlich Verrückten nicht mehr näher zu befassen.

Die Beziehung des Faniels zu dem schrillen Finalisten, welcher Daniel K. genannt wird, ist schwer zu umschreiben. Die Beweggründe für die Mutation sind sehr mannigfaltig und reichen von tiefer Bewunderung über abgöttische Verehrung bis hin zum hormonbedingten rauschähnlichen Liebeszustand. Leider ist mir in diesem Bereich bislang keine fundierte Gliederung gelungen. Die unterschiedlichen Beweggründe haben allerdings auch keinen signifikanten Einfluß auf das Endergebnis der Mutation. Da er durch fast alle Faniels als Rudelführer uneingeschränkt akzeptiert wird, bezeichne ich Daniel K. in der Folge einheitlich als Alphatier.

Nachdem in meinem näheren persönlichen Umfeld ein schwerer Fall dieser „positiven Mutation“ vorlag, war es für mich von privatem und wissenschaftlichem Interesse dieses Phänomen näher zu erforschen. Zu Forschungszwecken musste ich mich also unter diese Wesen mischen und infiltrierte eines der unzähligen Internetforen, um mehr über die Lebensgewohnheiten und Umstände zu erfahren. In der Folge habe ich viel über die Vielfalt und den Artenreichtum dieser noch jungen Spezies in Erfahrung bringen können und hoffe mit meinen Ausführungen den normalen Menschen und auch dem sog. Anti der; -s, die (=mit seinen Lebensumständen unzufriedener Mensch, welcher anderen Mitmenschen ihr Glück nicht gönnt => großes Neidgefühl) die Angst vor den possierlichen Faniels zu nehmen.

Allgemein:
Die Spezies selber bezeichne ich wie bereits erwähnt als:

Faniel das; -s, die [zusammengesetzt aus dem engl. Fan und dt. Daniel]

Das Faniel generell zu kategorisieren ist praktisch unmöglich. Es hat eine nahezu unbegrenzter Artenvielfalt. Es ist jung, alt, groß, klein, dünn, dick, dumm, intelligent und bekannt gewordene Mutationsfälle erstrecken sich über alle Bevölkerungsschichten.
Folgende Angaben sind bis auf einige Ausnahmen auf den Großteil der bekannten Faniels zutreffend:

Lebensraum:
Der Lebensraum ist mitten unter uns. Zusammenrottungen sind lediglich zu beobachten, wenn sich das Alphatier in der Öffentlichkeit zeigt oder Faniels im Schutze des Internets unerkannt in Foren kommunizieren. Bei öffentlichen Auftritten des Alphatiers sind Faniels in der Lage erstaunliche große Distanzen scheinbar mühelos zu überwinden. Mittlerweile bilden sich auch sog. „Stammtische“ aus, bei denen sich mehrere Faniels in dunklen Hinterzimmern zwielichtiger Etablissements versammeln. Leider ist es mir bislang nicht gelungen mich bei einem solchen Treffen einzuschleichen.

Äußere Erscheinung:
Die äußere Erscheinung des Faniels ist als durchaus farbenfroh zu bezeichnen. Es orientiert sich hierbei sehr stark an seinem Alphatier und versucht dessen Erscheinung möglichst naturgetreu zu kopieren. Je nach Gattung trägt das Faniel sein farbenfrohes Gewand offen nach aussen oder versucht es zu Tarnungszwecken mit unifarbener Oberbekleidung zu kaschieren.

Sprache:
Ihre Sprache ist ähnlich der menschlichen. Einige eigene Wortgebilde z.B. gestärbt [abgeleitet aus gestorben] (= Zustandsbezeichnung der absoluten Glückseligkeit, Nebenerscheinungen sind Verlust oder eingeschränkte Nutzung des Sprachzentrums, in Extremfällen sogar Bewusstlosigkeit) und eine bildliche Darstellung (sog. Smileys) ergänzen den Wortschatz. Erste Anzeichen zur Begründung einer eigenen Zivilisation zeigen sich in dem Versuch der sprachlichen Abgrenzung. Hierzu gibt es bereits ein im Internet zur Verfügung gestelltes sog. Fanielwörterbuch.

Fortpflanzung:
Über die Fortpflanzung ist bislang nichts genaueres bekannt. Die Paarung des Faniels scheint derzeit noch nicht nach rassespezifischen Gesichtspunkten stattzufinden und es wird nach wie vor Genmaterial nicht mutierter Menschen eingekreuzt. Um die Mutation sicherzustellen, wird das Neugeborene durch das Faniel-Elternteil über die Erziehung entsprechend manipuliert und ggf. in kokonähnlichen engen Räumen mit Bildnissen und Musik des Alphatiers entsprechend konditioniert. Die sexuelle Ausrichtung ist völlig nebensächlich. Es gibt das Faniel hetero, homo oder metrosexuell und in allen daraus erdenklichen Kombinationen. Es ist unkonventionell und experimentierfreudig. Wie viele andere Rassen auch, ist das Faniel natürlich bestrebt sich mit dem stärksten im Rudel, dem Anführer, dem Alphatier zu verpaaren. Ein reinrassiger Fanielnachwuchs ist bislang nicht bekannt geworden. Nicht publik gewordene erfolgreiche Kreuzungsversuche im Rahmen einer o.g. Zusammenrottung können allerdings nicht ausgeschlossen werden.
 
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