Das Faniel, das unbekannte Wesen
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Gattungen:
Obwohl es sich um eine noch sehr neue Spezies handelt, bilden sich schon feine Unterschiede und einzelne Gattungen aus. Diese habe ich während meiner Forschungen wie folgt kategorisiert:
Faniel anxius: (Angsthasenfaniel)
Das Faniel anxius ist eine sehr scheue Gattung. In der Öffentlichkeit ist es eigentlich kaum von normalen Menschen zu unterscheiden. Das Fanielsein wird vehement abgestritten und nur in der Nähe des Alphatiers fällt es durch den starren Blick auf. Bei einer Entfernung von unter 10m zum Alphatier ist Atemnot und häufig eine dadurch resultierende Ohnmacht die Folge. Das Faniel anxius muss aufgrund dieser natürlich Scheu auf die üblichen Kultgegenstände wie Autogrammkarten, unterschriebene Körperteile oder Nahaufnahmen mit dem Alphatier gänzlich verzichten.
Faniel vulgaris: (Normalfaniel)
Der Normalo unter den Faniels ist das Faniel vulgaris. Es ist bei allen größeren Veranstaltungen dabei und nimmt auch größere Entfernungen in Kauf. Es ist auf den ersten Blick anhand diverser Devotionalien als Faniel zu erkennen. Sein Äußeres ist eher bunt, es trägt Fanuhren, Positive Energie-Schlüsselanhänger und verbringt im Regelfall mehr Zeit im Rudel in seinem Internetforum, als mit den leiblichen Verwandten. Der Lebensraum und die Bettwäsche ist mit Bildnissen des Alphatiers versehen und für die Motzpuppensammlung wurden eigens Kleidungsstücke angefertigt oder bei den Motzpuppenschneidern im Internet bestellt. Mit den Gegnern ihrer Spezies diskutieren sie leidenschaftlich und heißblütig, jedoch immer sachlich.
Faniel extremum: (Extremfaniel)
Das Faniel extremum ist eine eher kriegerische Gattung. Es ist entweder auf den ersten Blick als Faniel zu erkennen, da es rein äußerlich jede geschmackliche Extravaganz des Alphatiers möglichst zeitgleich trägt (z.B. Schottenrock mit pastellfarbenen Burlingtons, Ponyfrisur und auftätowiertes Brustwarzenpiercing) oder hebt sich rein optisch gar nicht von den Menschen seiner Umgebung ab. Letztere Variante ist als die gefährlichste einzustufen, da sie durchaus in der Lage ist nicht mutierte Menschen subtil mit positiver Energie zu unterwandern und quasi unbemerkt eine Mutation in Gang zu setzen. Es empfiehlt sich daher immer bei Bekannten zweifelhafter Herkunft zu fragen, von welchem Künstler denn diese neue Wahnsinns-CD stammt, bevor man völlig unbemerkt die Lieder des Alphatiers mitsummt und rhythmisch mit dem Fuß wippt. Eine Umkehrung dieses Mutationsprozesses ist bislang nur in absoluten Ausnahmefällen geglückt.
Das Faniel extremum ist äußerst streitbar. Verunglimpfungen des Alphatiers werden unter gar keinen Umständen geduldet. Sollte sich die Presse, das Fernsehen, irgendein Prominenter, ein Konzertveranstalter, ein Plattenkonzern, ein Comedian oder wer auch immer erdreisten schlecht über es zu
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berichten, zu reden oder gar Konzerte abzusagen, so trifft ihn der Haß der unerbittlichen Krieger mit der vollen Wucht. Überlaufende Mailfächer, besetzte Telefonleitungen oder der vollständige Boykott sind da noch die harmloseren Sanktionen, die zu befürchten sind.
Die Übergänge zwischen den einzelnen Gattungen sind aufgrund der kurzen Entwicklungsphase fließend und somit keineswegs als bindend zu betrachten. Die Auswüchse der jüngeren Vergangenheit sind zwar besorgniserregend, aber keineswegs ungewöhnlich. Als Beispiel möchte ich Faniels anführen, welche den Lebensraum des Alphatiers in kleineren Zusammenrottungen belagern, an dessen Tür klingeln oder zur Erstellung von Fotos auch nicht vor einem Hausfriedensbruch zurückschrecken. In ganz besonders extremen Fällen wurden diese Attacken auf den Lebensraum sogar mit Gesangseinlagen um den Straftatbestand der Lärmbelästigung erweitert. Im Laufe der Evolution hat es viele Fehlentwicklungen gegeben, welche sich aber in der Natur auf Dauer nicht durchsetzen konnten und somit von der Bildfläche verschwunden sind.
Alles in allem ist das Faniel eine recht bemerkenswerte und allen Unkenrufen zum Trotz auch eine sehr widerstandsfähige Spezies, welche sich sicher noch weiter entwickeln wird und als durchaus erhaltenswert einzustufen ist. Eine tatsächliche Gefahr geht nicht von ihm aus. Wenn man das Alphatier und die Eigenheiten des einzelnen Faniels toleriert, kann man mit ihm sehr gut in einer Symbiose leben. Quasi wie mit einem richtigen Menschen.
Text: Markus Bechtle Zeichnung: Susanne Schulz-Bouchir
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