Buch-Rezension
Chris Heath, Robbie Williams: Feel
Im Sommer 2002 durfte der britische Musikjournalist Chris Heath den Musiker, Sänger und Entertainer Robbie Williams für zwei Wochen begleiten, um Material für einen Zeitschriftenartikel zu sammeln. Da Robbie Williams (wie Heath später beschreibt) im Privat - wie Berufsleben stets von einer Gruppe Menschen umgeben ist, die für ihn arbeitet und deren Anwesenheit er schätzt, wurde der Journalist einfach Teil dieses Begleitteams.
Die Sympathie, die Heath und Williams füreinander empfanden, wuchs und eine Art Freundschaft entstand. Aus geplanten zwei Wochen wurden viele Monate gemeinsam verbrachter Zeit. Die Idee, ein Buch über Robbie Williams als Mensch und Künstler zu schreiben, entstand daher schnell und wohl auch fast zwangsläufig.
"Feel", in der Originalausgabe 2004 in England erschienen, ist ein umfangreiches Werk.
Es gewährt dem Leser auf über 600 Seiten einen tiefen Einblick in das Fühlen, Denken und Leben des Robbie Williams.
Es zeigt insbesondere, wie eine so individuelle Persönlichkeit auf die Umstände reagiert, die das Leben im modernen Musikbusiness mit sich bringt.
Seit Robbie Williams sechzehn Jahre alt ist, also fast sein halbes Leben lang, war er in der Musikbranche tätig. Zuerst als Mitglied der Gruppe "Take That", dann als Solokünstler, dessen Aufstieg zum Superstar mit dem Erfolg seiner Single "Angels" (R.Williams/G.Chambers 1997) den endgültigen Schub bekam. Robbie Williams ist daher ein "alter Hase" im Geschäft. Er hat alle Seiten des Musiker- und Prominentendaseins erlebt, doch ließ ihn das nie zu einem abgeklärten Showprofi werden. Dass Chris Heath diese beständige Offenheit und Sensibilität des Robbie Williams herausarbeitet, ist die besondere Qualität des Buches und macht den Musiker für den Leser sympathisch.
Gleichzeitig bietet "Feel" allgemein einen interessanten Einblick in bestimmte Mechanismen und Eigenheiten der Musikbranche.
Wer "Feel" liest, springt sozusagen auf einen fahrenden Zug. Der Text nimmt den Leser mit, wie auch Chris Heath selbst mitgenommen wurde, als Williams ihm erlaubte, mit Schreibblock und Aufnahmegerät bei Interviews, Studioaufnahmen, Cafebesuchen, Songkompositionen, Hotelabenden, Backgammonnachmittagen, Garten-plaudereien, Flügen, Golfpartien, Backstagezeiten, Konzerten, etc. anwesend zu sein.
Das entstandene Buch besitzt fünf Teile, ist aber im Grunde genommen eine Komposition aus aneinander gereihten Momentaufnahmen. Diese Abschnitte bilden ein überzeugendes Ganzes. Der Aufbau des Buches passt zu der Phase im Künstlerleben, die Chris Heath portraitiert. Das Leben des Robbie Williams war in der Zeit ein unruhiges Gesamtgebilde: Unterschiedlichste berufliche Anforderungen, wechselnde Aufenthaltsorte und viel Pressetrubel sorgten für eine von Williams selbst oft gar nicht gewollte Dynamik. Dem widerspricht nicht, dass auch viel Langeweile und Warterei zu seinem Alltag gehörten.
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Wenn man dem Buch "Feel" attestieren will, dass es Längen hat, dann kann man den Sinn vielleicht darin sehen, dass so die "Längen", die ein Leben als Musik-Superstar hat, wiedergegeben werden.
Chris Heath hält sich als Autor im Werk sehr zurück, er kommentiert nur selten. Er lässt die Ereignisse sprechen und gibt einfach den Strom der Begebenheiten wieder: Geschehnisse, die Williams entweder selbst initiiert hat oder denen er aufgrund seiner beruflichen oder persönlichen Situation ausgesetzt war.
Mit großer Regelmäßigkeit und Genauigkeit fügt Heath allerdings die Gedanken und Aussprüche von Robbie Williams ein.
Die Innensicht, die so gewährt wird, ist das auffälligste Merkmal des Buchs. Der Leser erfährt von Robbie Williams' Freuden, Hoffnungen, Ängsten, Sorgen, Einschätzungen, Zweifeln, Erinnerungen und Stimmungsschwankungen. Er lernt in Robbie Williams einen Exzentriker kennen, der sich gleichzeitig Ruhe und Normalität wünscht. Einen Charismatiker, dem Millionen Menschen erliegen und der dennoch am liebsten mit handverlesenen Freunden zusammen ist. Einen Star, der körperlich wie seelisch ganz unten war und doch die Kraft zum Neubeginn in sich fand. Einen Mann, der des öfteren Mädchen aus der Hotellounge ins Bett abschleppt, sich aber seit langem nach einer "Mrs. Williams" sehnt, mit der er auch Kinder haben kann. Einen selbstkritischen, humorvollen Künstler, der sich mit Kritik von außen aber eher schwer tut und keinesfalls Objekt des Schmunzelns sein mag.
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