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Gesellschaft & Medien 2/6
Juli 2005
Lerne Lügen ohne Leiden
Die Musikbranche leidet ja so sehr, die Millionengewinne der Vergangenheit schrumpfen und da bleibt eben nichts anders übrig, als sich andere Einnahmequellen zu erschließen. Was liegt da näher, als „gegen Verletzungen des Urheberrechts" vorzugehen. Mittlerweile, mit leichten Stellungserfolgen im Kampf gegen Schwarzbrenner und illegale Tauschbörsen, versucht man sich jetzt auch an privaten Webanbietern und Musikfans. Betreibern von Webradios und Internetseiten mit Songtexten trauten ihren Augen kaum, als ihnen Abmahnungen und Zahlungsbefehle ins Haus flatterten und das gleich im Zehnerpack.

Vorbei die Zeiten, in denen Jugendliche ihre ersten englischen Sprachkenntnisse an den Texten der aktuellen Popsongs ausprobierten und man guten Gewissens die Songtexte seiner Lieblingssongs von Fanpages runterlud, um beim Nachlesen festzustellen, welchen Unsinn man sich da antut. Auch das Mitsingen während der Konzerte war straffrei und dank vorhandener Songtexte ohne Probleme möglich. Bald traut man sich, bei dem Gedanken,
was es evtl. kosten könnte, schon nicht mehr, ein Lied vor sich hinzuträllern. Achtung, mit Text könnte es teurer werden.
Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man eigentlich schon darüber lachen, so absurd erscheint einem normalen Musikliebhaber, welche kranken Ideen ein geldgieriges Hirn eines übereifrigen Rechtsverdrehers noch entwickeln könnte.
Wie sieht das eigentlich mit unserem allseits beliebten, stimmgewaltigen Mitsingen der Texte während des Konzertes aus? Müssen wir dafür demnächst Zuschlag bezahlen oder ist das bereits im Ticketpreis enthalten?
Mein Kollege hat morgen Geburtstag und irgendwie bin ich jetzt doch verunsichert. Darf ich Happy Birthday nach letzter Aktenlage noch ohne vorherige Genehmigung des Komponisten und entsprechende Lizenzzahlung singen oder nicht? Und diese Verunsicherung hat nichts mit der Qualität meines Gesanges zu tun.
Jutta Reuß
Zeichnung: Jutta Reuß
Skandal oder beginnt die Manipulation nicht eigentlich schon vorm Fernseher?
Es war der Skandal der Musikbranche, knapp zwei Monate, bevor Gracia Baur beim Grand Prix in Kiew mit ihrem Song "Run and hide" antreten sollte. Der Song, der mit knapp 53 Prozent der Zuschauerstimmen Deutschland beim Grand Prix in Kiew vertreten sollte, habe es nur durch Chart-manipulation geschafft, überhaupt die Chartplatzie-rung zu erreichen, die für die Zulassung zum Grand Prix Vorentscheid nötig war.

Nachforschungen seitens des Phonoverbandes und Mediacontrol zufolge seien massive Manipulationsver-
The Hitmachine - von Jutta Reuß
suche festgestellt worden, die, neben anderen Werken des Produzenten David Brandes, auch Gracia Baurs Single "Run & Hide" betreffen würden. Alle aktuellen Platten wurden mit sofortiger Wirkung für 3 Monate aus der offiziellen Chartwertung ausgeschlossen. Das bedeutet in der Regel das Aus für einen Song oder eine Platte, weil nach drei Monaten das allgemeine Interesse kaum mehr für eine Chartplatzierung reicht. Mit dieser Maßnahme dürften, nach wochenlangen Diskussionen um Recht und Unrecht, all jene zufrieden gestellt sein, die sich gegen Manipulation ausgesprochen hatten. Darunter auch Musikkollegen, die den Grand Prix - Rücktritt mit einer Unterschriftenliste unter einem Sammelbrief  gefordert  hatten.  Nach dem  medialen  Auf-
 
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