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Gesellschaft & Medien 3/6
Juli 2005
Skandal, oder beginnt die Manipulation ...
stand kann sich jeder denken, dass für die Künstler und Produzenten mehr hinter einem Chartplatz stecken muss, als die einfache Gewissheit, welchen Hitparadenplatz der jeweiligen Woche eine Platte belegt.
Vielmehr ist ein guter Platz in den Charts für die Künstler und Produzenten die beste und vor allem kostenschonendste Möglichkeit, ihr Werk über Rundfunk und vor allem Fernsehen einem großen Publikum zu präsentieren. Neben Sendungen, die speziell auf die chartbesten Acts ausgerichtet sind, spielt der Videoplay auf den bekannten Musiksendern VIVA & MTV eine noch bei weitem größere Rolle.
Mit einem Musikvideo, auf VIVA beispielsweise, hat ein Song schon vor der CD - Veröffentlichung durch Videoplay die Chance, sich Konsumenten zu sichern. Um soweit zu kommen, muss ein Lied, Clip und Künstler allerdings die Programmkomission von VIVA überzeugen, die mit ihrer Entscheidung maßgeblich Erfolg oder Nichterfolg eines Songs beeinflussen.
Schafft der Song es in die Rotation, spielt ab Single - Veröffentlichung die Chartplatzierung die Hauptrolle. Hier gilt: Je höher die Platzierung, desto öfter wird der Clip gespielt. Erreicht der Song nicht mindestens die Top 65, fliegt er gnadenlos aus der Rotation und verschwindet damit ebenso schnell aus den Köpfen der Konsumenten.
Fürs Radio gilt ähnliches. Je besser der Hitparadenplatz, desto häufiger wird ein Titel on air gespielt. Und selbst im Plattenladen haben die bestplatzierten Songs die größten Vorteile, denn auch dort sind die CDs nach Chartpositionen ausgelegt.
Aber zurück zum Thema Manipulation.
Einen interessanten Denkansatz lieferte der STERN in einem Beitrag zum Thema:
"Die Tatsache, dass manipuliert wird, gilt als offenes Geheimnis. Öffentliche Schuldzuweisungen sind selten in einer Branche, die sich selbst kontrolliert und gegenseitig stützt."
Momentan zeigen Künstlerkollegen der Branche mit dem Finger auf David Brandes und die Acts, deren Songs von ihm produziert wurden. Aber was ist dran an dem Zitat des STERNs?
Nehmen wir einmal an, ein Song oder Künstler mißfällt aus irgendeinem Grund der Programmkomission von VIVA, was nicht zwangsläufig von der Qualität des Musikclips abhängt. Dann erhalten andere Künstler, deren CD zum gleichen Zeitpunkt erscheint, wochenlang vorher durch VIVA Promotion vor der wohl kauffreudigsten Zielgruppe, nämlich Jugendlichen.
Ist es da nicht nur logisch, dass solch ein Song besser in die Charts einsteigen muss, als ein Titel, den bis dahin kaum einer gesehen hat?
Ohne Videoplay bleiben als Promotionmöglichkeit nur noch Auftritte in Musiksendungen oder teure Werbe-spots in Radio und TV, bei denen wiederum Plattenfirmen nur investieren, wenn sie sich den gewünschten Erfolg davon versprechen. Was ohne Videoplay wohl ein Fass ohne Boden ist.
Um es doch noch in die Rotation von VIVA zu schaffen, wäre ein guter bis sehr guter Chartplatz für einen Titel aber unumgänglich. So schließt sich der Kreis. Also bestimmen von vorneherein einige, verhältnismäßig wenige Leute, nämlich die Programmkomission bei VIVA, was wir als Konsumenten überhaupt zu sehen bekommen.
Manches präsentieren uns die Medien im Überfluss, nach anderem muss man als Interessent schon gezielt suchen, um überhaupt etwas von der Veröffentlichung mitzubekommen.
Ist das nicht ebenso Manipulation? Können wir denn kaufen, was wir nicht kennen?
Stehen die Charts einmal, orientieren sich die Radiosender ebenfalls daran. Die meisten Sender bedienen den Mainstream und da die Charts die besten Verkäufe angeben, stehen sie für eben diesen.
Bedeutet im Gesamten: Einige Künstler haben das Glück, dass ihr Song ständig auf verschiedenen Kanälen in Radio und TV präsentiert wird und die Promotion so praktisch zum Selbstläufer wird, andere müssen von vorneherein mit weniger Publikum den Wettbewerb um die Charts antreten.
Eher extravagante Musikgeschmäcker wie Volksmusik, Metal oder Kinderlieder etc. haben ebenfalls, außer in speziellen Shows oder Sendungen keine Möglichkeit, in der Form ein Publikum zu erreichen, wie ein Song in der Rotation bei den Musiksendern. Also treten auch diese den Wettbewerb um die offiziellen deutschen Charts mit anderen Voraussetzungen an.
Insofern stellt sich doch fast zwangsläufig die Frage: Sind die Charts nicht eher eine Hitparade der besten Promotion - Möglichkeiten, denn eine Hitliste, die den Musik- geschmack unseres Landes repräsentativ wiederspiegelt?
Das Chartermittlungsverfahren von Media Control - wie sicher ist es wirklich und vor allem: Wie repräsentativ? Mehr zum Thema Charts unter:
Nicole Krayer
Zeichnung: Jutta Reuß
 
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