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Gesellschaft & Medien 6/7
November 2005
Warum Männer nicht zuhören, ...
Gerade bei der Berichterstattung über Prominente finden sich zahlreiche Verstöße gegen diese Forderungen, immer wieder müssen sich Gerichte mit den Klagen Prominenter beschäftigen, die sich gegen die Veröffentlichung tendenziöser Artikel, erfundener Interviews oder unautorisierter Fotos aus ihrem Privatleben zur Wehr setzen. Und fast immer entscheiden die Gerichte zugunsten der Prominenten, was aber die Medien, insbesondere die Boulevardmedien, nicht daran hindert, auch weiterhin ihre journalistische Sorgfaltspflicht zu vernachlässigen.
Besonders beliebt ist es dabei, Klischees zu bedienen und Vorurteile als unumstößliche Tatsachen darzustellen. Geschickt werden dabei Strömungen aufgegriffen, die unter den Medienrezepienten weit verbreitet sind. Schließlich geht es um Quoten bzw. Verkaufzahlen – und konsumiert wird bevorzugt, was die eigenen Vorurteile bestätigt.
Genau darin liegt auch das Erfolgsgeheimnis des Buchs Warum Männer nicht zuhören....
Wie stark die Manifestierung von Vorurteilen durch die Medien das Verhalten beeinflussen kann, ist aktuell am Beispiel Daniel Küblböcks zu beobachten. Anfänglich gehypet als bunt-schillernder Paradiesvogel im Einheitsgrau des Musikbusiness, entstand innerhalb kürzester Zeit eine riesige Fangemeinde. Daniel war angesagt, ihn gut zu finden galt als "cool". Dann schlichen sich die ersten kritischen Töne seitens der DSDS-Jury ein. Der Geist, den man zwecks Quote gerufen hatte, schickte sich nämlich an, den Casting-Wettbewerb aufgrund der großen Fanbase zu gewinnen.
Die Medien zogen mit. War anfänglich auf der RTL-Homepage noch vom "Superstar der Herzen" die Rede, hieß es dort auf einmal, Daniel fehle "die Lockerheit der letzten Wochen", und die anfangs danielfreundliche BILD titelte "Daniel Größenwahn! Quak und Quieck! So hat dich keiner lieb!"
Daniel, einziger Finalist ohne jegliche Gesangs-ausbildung, war wiederholt seitens der Jury bescheinigt worden, sich während der DSDS-Zeit gesanglich enorm weiterentwickelt zu haben. Und dennoch sollte er auf einmal nur noch Quaken? Seine "enorme Weiterentwicklung" dazu geführt haben, dass er das Singen gänzlich verlernt hatte? Dieser Meinungs-umschwung mutete schon etwas seltsam an.
Aber das alleine reichte nicht aus, Daniel in Misskredit zu bringen. Da mussten schon schwerere Geschütze aufgefahren werden. Immerhin galt es, eine große Fangemeinde zu dezimieren, damit der Mohr, der seine Schuldigkeit im Quotenbringen getan hatte, auch wirklich wieder von der Bühne abtrat. Daniels Outing als Bisexueller bot dafür eine gute Gelegenheit, denn damit konnten   wunderbar   Klischees  und   Vorurteile   bedient
werden. Das fiel auf fruchtbaren Boden. Die ersten Anti-Pages im Internet entstanden, auf denen sich Menschen mit homophober Einstellung genüßlich in Verbalinjurien gegen Daniel suhlten.
Trotzdem hielt eine treue und zahlenmäßig große Fangemeinde zu Daniel. Eine Ungeheuerlichkeit, dass so viele Menschen sich einfach nicht beeinflussen lassen wollten und die Manipulationsversuche der Medien schlichtweg ignorierten!
Da nicht sein kann, was nicht sein darf, wurde ab sofort schwerstes Geschütz aufgefahren.
Unisono berichteten die Medien von schlecht besuchten Konzerten. Da wurden Besucherzahlen mal eben in einem Handstreich halbiert oder gar gedrittelt. Von schlecht verkauften Platten war die Rede. Ein Einstieg von Null auf Platz 7 in den Charts wurde als "Absturz" gewertet (Platz 52 einer anderen Künstlerin aber als Riesenerfolg gefeiert). Kurzum: Es wurde suggeriert, dass Daniel die Fans davonlaufen, sich niemand mehr für ihn interessiert, er "weg vom Fenster" sei. Wohl das Schlimmste, was über einen Künstler berichtet werden kann. Kurioserweise fand er aber gleichzeitig in den skurrilsten Zusammenhängen ständig Erwähnung in den Medien.
Diese Taktik fruchtete. Über einen längeren Zeitraum stetig wiederholt, wurde das Vorurteil vom nichts-könnenden, quakenden Frosch, dem die Fans davonlaufen, zur allgemein anerkannten Tatsache manifestiert. Weniger kritisch Hinterfragende ließen sich davon beeinflussen. Glaubten schließlich selber, dass Daniel nichts ist und nichts kann. Schon gar nicht singen!
Der Mensch ist ein Herdentier und tut sich schwer damit, sich Vorurteile zu entziehen. Wer will schon Fan von jemandem sein, dem ständig bescheinigt wird, dass er nichts kann? War es bis dahin "cool", Daniel gut zu finden, wandten sich jetzt viele von ihm ab und anderen, "angesagten" Künstlern zu, weil er plötzlich als "uncool" galt.
Ein Paradebeispiel dafür, was die Manifestierung von Vorurteilen bewirken kann. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, sich immer wieder vor Augen zu führen, wie verheerend das Festhalten an Vorurteilen sein kann. Kritisches Hinterfragen, Aneignen von Wissen und Unabhängigkeit von Mehrheitsmeinungen schützen davor, in die Vorurteilsfalle zu geraten und suggerierte Ansichten einfach nachzuplappern. Nur dann kann die eigene Meinung auch tatsächlich eine eigene sein und keine von anderen diktierte.
Daher ist es erschreckend, dass Bücher wie Warum Männer nicht zuhören... einen so großen Anklang finden. Mag der Inhalt auch oft erheiternd und in seiner Aussage wenig brisant sein, so zeigt der Erfolg des Buches doch leider sehr deutlich, wie gierig die meisten Menschen nach einer Bestätigung ihrer eigenen Vorurteile sind. Das sollte zu denken geben!
Inge Radinger
 
Online-Magazin Im Endeffekt Ausgabe 8 · © 2003 - 2005 danielwelt.de · Impressum · Printausgabe