Warum Männer nicht zuhören, ...
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Gerade bei der Berichterstattung über Prominente finden sich zahlreiche Verstöße
gegen diese Forderungen, immer wieder müssen sich Gerichte mit den
Klagen Prominenter beschäftigen, die sich gegen die Veröffentlichung
tendenziöser Artikel, erfundener Interviews oder unautorisierter
Fotos aus ihrem Privatleben zur Wehr setzen. Und fast immer entscheiden
die Gerichte zugunsten der Prominenten, was aber die Medien, insbesondere
die Boulevardmedien, nicht daran hindert, auch weiterhin ihre journalistische
Sorgfaltspflicht zu vernachlässigen.
Besonders beliebt ist es dabei,
Klischees zu bedienen und Vorurteile als unumstößliche Tatsachen
darzustellen. Geschickt werden dabei Strömungen aufgegriffen, die
unter den Medienrezepienten weit verbreitet sind. Schließlich geht
es um Quoten bzw. Verkaufzahlen – und konsumiert wird bevorzugt,
was die eigenen Vorurteile bestätigt.
Genau darin liegt auch das Erfolgsgeheimnis des Buchs Warum Männer nicht zuhören....
Wie stark die Manifestierung von Vorurteilen durch die Medien das Verhalten
beeinflussen kann, ist aktuell am Beispiel Daniel Küblböcks zu beobachten.
Anfänglich gehypet als bunt-schillernder Paradiesvogel im Einheitsgrau
des Musikbusiness, entstand innerhalb kürzester Zeit eine riesige
Fangemeinde. Daniel war angesagt, ihn gut zu finden galt als "cool".
Dann schlichen sich die ersten kritischen Töne seitens der DSDS-Jury
ein. Der Geist, den man zwecks Quote gerufen hatte, schickte sich
nämlich an, den Casting-Wettbewerb aufgrund der großen Fanbase zu
gewinnen.
Die Medien zogen mit. War anfänglich auf der RTL-Homepage noch vom "Superstar
der Herzen" die Rede, hieß es dort auf einmal, Daniel fehle "die
Lockerheit der letzten Wochen", und die anfangs danielfreundliche
BILD titelte "Daniel Größenwahn! Quak und Quieck! So hat dich keiner
lieb!"
Daniel, einziger Finalist ohne jegliche
Gesangs-ausbildung, war wiederholt seitens der Jury bescheinigt
worden, sich während der DSDS-Zeit gesanglich enorm weiterentwickelt
zu haben. Und dennoch sollte er auf einmal nur noch Quaken? Seine
"enorme Weiterentwicklung" dazu geführt haben, dass er das Singen
gänzlich verlernt hatte? Dieser Meinungs-umschwung mutete schon
etwas seltsam an.
Aber das alleine reichte nicht aus, Daniel in Misskredit zu bringen. Da mussten
schon schwerere Geschütze aufgefahren werden. Immerhin galt es,
eine große Fangemeinde zu dezimieren, damit der Mohr, der seine
Schuldigkeit im Quotenbringen getan hatte, auch wirklich wieder
von der Bühne abtrat. Daniels Outing als Bisexueller bot dafür eine
gute Gelegenheit, denn damit konnten wunderbar Klischees und Vorurteile
bedient
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werden. Das fiel auf fruchtbaren Boden. Die ersten Anti-Pages
im Internet entstanden, auf denen sich Menschen mit homophober Einstellung
genüßlich in Verbalinjurien gegen Daniel suhlten.
Trotzdem hielt eine treue und zahlenmäßig große Fangemeinde zu Daniel. Eine Ungeheuerlichkeit,
dass so viele Menschen sich einfach nicht beeinflussen lassen wollten
und die Manipulationsversuche der Medien schlichtweg ignorierten!
Da nicht sein kann, was nicht sein darf, wurde ab sofort schwerstes
Geschütz aufgefahren.
Unisono berichteten die Medien von schlecht besuchten Konzerten. Da wurden
Besucherzahlen mal eben in einem Handstreich halbiert oder gar gedrittelt.
Von schlecht verkauften Platten war die Rede. Ein Einstieg von Null
auf Platz 7 in den Charts wurde als "Absturz" gewertet (Platz 52
einer anderen Künstlerin aber als Riesenerfolg gefeiert). Kurzum:
Es wurde suggeriert, dass Daniel die Fans davonlaufen, sich niemand
mehr für ihn interessiert, er "weg vom Fenster" sei. Wohl das Schlimmste,
was über einen Künstler berichtet werden kann. Kurioserweise fand
er aber gleichzeitig in den skurrilsten Zusammenhängen ständig Erwähnung
in den Medien.
Diese Taktik fruchtete. Über einen längeren Zeitraum
stetig wiederholt, wurde das Vorurteil vom nichts-könnenden, quakenden
Frosch, dem die Fans davonlaufen, zur allgemein anerkannten Tatsache
manifestiert. Weniger kritisch Hinterfragende ließen sich davon
beeinflussen. Glaubten schließlich selber, dass Daniel nichts ist
und nichts kann. Schon gar nicht singen!
Der Mensch ist ein Herdentier
und tut sich schwer damit, sich Vorurteile zu entziehen. Wer will
schon Fan von jemandem sein, dem ständig bescheinigt wird, dass
er nichts kann?
War es bis dahin "cool", Daniel gut zu finden, wandten
sich jetzt viele von ihm ab und anderen, "angesagten" Künstlern
zu, weil er plötzlich als "uncool" galt.
Ein Paradebeispiel dafür, was die Manifestierung von Vorurteilen bewirken kann.
Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, sich immer wieder
vor Augen zu führen, wie verheerend das Festhalten an Vorurteilen
sein kann. Kritisches Hinterfragen, Aneignen von Wissen und Unabhängigkeit
von Mehrheitsmeinungen schützen davor, in die Vorurteilsfalle zu
geraten und suggerierte Ansichten einfach nachzuplappern. Nur dann
kann die eigene Meinung auch tatsächlich eine eigene sein und keine
von anderen diktierte.
Daher ist es erschreckend, dass Bücher wie
Warum Männer nicht zuhören... einen so großen Anklang finden. Mag
der Inhalt auch oft erheiternd und in seiner Aussage wenig brisant
sein, so zeigt der Erfolg des Buches doch leider sehr deutlich,
wie gierig die meisten Menschen nach einer Bestätigung ihrer eigenen
Vorurteile sind. Das sollte zu denken geben!
Inge Radinger
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