Jobcenter
Fortsetzung von Seite 3
Während jene Bekannte sich also fleißig stritt, schwand Herrn M.'s Hoffnung
auf einen gesicherten Arbeitsplatz. So wandte er sich an einen Arbeitsvermittler.
Arbeitsvermittler suchen für den Arbeitssuchenden einen Job - dafür
bekommen sie Geld vom Jobcenter. Der vermittelte künftige Arbeitgeber
erhält ebenfalls eine Pauschale. Somit ist allen gedient!
Herr M. bekam eine Arbeit bei der Bahn - Bahnhöfe reinigen. Der Stundenlohn
war zwar außerordentlich überschaubar, reichte aber dem Vermittler
offensichtlich aus, um sich noch einen Teil davon abzuzweigen
- der Mann muss schließlich auch zusehen, wo er bleibt. Und wenn
Herr M. schnell genug war, konnte er ja nun den Obdachlosen die
weggeworfenen Pfandflaschen vor der Nase wegsammeln, welche ganz
beachtlich auf den Bahnsteigen zu finden waren. Das gäbe immerhin
ein kleines Taschengeld nebenbei. An dieser Stelle sei aber darauf
hingewiesen, dass Herr M. doch noch Herz zeigte und mit dem einen
oder anderen Obdachlosen seine "Ausbeute" teilte - man war sich nahe.
Da Herr M. trotz der vielen Flaschen mit seinem Verdienst
noch unter dem Existenzminimum lag, beantragte er Wohngeld - natürlich
beim zuständigen Wohngeldamt. Diese stellten fest, dass ihm nicht
nur Wohngeld, sondern auch noch ein Zuschuss zustehen würde, um
das Existenzminimum zu sichern. Also gab es noch einmal einen
Stapel von Formularen. Nach Prüfung aller Unterlagen stand der
Bewilligung nichts mehr im Wege, Herr M. schöpfte Hoffnung. Aber
anstatt des erwarteten Bewilligungsbescheides, flatterte ihm eine
Kündigung von der Bahn ins Haus, sehr zum Erstaunen von Herrn
M., war er doch immer pünktlich und fleißig gewesen. Gut für den
Vermittler, der nun diese Arbeitsstelle aufs Neue vermitteln und
kassieren konnte, genau wie die Bahn. Schlecht aber für Herrn
M., der damit zum ALG II-Empfänger wurde und sämtliche Anträge
auf Wohngeld und Zuschüsse postwendend zurückbekam!
Wohngeld beim Wohngeldamt kann ein ALG II-Empfänger nicht beantragen, das beinhaltet
schon sein Arbeitslosengeld ... wenn er denn welches bekommt!
Wenn aber das Jobcenter Probleme mit dem PC hat, dann kann das
durchaus auch mal ein paar Monate dauern ... da hilft auch kein
Betteln und kein Geschrei. Schließlich hat jeder vernünftige Mensch
eine Lebensversicherung, die er erst mal kündigen kann ... dass
diese eigentlich als Altersvorsorge gedacht war, interessiert erstmal keinen.
Wenigstens etwas Positives gab es für Herrn M.:
Der Streit um das damals gekürzte Arbeitslosengeld wurde letztendlich
vom Sozialgericht geschlichtet: 2/3 des Betrages durfte das Jobcenter
behalten, 1/3 musste es zurückzahlen. Berichtigung: Hätten sie
zurückzahlen müssen. Allerdings fand das Jobcenter nun einen anderen
Zeitpunkt, zu dem sie Herrn M. angeblich zu viel gezahlt hatten,
also behielten sie seinen Anteil kurzerhand ein.
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Ein neuer Streit? Herrn M. war die Lust vergangen! Das Jobcenter startete nun ein
Programm zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben mit Herrn
M. - das klang gut. Herr M. sah einen Lichtblick.
Er ging also wieder zu einer Beratung, bekam die Information, dass ihm jede
eigene Bewerbung mit 5 € vergütet würde und wieder drei Jobangebote
für Zeitarbeit. Alle drei Stellen waren auf wenige Monate befristet.
Für eine davon musste er sich entscheiden, sonst würde man ihm das
ALG II streichen, welches er ja ohnehin noch nicht bekam. Herr M.
entschied sich dafür, es bei allen Dreien zu versuchen. Stelle eins
gab an, sich evtl. irgendwann mal bei ihm zu melden, Stelle zwei
und drei hatten Verwendung für ihn. Das Gehalt noch überschaubarer
als bei der Bahn, aber was macht das schon? Nach wie vor zahlt in
einen solchen Fall das Jobcenter die Zuschüsse, welche zum Existenzminimum fehlen.
Was bleibt, ist die Abhängigkeit. Man zählt weiterhin als
ALG II- Empfänger, "liegt dem Staat auf der Tasche". Die Firmen,
welche die Arbeit auf Zeit vermitteln (nicht zu verwechseln mit
den Arbeitsvermittlern!), stellen den Arbeitssuchenden fest ein
und vermitteln ihn je nach Bedarf für ein paar Tage, Wochen oder
Monate an die verschiedensten Arbeitsplätze, in Herrn M.'s Fall
an verschiedene Firmen. Die Firma bezahlt den Personal-Verleiher
der Zeitarbeitsagentur und diese bezahlt den Arbeitnehmer - und
zwar sehr gering! Wenn sie einmal nichts für ihn finden, entlassen
sie ihn kurzerhand - entgegen aller anfänglichen Versprechen! An
eine Kündigungsfrist sind sie nicht gebunden. Echte Arbeitsplätze
werden also auf diese Weise nicht geschaffen. Das Fatale ist, dass
immer mehr Firmen auf diese billigen Arbeitskräfte zugreifen, sich
für wenige Wochen einen Arbeiter "ausleihen" und immer seltener
feste Mitarbeiter einstellen.
Herr M. hat resigniert. Wenn er wieder
mal entlassen wird, guckt er einfach in die Zeitung und ruft bei
der nächstbesten Personalleasing-Firma an, sofern diese sich inzwischen
nicht schon von selbst melden - und schon kann er wieder arbeiten,
für ein paar Wochen!
Na also, wer sagt's denn: Wer Arbeit will, der findet auch welche!
Zur Information:
Das Jobcenter ist als gemeinsame Einrichtung der Arbeitsagenturen
und der Sozialämter zuständig für die ALG II-Empfänger, die Arbeitsagenturen
selbst aber weiterhin für die ALG I-Empfänger. Bei weiteren Fragen
wenden Sie sich bitte direkt an das nächste Jobcenter - Sie
wissen ja nun, da werden Sie geholfen!
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