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Gesellschaft & Medien 4/7
August 2006
Jobcenter
Während jene Bekannte sich also fleißig stritt, schwand Herrn M.'s Hoffnung auf einen gesicherten Arbeitsplatz. So wandte er sich an einen Arbeitsvermittler. Arbeitsvermittler suchen für den Arbeitssuchenden einen Job - dafür bekommen sie Geld vom Jobcenter. Der vermittelte künftige Arbeitgeber erhält ebenfalls eine Pauschale. Somit ist allen gedient!
Herr M. bekam eine Arbeit bei der Bahn - Bahnhöfe reinigen. Der Stundenlohn war zwar außerordentlich überschaubar, reichte aber dem Vermittler offensichtlich aus, um sich noch einen Teil davon abzuzweigen - der Mann muss schließlich auch zusehen, wo er bleibt. Und wenn Herr M. schnell genug war, konnte er ja nun den Obdachlosen die weggeworfenen Pfandflaschen vor der Nase wegsammeln, welche ganz beachtlich auf den Bahnsteigen zu finden waren. Das gäbe immerhin ein kleines Taschengeld nebenbei. An dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, dass Herr M. doch noch Herz zeigte und mit dem einen oder anderen Obdachlosen seine "Ausbeute" teilte - man war sich nahe.
Da Herr M. trotz der vielen Flaschen mit seinem Verdienst noch unter dem Existenzminimum lag, beantragte er Wohngeld - natürlich beim zuständigen Wohngeldamt. Diese stellten fest, dass ihm nicht nur Wohngeld, sondern auch noch ein Zuschuss zustehen würde, um das Existenzminimum zu sichern. Also gab es noch einmal einen Stapel von Formularen. Nach Prüfung aller Unterlagen stand der Bewilligung nichts mehr im Wege, Herr M. schöpfte Hoffnung. Aber anstatt des erwarteten Bewilligungsbescheides, flatterte ihm eine Kündigung von der Bahn ins Haus, sehr zum Erstaunen von Herrn M., war er doch immer pünktlich und fleißig gewesen. Gut für den Vermittler, der nun diese Arbeitsstelle aufs Neue vermitteln und kassieren konnte, genau wie die Bahn. Schlecht aber für Herrn M., der damit zum ALG II-Empfänger wurde und sämtliche Anträge auf Wohngeld und Zuschüsse postwendend zurückbekam!
Wohngeld beim Wohngeldamt kann ein ALG II-Empfänger nicht beantragen, das beinhaltet schon sein Arbeitslosengeld ... wenn er denn welches bekommt! Wenn aber das Jobcenter Probleme mit dem PC hat, dann kann das durchaus auch mal ein paar Monate dauern ... da hilft auch kein Betteln und kein Geschrei. Schließlich hat jeder vernünftige Mensch eine Lebensversicherung, die er erst mal kündigen kann ... dass diese eigentlich als Altersvorsorge gedacht war, interessiert erstmal keinen.
Wenigstens etwas Positives gab es für Herrn M.: Der Streit um das damals gekürzte Arbeitslosengeld wurde letztendlich vom Sozialgericht geschlichtet: 2/3 des Betrages durfte das Jobcenter behalten, 1/3 musste es zurückzahlen. Berichtigung: Hätten sie zurückzahlen müssen. Allerdings fand das Jobcenter nun einen anderen Zeitpunkt, zu dem sie Herrn M. angeblich zu viel gezahlt hatten, also behielten sie seinen Anteil kurzerhand ein.
Ein neuer Streit? Herrn M. war die Lust vergangen! Das Jobcenter startete nun ein Programm zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben mit Herrn M. - das klang gut. Herr M. sah einen Lichtblick.
Er ging also wieder zu einer Beratung, bekam die Information, dass ihm jede eigene Bewerbung mit 5 € vergütet würde und wieder drei Jobangebote für Zeitarbeit. Alle drei Stellen waren auf wenige Monate befristet. Für eine davon musste er sich entscheiden, sonst würde man ihm das ALG II streichen, welches er ja ohnehin noch nicht bekam. Herr M. entschied sich dafür, es bei allen Dreien zu versuchen. Stelle eins gab an, sich evtl. irgendwann mal bei ihm zu melden, Stelle zwei und drei hatten Verwendung für ihn. Das Gehalt noch überschaubarer als bei der Bahn, aber was macht das schon? Nach wie vor zahlt in einen solchen Fall das Jobcenter die Zuschüsse, welche zum Existenzminimum fehlen.
Was bleibt, ist die Abhängigkeit. Man zählt weiterhin als ALG II- Empfänger, "liegt dem Staat auf der Tasche". Die Firmen, welche die Arbeit auf Zeit vermitteln (nicht zu verwechseln mit den Arbeitsvermittlern!), stellen den Arbeitssuchenden fest ein und vermitteln ihn je nach Bedarf für ein paar Tage, Wochen oder Monate an die verschiedensten Arbeitsplätze, in Herrn M.'s Fall an verschiedene Firmen. Die Firma bezahlt den Personal-Verleiher der Zeitarbeitsagentur und diese bezahlt den Arbeitnehmer - und zwar sehr gering! Wenn sie einmal nichts für ihn finden, entlassen sie ihn kurzerhand - entgegen aller anfänglichen Versprechen! An eine Kündigungsfrist sind sie nicht gebunden. Echte Arbeitsplätze werden also auf diese Weise nicht geschaffen. Das Fatale ist, dass immer mehr Firmen auf diese billigen Arbeitskräfte zugreifen, sich für wenige Wochen einen Arbeiter "ausleihen" und immer seltener feste Mitarbeiter einstellen.
Herr M. hat resigniert. Wenn er wieder mal entlassen wird, guckt er einfach in die Zeitung und ruft bei der nächstbesten Personalleasing-Firma an, sofern diese sich inzwischen nicht schon von selbst melden - und schon kann er wieder arbeiten, für ein paar Wochen!
Na also, wer sagt's denn: Wer Arbeit will, der findet auch welche!
www.pixelquelle.de Zur Information:
Das Jobcenter ist als gemeinsame Einrichtung der Arbeitsagenturen und der Sozialämter zuständig für die ALG II-Empfänger, die Arbeitsagenturen selbst aber weiterhin für die ALG I-Empfänger. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte direkt an das nächste Jobcenter - Sie wissen ja nun, da werden Sie geholfen!
Birgit D. · Foto: www.pixelquelle.de
 
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