Film-Rezension
Black Book Das schwarze Buch der Schuld
Jeder Überlebende ist irgendwie schuldig
Jüdisches(Über-) Leben während des Dritten Reichs und des Holocausts ist immer ein schweres Thema für
einen Film. Steven Spielberg hat uns Deutsche mit seinem Drama "Schindlers
Liste" ins Mark getroffen und national betroffen gemacht. Roberto
Benigni brachte uns mit der Tragikomödie "Das Leben ist schön" zum
Lachen, und rührte uns gleichzeitig durch sein unglaubliches Talent
zu Tränen. Die typischen Holocaust-Verfilmungen haben gemein, dass
die Rollen der Guten und der Bösen immer glasklar verteilt sind
– wie anders auch will man angesichts von 7 Millionen ermordeter
Juden Geschichte aufarbeiten? Der niederländische Regisseur Paul
Verhoeven ("Total Recall", "Basic Instinct", "RoboCop") wählt in
seinem lose nach wahren Begebenheiten gestrickten Film "Black Book"
das Action-Genre - und führt damit die Erwartungshaltung seiner
Zuschauer bezüglich der Schuldigen das eine ums andere Mal ad absurdum.
Darf man das?
Die Niederlande, kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges.
Die jüdische Sängerin Rachel Stein (Carice van Houten) überlebt
die Zerstörung ihres Verstecks nur um Haaresbreite. Zusammen mit
anderen Juden versucht sie, in bereits befreite Gebiete der Niederlande
zu flüchten, doch die Gruppe wird verrraten. Rachel, die einzige
Überlebende, muss mitansehen, wie eine deutsche Patrouille die anderen
Flüchtlinge ermordet und ausraubt, darunter befinden sich auch Rachels
Eltern und ihr Bruder. Rachel gelingt die Flucht in die befreite
Zone, dort schließt sie sich einer Widerstandsbewegung an. Unter
der Leitung des unerschrockenen Arztes Hans Akkermans (Thom Hoffman)
gelingt es Rachel, mit ihrer neuen Identität Ellis de Vries, bis
in die höchsten Kreise der deutschen Besatzer vorzudringen. Dort
begegnet sie dem Chef des deutschen Sicherheitsdienstes Müntze (Sebastian
Koch). Nicht geplant bei der Aktion: Dass sich Rachel/Ellis heftigst
in Müntze verliebt...
Atemlose 145 Minuten lang schickt der Regisseur,
der mit seinem Action-Knaller "Total Recall" und dem erotischen
geladenen "Basic Instinct" seine Spannungskunst vielfältig unter
Beweis stellte, die Zuschauer auf eine gnadenlose Reise durch menschliche
Abgründe – und allzu menschlich-moralisches Fehlverhalten. Im Krieg und
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in der Liebe sind nun mal alle Mittel erlaubt – und wenn man
den eigenen Vorteil erkennt, sind den meisten Zeitgenossen sowieso
alle Mittel recht, diesen sich auch zu eigen zu machen. Doch auch
das ansonsten so unsäglich Böse menschelt: Da zeigt der oberste
Naziboss anrührende Schwächen und – in seiner Position unangebrachtes
Mitgefühl – während sich der stramme Widerstandskämpfer in der Ausführung
seiner heroischen Befreiungstat in der B-Note doch arge Nachlässigkeit
vorhalten lassen muss.
Der Zuschauer indes, von der atemberaubenden Spannung der Handlung in seinen
Kinosessel gepresst, kommt gar nicht erst zum Nachdenken. Er leidet
mit Rachel/Ellis und fühlt später mit der verliebt-desillusionierten
Ellis/Rachel, obwohl er sie nach einer Atempause wohl lieber in
den Hintern getreten hätte – aber wer hätte in den unruhigen, bewegten
Zeiten damals noch Zeit zum Atmen gefunden? Insbesondere, wo das
eigene Leben permanent bedroht war? Wo jede Aktion zu sofortiger
Enttarnung und zum Todesurteil führen konnte? Die geradezu grauenhafte
Anspannung des Films speist sich aus seiner ungeschminkten Nähe
zur damaligen Wirklichkeit seiner Hauptpersonen.
Zum Urteilen über die Handlungen der Akteure kommt man beim Anschauen des Filmes erstmal
nicht. Ellis’ beste Freundin während ihres Einsatzes für die deutschen
Besatzer wird das niederländische Soldatenliebchen ( als "Fickhäschen"
wird ihre Position dort von einer schweizerischen Filmkritik bezeichnet)
Ronnie. Ronnie genießt nach dem Ende des Nazi-Regimes stolz zusammen
mit ihrem neuen kanadischen Freund auf einem Jeep den
Fortsetzung
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