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Kunterbuntes 2/9
Juni 2007
Film-Rezension
Black Book
Das schwarze Buch der Schuld
Jeder Überlebende ist irgendwie schuldig
Jüdisches(Über-) Leben während des Dritten Reichs und des Holocausts ist immer ein schweres Thema für einen Film. Steven Spielberg hat uns Deutsche mit seinem Drama "Schindlers Liste" ins Mark getroffen und national betroffen gemacht. Roberto Benigni brachte uns mit der Tragikomödie "Das Leben ist schön" zum Lachen, und rührte uns gleichzeitig durch sein unglaubliches Talent zu Tränen. Die typischen Holocaust-Verfilmungen haben gemein, dass die Rollen der Guten und der Bösen immer glasklar verteilt sind – wie anders auch will man angesichts von 7 Millionen ermordeter Juden Geschichte aufarbeiten? Der niederländische Regisseur Paul Verhoeven ("Total Recall", "Basic Instinct", "RoboCop") wählt in seinem lose nach wahren Begebenheiten gestrickten Film "Black Book" das Action-Genre - und führt damit die Erwartungshaltung seiner Zuschauer bezüglich der Schuldigen das eine ums andere Mal ad absurdum. Darf man das?
Foto: NFP neue film produktion GmbH
Die Niederlande, kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges. Die jüdische Sängerin Rachel Stein (Carice van Houten) überlebt die Zerstörung ihres Verstecks nur um Haaresbreite. Zusammen mit anderen Juden versucht sie, in bereits befreite Gebiete der Niederlande zu flüchten, doch die Gruppe wird verrraten. Rachel, die einzige Überlebende, muss mitansehen, wie eine deutsche Patrouille die anderen Flüchtlinge ermordet und ausraubt, darunter befinden sich auch Rachels Eltern und ihr Bruder. Rachel gelingt die Flucht in die befreite Zone, dort schließt sie sich einer Widerstandsbewegung an. Unter der Leitung des unerschrockenen Arztes Hans Akkermans (Thom Hoffman) gelingt es Rachel, mit ihrer neuen Identität Ellis de Vries, bis in die höchsten Kreise der deutschen Besatzer vorzudringen. Dort begegnet sie dem Chef des deutschen Sicherheitsdienstes Müntze (Sebastian Koch). Nicht geplant bei der Aktion: Dass sich Rachel/Ellis heftigst in Müntze verliebt...
Atemlose 145 Minuten lang schickt der Regisseur, der mit seinem Action-Knaller "Total Recall" und dem erotischen geladenen "Basic Instinct" seine Spannungskunst vielfältig unter Beweis stellte, die Zuschauer auf eine gnadenlose Reise durch menschliche Abgründe – und allzu menschlich-moralisches Fehlverhalten. Im Krieg und
in der Liebe sind nun mal alle Mittel erlaubt – und wenn man den eigenen Vorteil erkennt, sind den meisten Zeitgenossen sowieso alle Mittel recht, diesen sich auch zu eigen zu machen. Doch auch das ansonsten so unsäglich Böse menschelt: Da zeigt der oberste Naziboss anrührende Schwächen und – in seiner Position unangebrachtes Mitgefühl – während sich der stramme Widerstandskämpfer in der Ausführung seiner heroischen Befreiungstat in der B-Note doch arge Nachlässigkeit vorhalten lassen muss.
Foto: NFP neue film produktion GmbH
Der Zuschauer indes, von der atemberaubenden Spannung der Handlung in seinen Kinosessel gepresst, kommt gar nicht erst zum Nachdenken. Er leidet mit Rachel/Ellis und fühlt später mit der verliebt-desillusionierten Ellis/Rachel, obwohl er sie nach einer Atempause wohl lieber in den Hintern getreten hätte – aber wer hätte in den unruhigen, bewegten Zeiten damals noch Zeit zum Atmen gefunden? Insbesondere, wo das eigene Leben permanent bedroht war? Wo jede Aktion zu sofortiger Enttarnung und zum Todesurteil führen konnte? Die geradezu grauenhafte Anspannung des Films speist sich aus seiner ungeschminkten Nähe zur damaligen Wirklichkeit seiner Hauptpersonen.
Foto: NFP neue film produktion GmbH
Zum Urteilen über die Handlungen der Akteure kommt man beim Anschauen des Filmes erstmal nicht. Ellis’ beste Freundin während ihres Einsatzes für die deutschen Besatzer wird das niederländische Soldatenliebchen ( als "Fickhäschen" wird ihre Position dort von einer schweizerischen Filmkritik bezeichnet) Ronnie. Ronnie genießt nach dem Ende des Nazi-Regimes stolz zusammen mit ihrem neuen kanadischen Freund auf einem Jeep den
 
Online-Magazin Im Endeffekt Ausgabe 13· © 2003 - 2007 danielwelt.de · Impressum · Printausgabe