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Aktuelles 11/20
August 2004
Interview mit Ulli Lommel
Und die anderen, die es einfach nicht können, die aber die Herausforderung sehen, derer sie sich nicht stellen können - die müssen jetzt ihre Wut, die sie eigentlich auf sich selbst gerichtet haben, die aber nicht auf sich selbst gerichtet sein kann, weil sie das eben nicht bringen – diese Wut wird jetzt gechannelt und projiziert auf den Daniel. Dadurch wird er zum Hassobjekt. Dafür, dass er ihnen die Wahrheit zeigt. Und dafür, dass er ihnen ein Beispiel gibt dafür, wie man sich äußern kann, wie man Gefühle ausdrücken kann.
AK: Hast Du Daniels Buch gelesen, vor dem Filmdreh?
UL: Ich habe Daniels Buch nur zum Teil gelesen. Ich wollte nicht zuviel wissen – ich wollte selbst alles erfahren. Ich habe es nur überflogen. Mir war in dem Buch zuviel drin von den Themen, dass die Mutter immer besoffen war, zu viele Liebhaber hatte… darüber wollte ich gar nicht reden, das wollte ich alles nicht wissen. War das die Frage?
CW: Diese Faszination, von der gesprochen wurde – die haben wir, glaube ich, alle schon bei verschiedenen Gelegenheiten verspürt. Wo aber liegen deiner Meinung nach seine besonderen Talente? Was kann aus ihm werden?
UL: Ich glaube, in dem, was aus ihm schon geworden ist. Daniel ist ein Mensch, der Dinge auf einer kollektiven Ebene bewegt. Und was er bewegt, all die Dinge, über die wir bereits sprachen. Dies ist etwas ganz Besonderes, jemand zu sein, der in der Lage ist, eine ganze Nation so zu spalten, so zu bewegen und so herauszufordern – und dies nicht nur für eine Nacht, einen Moment, sondern jetzt schon für eine so lange Zeit. Anderthalb Jahre macht er das jetzt so. Neulich beobachtete ich Daniel bei einem Interview in Berlin. Er hat ein so wunderschönes Selbst-bewusstsein, er ist überhaupt nicht arrogant, sondern einfach froh, am Leben zu sein und diese Freude mit anderen zu teilen, jeden Moment die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu empfinden! Ich glaube, bei ihm ist kein Ende in Sicht. Ich halte ihn nicht für naiv. Er mag vielleicht manchen naiv erscheinen – genauso, wie er manchen „verrückt“ erscheint, oder wie er manchen als Clown erscheint, aber das gehört alles dazu. Wie gesagt, all diese alten Seelen, die hierher kommen, um etwas zu bewegen oder etwas zu verändern, die müssen sich etwas auf der äußeren Ebene als Schutz aussuchen, damit nur die, die reif dafür sind, sehen können. Es sind halt nur zwei bis drei Millionen Deutsche, die diese Reise mit Daniel machen. Der Rest braucht vielleicht noch so zwei, drei Jahre...
CK: ...oder zwei, drei Leben...
UL: *lacht* Ja, genau!
CK: Jetzt hat aber nun Daniel selbst in einem Interview mit dem MDR gesagt, als es um die Polarisierung ging, die durch ihn erfolgt, dass diese Polarisierung größtenteils durch die Medien erfolge, dass die Medien mit ihrem Interesse an Schlagzeilen dies noch pushen.
UL: Bei den Medien ist es ja so, dass sie etwas aufbauen und abbauen. Wenn sie etwas aufgebaut haben, können sie es wieder abbauen. Nur durch dieses Hin- und her           
können sie gewinnen. Aber dies tut dem Daniel nur gut. Er hält es am Leben, auch diese Energien am Leben, und die Medien sind nicht mehr als ein Motor eines Autos, die dafür sorgen, dass das Auto funktioniert und läuft. Was die Medien aber genau berichten, ist mir vollkommen wurst, das spielt für mich überhaupt keine Rolle ob es nun gut oder schlecht ist. Warum nicht? Weil für diejenigen, für die Daniel etwas bewegt, was für sie lebensverändernd ist, für die ist das völlig uninteressant. Wir lesen gern in den Medien, wenn uns etwas aufgezeigt oder erklärt wird. Aber letzten Endes ist es wurscht. Daniel hat etwas bewegt, und das hat er bereits getan! Alles, was jetzt noch kommt, ist die Sahne obendrauf.
CK: Das Video zu „Teenage Tears“ ist von den Sendern aufgrund angeblich mangelnder Qualität boykottiert worden. Warum, wieso, weshalb?
UL: Wir wollten, als wir das Video gemacht haben an einem Nachmittag am See in Starnberg, etwas machen, was ganz, ganz einfach ist. Was jeder machen könnte, wenn er eine Kamera in die Hand nimmt und etwas abfilmt. Wir wollten nichts, was manipuliert aussieht, machen. Das kann ja jeder! Jeder kann heutzutage mit genug Geld irgend so ein Scheiß-Musikvideo drehen, was völlig perfekt ist, qualitativ hochwertig, gar keine Frage! Jeder Idiot kann das. Wir dagegen wollten ganz bewusst etwas Einfaches, etwas Amateurhaftes machen. Auf diese Weise kann man ganz bewusst Gefühle inszenieren, und mir gefällt, was dabei herausgekommen ist – Daniel übrigens auch! Wir sind alle so gewöhnt an Perfektion, an was weiß ich noch alles! Als wir drehten, kam plötzlich Regen und es fielen Tropfen auf die Kamera. Später beim Schneiden sagte jemand, das müsse man doch herausschneiden, aber ich sagte, nein, lass das bloß drinnen. Egal, dann sind da eben jetzt Tropfen auf der Kamera drauf. Die meisten sind halt an das Superperfekte, Superproduzierte – und letzten Endes doch so Sinnentleerte. Sorry! Dieses Video hat einen Inhalt, der nicht überproduziert ist, sondern eher unterproduziert – und allein dadurch kommt sein Inhalt viel besser zur Geltung. Wir wollten Kunst machen.
CK: Wann können wir das endlich mal sehen??
UL: Mmmh, muss ich den Daniel mal fragen...
Zwei Mädchen sitzen am Steg, Daniel kommt dazu, wie ein Engel, der zu jemandem geht und sie spüren plötzlich, dass da jemand da ist...
CK: Viele haben Daniel kritisiert, weil er an Trash-TV-Aktionen wie „IBESHMHR“ mitgemacht hat...
UL: Meiner Meinung nach kann alles nebeneinander koexistieren. Ich habe kein Problem damit, dass Daniel diese Schiene bedient. Das Ganze ist Spaß, und da gibt es eben auch diese Trashsender, die so etwas bedienen – na und? Wir leben doch in einer freien Gesellschaft. Manche wollen so etwas sehen, manche wollen es nicht sehen, die stellen es halt ab. Ich finde das jetzt nicht so tragisch. Koexistenz im Leben. Das Tolle am Leben ist doch dieser bunte Blumenstrauß, diese Buntheit in all ihren verschiedenen Farben, rot, gelb und so weiter – diese Vielfalt, das ist doch super!
Interview: Corinna Kahl · Mitarbeit: Corinna Wagner und Annette Kurowitsch · Foto: Corinna Kahl
 
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