Ein Abschied und eine Entdeckung
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Das erste Lied ist "You Drive Me Crazy" und Daniel braucht den Song merklich zum warmlaufen. Noch springt der Funke nicht über. Aber als der letzte Akkord verklungen ist und das Publikum johlt, strahlt Daniel und ist von dem Zeitpunkt an zu Hause, auf der Bühne. Daniel erhört meine Gebete und wechselt die Brille und auch den Musikstil: Jetzt ist ein Song aus seinem neuen, seit einem Jahr bang erwarteten Album an der Reihe. (Ich habe schon wieder Wetten laufen, ob es wieder verschoben wird) Der Song gefällt mir, Sixties-Style mit Bläsern, und wir wippen fröhlich mit. Mein Handy summt in meiner Hosentasche und ich halte es einfach nach oben. Daniel setzt sich auf einen Barhocker und hält in kindlich-unbeholfener Art eine Ansprache gegen George Bush. Er widmet Teenage Tears den Kindern im bombardierten Irak und singt es noch viel sensibler und schöner als auf der CD. Ich halte wieder mein Handy hoch, um Corinna mithören zu lassen. Später soll ich erfahren, dass man nur kreischende Zuschauer gehört hat, aber das ist ja immer so.
Allein, die alte Euphorie, von den Faniels so liebevoll als "gestäääärbt"-Gefühl bezeichnet, will sich einfach nicht mehr einstellen. Daniel ist gut, aber ich sehe ihn mittlerweile durch die Augen eines Kritikers, höre gnadenlos jeden verrutschten Ton, sehe jede kleine Unsicherheit auf der Bühne. Zweifellos, was er auf der Bühne leistet, ist gut, wirklich gut, und ich muss anerkennen, dass es eines seiner besten Konzerte ist. Das Problem bin vielmehr ich, denn diese sehr persönliche Gefühlsmixtur von Schwärmerei, Bewunderung und Muttergefühlen, die ich vor einem Jahr empfunden habe, hat sich wohl auf Nimmerwiedersehen verabschiedet. Ich sehe nichts weiter als eine gute Show und während der Umziehpause frustet mich so etwas Ähnliches wie Trennungsschmerz. Nun ja, beschließe ich, sehen wir uns doch einfach die gute Show an. Und die schaltet noch mal einen Gang hoch.
Kein Wunder, dass die Umziehpause so kurz ist - viel hat Daniel nicht an, als er wieder auf die Bühne kommt, und das Publikum gibt seinem Outfit tosenden Applaus. Eine Leopardenhose und ein kleines Leopardenwestchen und sonst nichts, das sieht wirklich vom Feinsten aus. Zum Intro von "The Lion Sleeps Tonight" vollführt Daniel einen kleinen Bauchtanz und wir stellen amüsiert fest, dass er sich ganz gut etwas zum Tanzen zugelegt hat. Ich will ja niemandem etwas Böses nachsagen, aber ich erkenne einen kleinen Rettungsring, wenn ich einen sehe. Macht nichts, sieht trotzdem sexy aus. Das Publikum swingt fröhlich im Dschungelrhythmus und Daniel trifft mühelos auch die höchsten Falsettöne. Dort, wo wir stehen, haben wir einen guten Überblick und können tanzen und fotografieren, wie wir lustig sind. Und lustig sind wir. Ich schaffe es, ein tolles Foto von Daniel zu erlegen und dieser Jagderfolg steigert noch meine Laune. Der Sound ist ausgezeichnet. Die Band, die auf dem Benefizkonzert in Mühldorf noch Anlass zur Besorgnis gab, hat sich ordentlich zusammengespielt und Daniels Stimme ist klar nach vorne gemischt.
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Nach ein paar Songs gibt es wieder eine kurze Umziehpause und als Daniel wieder auf die Bühne kommt, lachen wir uns fast schlapp. Er sieht aus, wie eine Go-Go-Version der Village People, mit einem rosaroten Cowboyhut, einem sehr camp geknoteten Karohemd, Lederstiefeln und eine rote Western-Schlaghose, die ihren Clou erst offenbart, als Daniel sich umdreht und lasziv hüftschwingend nach hinten schlendert: Der Hose, die von vorne noch leidlich normal aussieht, fehlen hinten ungefähr zehn Zentimeter zu ihrem Glück, was den ungehinderten Blick auf die tieferen Körperregionen freigibt. Zusammengehalten wird die Hose von einem roten Paillettenschnürchen und ein roter Glitzertanga teilt, was nicht zusammengehört. Scharf.
Gerade, als ich beschließe, schwul zu werden, rockt die Band los und Daniel legt eine energiegeladene Version von "Born in Bavaria" aufs Parkett. Danach wird fröhlich weitergecovert: Was auf CD teuer ist, kostet live nur ein paar Euros Gema-Gebühren und das nutzt Daniel weidlich aus, indem er sich einmal durch die Musikgeschichte covert. Dran ist diesmal "Sweet Home Alabama", das die Zuschauer schon wegen dem Wiedererkennungswert zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Den Knüller hat sich Daniel aber noch aufgespart: Die ersten Akkorde sind wohlbekannt und trotzdem kann es keiner glauben: Daniel covert "Kiss" von Prince. Ein Gesamtkunstwerk, zusammen mit der Hose des Skandals. Daniel kämpft sich tapfer durch den Song, man möchte es nicht glauben, er macht seine Sache gut, auch wenn er am Ende ein wenig wie sein eigenes Mainzelmännchen klingt. Und er ist nicht nur gut, er hat auch sichtlich Spaß dabei und die Fans, die zum großen Teil noch das Original auf der Bühne gesehen haben dürften, toben vor Begeisterung.
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