Ein Abschied und eine Entdeckung
Fortsetzung von Seite 14
Daniel hat etwas gefunden, was für ihn Gold wert ist: Eine gesunde Portion Selbstironie. In dieser Show ist Schluss mit dem Personenkult. Daniel spielt oberflächlich mit allen um ihn herum geschaffenen Klischees um sie sofort wieder zu verwerfen. Statt Hysterie und weinender Mütter sieht man ein vergnügt tanzendes Publikum. Wie anders war das noch während der Wintertour, die Personenkult pur war, mit unzähligen Anspielungen auf Daniels Werdegang, Kinderfotos, pathetisch verlesenen Biographiestellen. Damals hat die Stimmung gepasst, heute würde sie nicht mehr passen. Ich beginne zu ahnen, warum in dieser Zeit ein Teil der Fans wegblieb: Die Konzerte waren von der Stimmung her ein wenig geschlossene Gesellschaft. Jemand, der nicht bereit war, diesen Personenkult emotional mit zu vollziehen, musste sich ausgeschlossen und fremd fühlen. Damals war ich mittendrin. Heute würde ich mich draußen an die Bar hängen, sobald bedeutungsschwangere Schlüsselsätze durch den Saal hallen würden. Daniel steht jetzt für sich, versucht mit dem zu brillieren, was er kann und nicht mit dem, was er ist und da tut er gut daran, denn er kann wirklich etwas.
Daniel kommt wieder auf die Bühne und trägt eine schlichte schwarze Hose und eine weiße Bluse mit Trompetenärmeln. Er sieht so hübsch aus, dass man ihn am liebsten von oben bis unten abknuddeln möchte.
Bei "Man In The Moon" kommt Gänsehautstimmung auf, so intensiv wie es gesungen ist. Daniel haucht ganz leise "Hey" ins Mikrophon.
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Mein Hormonhaushalt produziert ein klitzekleines Muttergefühl und ein winziges bisschen Schwärmerei. Mein Kopf sagt: Guck mal, ein kleines schwärmerisches Muttergefühl. Schnauze, sage ich zum Kopf. Hör auf mit dem Blödsinn, sage ich zum Hormonhaushalt. Aber der hat sich ja von mir noch nie was vorschreiben lassen. Daniel widmet "Good Time" dem Schlagzeuger Frankie, der in diesem Jahr ums Leben gekommen ist und sein Gesicht verzieht sich zu echten Tränen. Das Publikum ist für kurze Zeit ganz still. Bis die ersten Klänge der seltsam altmodisch-schönen Hymne "My Life Is Magic" ertönen, dafür gibt es tosenden Applaus. Oje, Daniel schält sich aus der Bluse. Och nö, denke ich. Au weia, die Tänzerinnen befreien ihn aus der Hose. O weh, denke ich. Daniel steht in einer Art Ganzkörperstrumpf auf der Bühne, der mir nicht wirklich gefällt und die Stimmung von dem Song ist für mich irgendwie dahin. Naja, wems gefällt.
Für die Zugabe hat sich Daniel einen drei Nummern zu großen Trenchcoat übergeworfen und sieht darin anrührend aus, wie ein Kind, das in den Kleiderschränken der Eltern gestöbert hat. Er kündigt "Your Song" von Elton John an und widmet ihn einer 93-jährigen Frau, die eigens wegen dem Konzert aus Mallorca angereist ist. Früher hat mir "Your Song" nie gefallen, heute merke ich, dass immer Elton John das Problem dabei war. Daniel singt die wunderschöne Melodie mit hoher, ausdrucksstarker Stimme und ein Suchscheinwerfer spürt die alte Dame auf, die sich als Ehrengast auf der Videoleinwand bewundern darf. Feuerzeuge und Handys blitzen im Saal auf und Daniel springt am Ende des Songs hoch, ob vor Freude am Singen oder mitgerissen von der schönen Stimmung, auf jeden Fall ausgelassen fröhlich.
Aufgekratzt und gut gelaunt verlassen wir den Saal und sammeln uns, um noch gemeinsam etwas trinken zu gehen. Ich lerne endlich Simone aus dem Forum kennen, die mit uns nach München zurückfahren wird und wir fahren in die Mühldorfer Innenstadt, in ein gemütliches Kellerlokal, wo fleißig illegale Fotos und Avis verglichen und bestaunt werden. Für mich hat dieses Konzert einen kleinen Abschied bedeutet von dem Hochgefühl, das mich fast ein Jahr lang über dem Boden hat schweben lassen. Das ist jetzt vorbei und der Boden der Realität fühlt sich genauso gut an wie vorher. Aber ich habe auch eine Entdeckung gemacht. Kennt ihr den Daniel Küblböck? Der ist echt gut, der Mann. Müsst ihr euch mal anhören.
Nicole Neubauer Fotos: www.danielkueblboeck.info
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