Der Pferdeflüsterer
Sonntag der 12.09.2004, 11.30 Uhr, der Himmel über München Dagelfing wolkenverhangen. Das Wetter trostlos. Nachdem ich die Rennbahn betreten habe, fallen mir sofort die anwesenden Faniels ins Auge. Weit und breit nur eine handvoll Normalos in Sicht.
Mein Bauchgefühl irgendwo im Niemandsland. Wo bin ich hier? Eine Trabrennbahn, Pferderennen, was mache ich hier? Ich fühle mich fehl am Platz und habe keine Ahnung was auf mich zukommt. Daniel in einem Sulky. Was kommt auf ihn zu? Warum tut er das? Natürlich handelt es sich um eine Wohltätigkeitsveranstaltung und es geht darum zu helfen. Aber was hat Daniel hier zu gewinnen? Mein Bauch sagt mir, dass er an diesem Tag nur zu verlieren hat.
Ich sitze mit den anderen Faniels beim kostenlosen Bier. Eine Jazzband spielt. Es ist sehr laut. Wir unterhalten uns, schreien uns an. Die Sängerin jault in ihr Mikrofon. Ich kann nicht eine Silbe des Textes verstehen. Der Regen wird stärker. Das Wetter passt zu meinem Bauchgefühl. Das Gerücht macht die Runde, dass das Rennen bei so starkem Regen nicht gestartet wird. Es ist mir egal. Auf der Bahn drehen ein paar Fahrer mit ihren Sulkys Runden. Vielleicht zum Testen. Ich hole ein weiteres Bier. Draussen kommen ein paar Mädchen in Gymnastikanzügen mit zwei Pferden über die schlammige Zielgerade und machen eine Vorführung. Die Faniels drängen nach draußen. Es ist eine Vorstellung der Promi-Fahrer geplant. Ich sitze im Trockenen bei meinem Bier.
Als ich an die Strecke hinausgehe, drehen die Promis und die Profis Runden zum Aufwärmen. Es wird gerätselt, wie man Daniel überhaupt erkennt. Ich äußere die Vermutung, dass er sicher in einem pinken Rennanzug unterwegs ist und sein Pferd grüne Puschelohren hat. Um mich herum wird gelacht. Als er auf die Zielgerade einbiegt, sehe ich, dass er in grün/gelb unterwegs ist. Wenigstens mit den grünen Pferdeohren habe ich Recht behalten. Die Bahn ist eine einzige Schlammwüste. Die Sulkys hinterlassen tiefe Furchen im Sandboden. Die Pferde verlassen die Bahn und Wolfgang Fierek fährt mit zwei anderen auf wunderschönen Harleys in die Runde. Mein Mitleid gilt denen, die die Motorräder anschließend putzen müssen. Irgendwann startet auf der gegenüberliegenden Seite ein weißer Kleinbus. Am Winnerscircle stehe ich hinter Wuschel. Die Promis stehen mit einer Moderatorin des Bayrischen Rundfunks vor uns. Daniel lächelt, wirkt unsicher. Ich kann nicht in seinem Gesicht lesen, ob er sich wohlfühlt. Mit der Digitalkamera mache ich Bilder. Auch auf den Bildern lächelt Daniel nach außen. Ich habe keine Ahnung, wie es in ihm ausschaut. Die Promis steigen wieder in den Bus und fahren zurück zu den Ställen.
Zusammen mit der Eintrittskarte haben Wuschel und ich jeweils einen 5€ Wett-Gutschein bekommen. Es wurde Zeit diese einzulösen. Ich beobachtete die Frau am Wettschalter, wie sie versuchte zu erklären, wie man einen Wettschein ausfüllt. Vor ihr viele fragenden Gesichter.
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Als sie fertig ist, sehen die Gesichter nicht schlauer aus. Ich versuche es kurz zu machen und frage sie einfach, was ich ankreuzen muss, um meine 5€ auf den Sieg von Daniel Küblböck zu setzen. Sie macht für mich die Striche und der Wettschein ist anschließend Vorlage für andere. An einen Sieg glaube ich nicht. Laut dem Sprecher an der Strecke wurde Daniels Pferd Dänemark in den letzten 5 Rennen 4 Mal disqualifiziert, weil es in den Galopp verfallen ist. Rosige Aussichten. Mein Bauchgefühl wird besser. Das Pferd ist schuld, wenn es nicht klappt.
Mittlerweile sind die Promis auf der Strecke. Noch 5 Min. bis zum Start. Ich gehe mit der Digitalkamera in die Zielkurve, um möglichst gute Bilder zu machen. Die Wettquote wird immer besser. Nachdem sie am Anfang bei 17€ für 10 bei einem Sieg von Daniel gelegen hat, steigt diese immer weiter an. Es gibt also doch nicht nur Faniels an der Strecke. Es wird auch auf andere Promis gesetzt. Es regnet in Strömen. Unter einem Arm habe ich den offenen Regenschirm geklemmt und versuche ihn so gut es geht hochzuhalten. In der anderen Hand halte ich die Kamera. Das Startfahrzeug, ein BMW X5 startet auf der Gegengerade und die Pferde sammeln sich langsam hinter dem Startfahrzeug. Langsam begeben sich die Pferde in die Formation. Es wird fliegend gestartet. Sie kommen an mir vorbei. Daniel sieht professionell aus. Er ist hochkonzentriert. Ich schieße Bilder. Der BMW donnert über die Startgerade. Die Pferde hinterher. Auf der Startlinie beschleunigt der BMW und zieht davon. Das Rennen ist gestartet.
In der Ferne sehe ich, wie in der gegenüberliegenden Kurve Dänemark in Führung geht. Als Daniel von der Gegengerade in die Zielkurve einbiegt, hat er 4 Längen Vorsprung. Ich bin fasziniert. Das Gespann fliegt an mir vorbei. Ich schieße Bilder. Irgendwie ist es wie in einem Film. Er führt. Und es sieht aus, als ob er in seinem Leben nichts anderes gemacht hätte, als hinter einem Pferd im Sulky zu sitzen. Ich fange an ihn anzufeuern. Er ist auf der Gegengeraden. Ca. 200 Meter Luftlinie entfernt. Ich feuere ihn an. Er wird mich nicht hören. Die Kontrahenten kommen näher. Daniel kommt zum letzten Mal in die Zielkurve. Er treibt sein Pferd an. Er schreit. Es ist Daniel. Daniel der Trabrennfahrer. Nicht der Sänger, nicht der Entertainer, nicht der Schauspieler.
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