Interview mit Dr. Volker Mertens
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Und wie viel die Jugendlichen wirklich an praktischem Wissen davontragen, das ist sehr fraglich. Vermutlich können alle Gymnasiasten das HI-Virus wunderbar toll erklären in der Molekularstruktur – aber wenn es darum geht, beim Sex vielleicht ein Kondom zu benutzen, versagen sie dann sozusagen.
IE: Gehen Sie auch selbst in die Schulen?
Dr. Mertens: Wir haben so ein bisschen Arbeitsteilung. Es gibt unterschiedliche Organisationen hier in Deutschland, die Deutsche AIDS-Stiftung arbeitet bundesweit und hat gesagt: Unsere Hauptaufgabe ist diese materielle Hilfe für betroffene Menschen und eher diese allgemeine Bewusstseinsarbeit. Daneben gibt es die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die sitzt in Köln. Die macht Aufklärung und Prävention für die Allgemeinbevölkerung und stellt auch Material für Schulen bereit. Diese „Machs-Mit“-Kampagne mit dem Logo mit dem Kondom ist Ihnen vielleicht mal aufgefallen oder diese Gemüsekampagne, wo dann Großplakate hängen und der Banane oder dem Spargel sind Kondome übergezogen. Sowas kommt von der BzgA. Also es ist eigentlich eher die Aufgabe der BzgA, die Lehrer zu informieren, damit die das an die Schüler weitergeben und direkte Aufklärungsarbeit in den Schulen machen wie gesagt die Organisationen wie pro familia beispielsweise oder auch wenn sie sehr aktiv sind, einzelne AIDS-Hilfen. Die lokalen AIDS-Hilfen haben vor allen Dingen die Aufgabe, Menschen mit HIV und Aids psychosozial zu betreuen. Also die stehen für das direkte Gespräch zur Verfügung, weil sie überall Zweigstellen haben oder Geschäftsstellen. Und wenn dann feststeht, diese Menschen haben auch ein Geldproblem durch HIV und Aids, dann kommen wir ins Spiel. Dann sagt der Berater der Aidshilfe: Es gibt die AIDS-Stiftung, wir haben keinen Etat dafür, aber wende dich doch an die AIDS-Stiftung oder ich stelle den Antrag auch für dich und da arbeiten wir dann zusammen.
IE: Nun zu Daniel… Wie kam denn Daniel zur AIDS-Stiftung? Haben Sie da eine Ahnung?
Dr. Mertens: (lacht) Ja…
Daniel Küblböck oder Nicola Lang, ich weiß jetzt nicht mehr genau, wer von den beiden, haben uns ne E-Mail geschrieben und haben gesagt, dass Daniel diese Kondom-Aktion plant, also Kondome selbst verpacken will in diese Tütchen, so einzeln, und verteilen will bei seinen Konzerten und ob wir ihnen nicht eine Kondomfabrik empfehlen könnten… Oder was wir ihnen zu der Verpackung sagen können… Ob da unser Logo auch drauf könnte… Er würde gern mit uns zusammenarbeiten… Das war sozusagen der erste Schritt. Ich hatte dann einen Termin in München und musste dann sowieso mit dem Zug zurück fahren und hab dann in Nürnberg Halt gemacht und bin ausgestiegen, bin dann in sein Geschäft gegangen. Wir haben uns dann sehr gut unterhalten und auch gut verstanden. Und ich hab so’n bisschen erklärt, was wir machen. Er hatte vorher schon die Idee, dass er auch gern Spenden sammeln wollte und hat dann gesagt: Ja, ich find das klasse, was Ihr macht,
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grad auch mit dieser individuellen Hilfe für einzelne erkrankte Menschen und dann sammel ich einfach Geld und das nehmen wir zweckbestimmt für diese Einzelhilfe. So sind wir eigentlich zusammen gekommen.
IE: Und wie finden Sie das, dass Daniel diese Idee hatte mit den Kondomen und durch seine Aktionen ja quasi auch aufklärt?
Dr. Mertens: Ich find das ganz klasse. Ich würde mir wünschen, dass das noch viel mehr Leute machen und vor allen Dingen: Er macht es mit ganzem Herzen! Ich hab ihn da gesehen in Nürnberg, wie gesagt, wir sind ins Gespräch gekommen und haben uns da gut ausgetauscht und ich hatte gleich das Gefühl, es ist ihm ein Herzensanliegen. Und es ist nicht, wie vielleicht bei anderen Stars, ne Masche, um bekannter zu werden oder einfach so public relation, sondern er steht dahinter und er sagt: Ich will einfach nicht, dass sich noch mehr Leute damit anstecken, gerade junge Leute, gerade auch Leute, die in meine Konzerte kommen und meine Musik hören. Und wo ich Leute erreichen kann, da will ich das tun und will sozusagen mein Scherflein dazu beitragen, dass das Problem hier in Deutschland etwas kleiner wird. Und das hat mir sehr gut gefallen. Das gefällt mir immer noch sehr gut!
IE: Gibt es da noch andere Künstler?
Dr. Mertens: Wir haben beispielsweise Rosenstolz, die Band. Bei denen ist es so, dass sie, wenn sie Konzerte machen, immer auch die lokalen AIDS-Hilfen einladen, da einen Stand aufzustellen um aufzuklären und Broschüren zu verteilen und dann auch Spendendosen rumgehen lassen und die sind uns auch seit Jahren schon verbunden. Sie sind auch schon mal in Fernsehshows aufgetreten vor Jahren und im letzten Jahr haben die gesagt, wir machen unser letztes Konzert von der Tournee als Benefiz-Konzert und spenden dann den gesamten Erlös an die AIDS-Stiftung. Also das war auch ein ganz substantieller großer Betrag für diese Band und auch darüber waren wir sehr dankbar. Und wir merken ja auch, wenn sie Interviews geben, wenn sie gefragt werden, sie verleugnen nie ihr Engagement für Aids, thematisieren das auch und sie sind genauso Idole wie Daniel und ich glaube, das Wichtige ist grad, dass auch Künstler sagen: "Benutzt Kondome, wenn ihr keine Kondome nutzt, ist das uncool", damit einfach gerade Jugendliche auch auf dieser Ebene angesprochen werden.
Das bewirkt oftmals viel mehr Verhaltensänderung, als wenn der Lehrer das sagt oder die Eltern oder irgendeine Broschüre. Gerade dieser Vorbildcharakter der Stars in dem Punkt ist ganz existentiell. Es gibt ein Beispiel, das ist jetzt schon Jahre her, vermutlich können sich einige der Fans da gar nicht mehr dran erinnern, obwohl sie ja jetzt ein Comeback haben, die Backstreet Boys.
Wenn die Backstreet Boys in so’ner Fernsehshow auftraten, und die Jungs haben gesagt: Nutzt Kondome, oder safer sex, dann konnten die „kleinen“ Mädchen - also teilweise 12-,13-,14-jährige, wohl eher „mittelalte“ Mädchen – die konnten zu ihren Freunden sagen:
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